Über Stiche, Bisse und andere unerfreuliche Tierkontakte. Machen Tiere wirklich krank?

Praxisnahe Beispiele zu folgenschweren Kontakten mit dem Tierreich, prägnant präsentiert im

Referat von Prof. Dr. med. Martin Krause, Chefarzt Medizin, Thurgauisches Kantonsspital Münsterlingen.

Exkurs: Über Stiche und Bisse,…….
Stiche: Eindimensionale nicht (makroskopisch) gewebezerstörende Penetration der Cutis mit einem Saugorgan.
Bisse: Multidimensionale Penetration der Cutis und ev. tieferer Schichten mit Gewebezerstörung.
…….und Zwischenformen (Blutegel: Saugorgan mit Kalkzähnen)

1. Der Flohstich
ist charakterisiert durch einen Juckreiz, der das Leitsympotom darstellt. An der Einstichsstelle entstehen rote Papeln mit einer zentralen Einstichsstelle. Duch den Speichel des Flohs kann eine Allergisierung auftreten. Ansonsten macht der Floh nicht krank.
Krank machen Sekundärinfektionen (Kratzen an der Einstichstelle) oder Bakterien, welche durch den Floh übertragen werden können (Yersinia pestis, Rickettsia typhii). Der Rattenfloh war (ist) der Überträger der gefürchteten Pest im Mittelalter. Doch ist der Floh daran schuld? Nein, auch er ist wie der Endwirt ein Spielball des Pesterregers Yersinia pestis: dieser wird durch eine Blutmahlzeit auf der Ratte vom Floh aufgenommen, durch den Temperaturabfall nach der Blutmahlzeit im Flohdarm bildet er eine Koagulase, welche das Blut verklumpen und den Floh wiederum Hunger leiden lässt. In dieser desperaten Lage befällt der Floh nun den erstbesten Wirt (der im Falle des Menschen nicht dem idealen Wunsch-Endwirt des Rattenflohs entspricht), und durch den Temperaturanstieg während der erneuten Blutmahlzeit kann der Pesterreger den neuen Wirt befallen.
Dieses historische Beispiel gilt auch für alle anderen Flöhe: sie befallen den Menschen nur zur Not – sozusagen als Hunde- oder Katzenersatz. Daher gehört in der Anamnese nach Haustieren gefragt, insbesondere nach solchen, welche gerade nicht zu Hause sind. Typischerweise ist dies nach den Ferien der Fall: Hund noch im Ferienheim > nach zwei Wochen hungriger Floh auf der Stehlampe zu Hause > dieser springt gut 30cm auf den erstbesten Wirt: den Ferienrückkehrer!

Krank macht nicht der Floh!

2. Lyme Disease: Altes (?) und Neues (!)
Die Diagnose ist eine klinische: Erythema migrans nach Zeckenstich.
Doch wie äussert sich ein Erythema migrans?
Im Lehrbuch klar: zentrale Rötung mit rotem Randsaum.
Eine Studie (118 Pat., bioptisch-kulturelle Sicherung der Diagnose) stellt die Lehrbuchbilder in Frage: die Mehrzahl der Patienten suchten durchschnittlich nach 4 Tagen den Arzt mit einem „atypischen“ Erythema migrans (Durchmesser durchschnittlich 10cm) auf:

  • 59% wiesen eine homogene Rötung auf,

  • bei 32% war diese zentral etwas betont,

  • die Minderheit wies ein lehrbuchmässiges Erythem auf.

Das Erythem tritt frühestens eine Woche nach dem Zeckenstich auf (Inkubationszeit). Es mus antibiotisch behandelt werden.

Schutz vor den Stichen kann durch Repellentien gewährleistet werden: dabei zeigte sich die Substanz DEET während 5 Stunden als besonders wirsam – bei anderen Präparaten darf die Wirksamkeit nach schulmedizinischen Gesichtspunkten angezweifelt werden.

Krank macht nicht die Zecke!

3. Bissverletzungen: von Hunden, Katzen – und Menschen
Risikopopulationen für eine Hundebissverletzung sind Kinder & Hundehalter (v.a. diejenigen, welche raufende Hunde trennen wollen).

Vorgehen nach Hundebissverletzung:

  • Reinigung

  • ev. Débridement

  • kein primärer Wundverschluss! (Ausnahmen: Gesichtsverletzungen, ev. Katzenbisse (Gelenkfern bei immunkompetenten Personen)

  • Ruhigstellung

  • Abschätzung des Infektrisikos: Mensch > Hund (c.a.50%) > Katze (c.a.25%);
    weiter abhängig von:
    – Wundtiefe
    – Gelenk- und Knochennähe (Handverletzungen = hohes Risiko)
    – Immunkompetenz des Patienten (z.B. DM etc.)

  • Tetanus-Rappel!

  • Tollwutimpfung bei Fledermausbissen (terrestrische Wildtiere in der Schweiz sind Tollwut-frei).

Antibiotikaprophylaxe nur bei erhöhtem Infektionsrisiko (Menschenbiss, Gelenknähe etc.).
Therapie: 1. Wahl: Amoxicillin/Clavulansäure (alternativ: Clindamycin + Chinolon).

Wenn sich ein Infekt entwickelt, handelt es sich um eine Mischinfektion mit durschnittlich 5 Keimen (Staph. aureus, Streptokokken, Anaerobier, Pasteurelle-Spez. (v.a. bei Katzen),Capnocytophaga canimorsus (CAVE: Sepsis bei splenektomierten Patienten), Eikenella corrodens (bei Menschenbissen). Bei Menschenbissen (z.B. Fausschlagverletzung) ist auch die Übertragung von HIV etc. möglich.

Hunde und Katzen machen nicht krank – Menschen…….?

4. Fälle, welche uns hoffentlich nie betreffen….

Fall 1: Veterinärmediziner, 26 J., an Dig. V Hand li kleine rötliche Papel, im Verlauf Grössenzunahme, nach einer Woche zentrale Nekrose und roter, ödematöser Randsaum….
Fall 2: Textilarbeiter, gleiche Symptomatik; während 2 Jahren 24 Personen im gleichen Betrieb betroffen, ein Todesfall….

Diagnose (bitte beachten Sie die entsprechenden Darstellungen in der Präsentation): Anthrax

Erreger: Bacillus anthracis, Sporenform kommt ubiquitär vor, und nur diese ist infektiös. Zoonose, kann von kontaminierten Tieren (oder Tierfellen > vgl. Fall 2!) auf den Menschen übertragen werden. Als Terrorwaffe gefürchtet.

Klinik: Haut-, Lungen- und auch (seltener) Darmmilzbrand; Symptomatik durch Exotoxinproduktion der vegetativen Form des Erregers verursacht, welche zu einer Vasokonstriktion führt und die Einwanderung von Granulozyten verhindert.

Therapie: Ciproxin.

Tiere machen nicht krank, jedoch Menschen….. !

Die vollständige Präsentation des Vortrags von Prof. Martin Krause (pdf-file) finden Sie hier.