Harnwegsinfekte bei Frauen: Genügen Schmerzmittel?
Wir haben letztes Jahr über die Schweizerische Studie (Kronenberg et al.) zum Einsatz von Schmerzmitteln beim unkomplizierten Harnwegsinfekt (HWI) bei Frauen berichtet. Mit dem Ziel, den Antibiotika-Einsatz zu reduzieren, haben die Autoren untersucht, ob nicht mindestens ein Teil der betroffenen Frauen auch ohne Antibiotika auskommen könnte. Die Studie konnte zeigen, dass etwa die Hälfte der Frauen mit HWI auch mit nicht-steroidalen Schmerzmitteln geheilt werden können. Nun setzt eine neue Skandinavische Studie Fragezeichen bei dieser Schlussfolgerung.
Randomisiertes, verblindetes Studiendesign
Die Autoren (Vik et al.) untersuchten gut 380 Frauen mit unkompliziertem HWI und verabreichten diesen entweder Ibuprofen oder eine Antibiotikum, welches in Skandinavien oft zur Behandlung von HWI eingesetzt wird (pivmecillinam). Untersucht wurde, neben weiteren Fragestellungen, wie viele Frauen vier Tage nach Therapiebeginn beschwerdefrei waren.
Das Resultat der Untersuchung war eindrücklich: nach vier Tagen Therapie fühlten sich 74% der antibiotischen behandelten Frauen geheilt, verglichen mit nur 39% bei den Frauen unter Ibuprofen (Abbildung).
Nun könnte man vermuten, dass es doch möglich wäre, im Voraus herauszufinden, welche Frauen auch auf eine alleinige Ibuprofen-Therapie gut ansprechen. Doch die Autoren konnten nichts finden, was einen besseren Verlauf voraussagen würde. Einen gewissen Einfluss hat ein positiver Nachweis von Bakterien im Urin. Aber auch dieses Resultat hat man zum Zeitpunkt der Therapieentscheidung noch nicht zur Hand.
Antibiotika verhindern Schwere Nebenwirkungen
Vielleicht die wichtigste Beobachtung war aber eine andere: Im Gegensatz zur Kronenberg Studie fanden die Autoren eine signifikante Häufung von fieberhaften Komplikationen (3%) und vor allem auch von Nierenbeckenentzündungen (4%) bei den unter Ipubprofen behandelten Frauen. Diese Komplikationen traten bei keiner der antibiotisch behandelten Frauen auf. Auch Hospitalisationen waren signifikant gehäuft bei der Gruppe der Frauen ohne antibiotische Therapie.
Kommentar
Im Moment versuchen wir möglichst viel unnötige Antibiotika-Behandlungen zu vermeiden, um der Entwicklung von Resistenzen vorzubeugen. Nun gilt es zu beurteilen, ob nicht wir beim Antibiotika-Verzicht bei den unkomplizierten HWI doch etwas zu mutig waren. Was sicher zu prüfen wäre, ob wir die Diagnose HWI etwas besser untermauern können. Oft haben Frauen auch das Gefühl einer Blasenentzündung, doch wenn man gut untersucht (Lc-urie, Bakterien), findet man einen blanden Befund. Möglich, dass in solchen Fällen, der Verzicht auf Antibiotika weiterhin angebracht ist.
Foto von Isengardt
Literaturangaben
- Kronenberg A. et al. Symptomatic treatment of uncomplicated lower urinary tract infections in the ambulatory setting: randomised, double blind trial. BMJ. 2017
- Vik I. et al. Ibuprofen versus pivmecillinam for uncomplicated urinary tract infection in women-A double-blind, randomized non-inferiority trial. PLoS Med. 2018
Links
- Harnwegsinfekt- Schmerzmittel statt Antibiotikum (Veröffentlicht am 03.12.2017)
- Harnwegsinfekt: Doch keine “single-shot“ therapie (Veröffentlicht am 28.05.2018)
- Akupunktur gegen Harnwegsinfekte? (Veröffentlicht am 07.01.2014)
- Die unkomplizierte Cystitis (Blasenentzündung) der jungen Frau (Veröffentlicht am 27.09.2010)