HIV-Primoinfektion zerstört die besten Abwehrzellen

Wenn es zur Infektion mit HIV kommt, vermehrt sich das HIV-Virus im Körper rasant und es kommt zur sog. "primären [akuten] HIV-Infektion" (PHI). Während dieser entscheidenden Phase der Infektion laufen sehr viel irreversible Vorgänge ab. Ein neuer derartiger Vorgang wurde soeben im JVirol online publiziert.

Mehr als 70% der frisch infizierten Personen machen Tage bis Wochen nach der Ansteckung das klinische Bild einer PHI durch. Dieses klinische Bild wird meist als banaler grippaler Infekt verpasst. Leider! Denn während dieser Zeit von wenigen Wochen schafft es das Virus, die gegen das Virus gerichtete Immunantwort vollständig lahmzulegen. Das Virus macht dies mit verschiedenen Methoden:

Diese pathophysiologischen Zusammenhänge könnten ein Argument sein, bereits während einer akuten HIV-Infektion eine HIV-Therapie einzuleiten. Die Hoffung ist, dass wir einmal eine therapeutische Vaccine haben und dann haben diejenigen Personen, bei welchen diese Zerstörungen noch nicht erfolgt sind, vermutlich die beste Ausgangslage.

Ein zweiter wichtiger Grund aufmerksam zu sein und PHI rechtzeitig zu erkennen: Während dieser frühen Phase der Erkrankung ist die HIV-Transmissionsrate massiv erhöht (vgl. HIV-Primoinfektion: Wichtige Diagnose für HIV-Prävention). In der Schweiz gehen ca. 1/3 aller neuen Infektionen von Personen aus, welche ebenfalls eine PHI hatten.

Eine neue interessante Beobachtung
Nun wurde im J Virology eine neue Beobachtung beschrieben, welche ebenfalls in die gleiche Richtung zeigt. Offenbar werden auch die CD8-Zellen teilweise zerstört und auch diese Zerstörung scheint sehr selektiv voranzugehen: Die Autoren dieser Arbeit fanden, dass die Funktionalität der CD8 Zellen während der akuten HIV-Infektion viel besser ist als in späten, chronischen Phasen der Infektion. Diese Funktionalität äussert sich in einer stärkeren Avidität (Bidnungsstärke) der CD8 Zellen für ihr spezifisches Antigen (HIV).

Hochavide CD8-Zellen selektiv zerstört
Die Autoren haben nicht nur zeigen könnten, dass die Avidität der CD8 Zellen in der PHI höher ist. Sie konnten auch zeigen, dass es sich um einen Klon von Zellen handelt, der in der chronischen Phase der HIV-Infektion nicht mehr vorhanden ist. Mit anderen Worten, diese hohe Avidität ist eine Eigenchaft spezifischer Zellen und nicht etwas, was die CD8-Zellen lernen oder vergessen können.

Outcome assoziiert mit Avidität von CD8
Als wichtige prognostische Grösse sehen wir ja die HIV-Viruskonzentration an, welche sich bei jedem Individuum auf einen unterschiedlichen, aber stabilen Wert einpegelt. Dieser Wert korreliert nun während der chronischen Infektion mit der Avidität der HIV-spezifischen CD8 Zellen. Es scheint also, dass diese Zellen tatsächlich wichtig sind für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit der HIV-Infektion.

Es handelt sich um eine Untersuchung an 30 Patienten. Eine grosse Zahl, wenn man bedenkt, dass von allen Proben während der PHI tiefgefroren werden mussten. Die Bedeutung dieser Beobachtung für die Entwicklung von Impfstoffen und für den individuellen Verlauf muss aber noch untersucht werden. Weiter wäre interessant, ob diese aviden CD8 Klone durch eine sofortige HIV-Therapie erhalten bleiben können.

Quelle: Lichterfeld et al, J Virol. 2007 Feb 7; [Epub ahead of print]