Sepsis – lähmt die Kraftwerke der Zellen

Die Häufigkeit der Sepsis als systemische entzündliche Reaktion auf Infektionen nimmt zu. Welche Mechanismen aber zum tödlichen Multiorganversagen führen, ist nicht geklärt. In einem Uebersichtsartikel, der kürzlich in Current Infectious Disease Reports veröffentlicht wurde, erläutern David Brealey und Mervyn Singer ihre Hypothesen zur Mitochondrienschädigung bei Sepsis.

Im Rahmen der Sepsis findet man regelhaft eine metabolische Acidose trotz erhöhter Sauerstoffspannung im Gewebe. Dies suggeriert eine verminderte Sauerstoffnutzung, auch Gewebsdysoxie genannt. Da nun 90% des Sauerstoffs zur ATP-Generation in den Mitochondrien verwandt werden, liegt es nahe, die Funktionstüchtigkeit dieser Zellkraftwerke zu untersuchen. Ein bekannter Inhibitor der mitochondrialen Enzymkomplexe ist Stickoxid (NO). Die Makrophagenaktivierung bei Sepsis führt zu einer Hochregulation der induzierbaren NO-Synthetase, so dass der NO-Spiegel steigt. Der Stickoxid-Spiegel korreliert direkt mit Lactat- und Endotoxinkonzentrationen, dem Bedarf an Vasopressoren und der Schwere der Organdysfunktionen. Eine inverse Korrelation findet sich hingegen mit dem systolischen Blutdruck und der Sauerstoffextraktion im Gewebe. Somit kann ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Anstieg des NO-Spiegels auf der einen Seite und einer Beeintächtigung der Mitochondrienfunktion mit resultierendem Multiorganversagen postuliert werden. Der Einsatz von Inhibitoren der NO-Synthese bei Patienten mit Sepsis führte entsprechend auch zu einer Abnahme des Vasopressorenbedarfs, allerdings überwogen in dieser noch unveröffentlichten Arbeit die negativen Effekte – laut Autoren wegen falscher Dosis und Patientenauswahl.

Welche experimentellen Befunde stützen nun die Hypothese?

In verschiedenen Zellmodellen der Sepsis zeigt sich ein schneller Rückgang der Sauerstoffausschöpfung nach Zugabe von Stickoxid. Dieser Effekt wird durch Zugabe von NO-Fängern wie Oxyhämoglobin aufgehoben. Leider sind die Befunde in Tiermodellen nicht ganz so eindeutig: hier zeigen einige Untersuchungen sogar eine gesteigerte Mitochondrienfunktion bei Sepsis. Sieht man allerdings genauer hin, so findet man eine Zeitabhängigkeit der Mitochondrienaktivität. Nach anfänglicher Steigerung kommt es schliesslich zu einem Abfall der Energieproduktion, die mit elektronenmikroskopisch fassbaren strukturellen Veränedrungen dieser Zellorganellen und erneidrigtem ATP-Spiegel einhergeht. Auch im Tierversuch kann ein Inhibitor der NO-Synthase die Veränderungen verhindern.

Was bedeutet das für den Menschen?

Bisher gibt es nur wenige klinische Untersuchungen, da sich ein ausgedehntes Sampling von unterschiedlichen Gewebeproben verbietet. Die meisten Befunde stammen aus Muskelbiopsien und somit aus nicht vital bedeutenden Organen. Einen Hinweis auf eine Störung in der Atmungskette der Mitochondrien gibt jedoch eine erniedrigte Ratio von Acetoacetat zu Hydroxybutyrat im Serum, die mit dem Plasmanitritspiegel – einem Marker der NO-Synthese – korreliert und bei kontinuierlicher Abnahme auf eine schlechte Prognose quo ad vitam hindeutet. Wie oben bereits erwähnt, war jedoch die Inhibition der NO-Synthese klinisch bisher nicht erfolgreich.

Die genannten Befunde geben zwar wichtige Hinweise für eine pathophysiologische Erklärung, wie Sepsis zum Multiorganversagen führt, das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gesprochen. Beim Menschen gibt es noch viel zu tun…

Brealey et al, CurrInfDisReport 2003;5:365