Tierbisse

Jährlich werden ca. 13.000 Schweizer wegen Hundebissen ärztlich behandelt. Auch Katzen wehren sich gelegentlich gegen ihre Frauchen. Hauptgefahr dabei ist die Entwicklung von Infektionen.

Der "Löwenanteil" an Tierbissen wird durch den besten Freund des Menschen – den Hund – verursacht. Meist ist es der eigene oder ein gut bekannter Hund, der beim wilden Spiel die Grenze überschreitet. Nur 10% der Bisse bekannter Hunde erfolgen ohne vorherige Provokation des Menschen, wobei junge Rüden häufiger zuschnappen als ältere Hündinnen. Bei fremden Hunden gibt es allerdings in 2/3 der Fälle keine vorangehende Interaktion, sie beissen spontan zu. Unter den Rassehunden nehmen der Deutsche Schäferhund und Pitbull Terrier die Spitzenränge ein; insgesamt beissen Mischlinge jedoch schneller zu. Dabei werden Männer und vor allem Buben zwischen 5 und 9 Jahren häufiger Opfer als Frauen. Bei kleinen Kindern beissen Hunde oft ins Gesicht, da sich deren Kopf in ihrer "Arbeitshöhe" befindet. Auch die rechte Hand ist vielfach betroffen.

Bei Katzen sind Frauen und ältere Kinder die bevorzugten Opfer. Durch die spitzen Fangzähne werden oft kleine, aber tiefe Wunden hervorgerufen. Auch hier ist der Biss meist provoziert durch zu intensives Schmusen.

Bisse durch andere Haustiere, z.B. Nagetiere, stellen mit 2-3% nur einen geringen Anteil dar und betreffen meist Kleinkinder. Angriffe durch wildlebende Tiere oder Schlangen sind so selten, dass sie hier nicht behandelt werden sollen. Nicht zu unterschätzen sind jedoch Menschenbisse, die zusammen mit Katzenbissen das höchste Infektionsrisiko bergen, allerdings viel seltener einer Behandlung zugeführt werden – aus Scham oder Angst vor juristischen Konsequenzen. Hier muss bei Kindern immer auch an Misshandlung durch Erwachsene gedacht werden. Die Bisse sind vor allem an der oberen Extremität und Hand zu finden und dort kommt es besonders häufig zu Infektionen.

Erstmassnahmen

Die Wunde sollte möglichst rasch gesäubert werden, deshalb sollte sofort zumindest mit Wasser und Seife gespült werden. In ärztlicher Behandlung wird die Wunde dann inspiziert und desinfiziert. Besonders bei Bissen in die geschlossene Faust kommt es zu Knochen- und Gelenkverletzungen und in der Folge zu Osteomyelitis (5-17%) und septischer Arthritis (15-70%).

Nach der Säuberung wird ein primärer Wundverschluss vor allem bei Gesichtsverletzungen angestrebt. Dabei wird stark geschädigtes Gewebe entfernt. Bei sehr ausgedehnten Bissverletzungen mit ausgeprägter Quetschung, tiefen Wunden, Menschen- und Katzenbissen, Hundebissen, die länger als 6-12 h zurückliegen und Immunsupprimierten muss man wegen der Infektionsgefahr zurückhaltend sein und die Wunde oft sekundär heilen lassen.

Infektionen

Neben der direkten Verletzung von Haut, Knochen und Gelenken liegt die Hauptgefahr von Tierbissen in der Entwicklung von Infektionen, die durch die Mundflora des jeweiligen Tieres übertragen werden. Dabei führen Katzenbisse durch ihre Tiefe häufiger zu Infektionen als Menschen- und Hundebisse, die auf Platz 2 und 3 folgen. Die verantwortlichen Keime sind bei Hund und Katze vor allem Pasteurella multocida, bei allen Species Anaerobier und Staphylococcus aureus sowie beim Menschen Streptococcus viridans. Diese Bakterien werden durch Augmentin (Amoxicillin/Clavulansäure) gut erfasst. Eine antibiotische Prophylaxe für 5 Tage ist bei Verletzungen mit hohem Infektionsrisiko (s.o.), bei Knochen- und Gelenkbeteiligung, Gesichtsverletzungen und bei Immunsupprimierten und Diabetikern empfehlenswert. Bei Penicillinallergie kann alternativ Clindamycin plus Levofloxacin bzw. bei Kindern Clindamycin plus Cotrimoxazol gegeben werden.

Sollte sich bereits eine Infektion entwickelt haben, wird man versuchen, die verantwortlichen Keime durch Abstriche zu erfassen um gezielt antibiotisch zu therapieren. Die Wunde sollte gut inspiziert werden, um in der Tiefe liegende Fremdkörper – wie beispielsweise Zahnreste des Angreifers – nicht zu übersehen. Bei tiefen Verletzungen ist hierzu ein Röntgenbild unerlässlich.

Tetanus

Bei unklarem Impfstatus sollte gleichzeitig Tetanus-Immunglobulin als passiver Impfschutz und Tetanus-Toxoid zur aktiven Bildung von Antikörpern gegeben werden. Wenn eine Grundimmunisierung erfolgt ist, in den letzten 5 Jahren aber keine Auffrischung stattgefunden hat, reicht die Gabe des Tetanus-Toxoids aus. Da zugleich der Diphtherie-Impfschutz in der Bevölkerung ungenügend ist, sollte der kombinierte Td-Impfstoff verwandt werden.

Tollwut

Seit 1997 gibt es keine tollwütigen Füchse mehr in der Schweiz. Seit 1950 wurden 3 tollwütige Fledermäuse gefunden, zuletzt 2002 am Genfer See. Durch konsequente Impfprogramme bei Haus- und Wildtieren sind die Schweiz und ihre Nachbarländer frei von Tollwut bei auf der Erde lebenden Tieren. Einzig Fledermäuse und selten auch "schwarz" eingeführte Tiere (s. NZZ Nr. 171 vom 26./27. Juli 2003) stellen noch ein Reservoir dar. Somit ist eine Postexpositionsprophylaxe nur noch nach Bissen der kleinen "Vampire" und sich auffällig verhaltenden Haustieren ungewisser Herkunft notwendig. Hierzu wird Tollwut-Immunglobulin um die Wunde herum infiltriert und zusätzlich die aktive Impfung über 5 Tage gegeben.

HIV und Hepatitis

Bei Menschenbissen besteht zusätzlich zur Gefahr von bakteriellen Infektionen auch die Möglichkeit der Uebertragung von Virusinfektionen, besonders bei blutenden Mundverletzungen im Rahmen einer gewalttätigen Auseinandersetzung. Daher sollte bei Angreifer und Opfer der HIV-und Hepatitis B/C-Status überprüft werden. Wenn der Beisser HIV-positiv ist, sollte eine medikamentöse Postexpositionsprophylaxe durchgeführt werden, obwohl das Risiko einer Uebertragung sehr gering ist. Bei Vorliegen einer Hepatitis B können simultan aktive und passive Impfuungen durchgeführt werden, bei der Hepatitis C muss man sich leider auf Verlaufsuntersuchungen beschränken, da eine Impfung nicht verfügbar ist.

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Prof. Dr. Martin Krause

Dr. K. Boggian