9. Februar 2023

Befeuchten der Atemwege – eine wirksame Waffe zur Verhinderung und Milderung von Atemwegsinfekten?

Bereits in den 1990-er Jahren hat man bei Soldaten nachweisen können, dass die tägliche Nasenspülung mit Kochsalzlösung Infektionen verhindern kann (Diss-Pluemer). In der Gruppe mit Nasenspülung lag die Zahl von Infektionen 3.5-fach niedriger als bei der Vergleichsgruppe ohne Spülung. Die Begründung, dass die Erreger eben aus der Nase gespült worden sind, ist zu einfach. Weitere Faktoren, wie z.B. die Befeuchtung der Schleimhaut ist zu bedenken.

Schleimhaut unserer Atemwege
Die Schleimhaut in den Atemwegen von der Nase bis in die Bronchien ist bedeckt von Schleim bildenden Zellen und Zellen, die Zilien tragen. Die Zilien schwimmen in einem „wässrigen“ Schleim, dem oben ein „zäherer“ Schleim aufliegt. Die Zilien schlagen mit einer Frequenz von 1.00 bis 1.500 Schlägen pro Minute wie ein Kornfeld im Wind und transportieren Fremdkörper, die sich im Schleim gefangen haben, in Richtung Luftröhren- / Nasenöffnung hinaus. Die Effektivität dieses Selbstreinigungsmechanismus zeigt sich, wenn z.B. ein eingeatmetes Staubkorn innerhalb 45 Minuten aus den Bronchien entfernt wird, ohne dass wir davon etwas bemerken. Husten ist nicht nötig. Spontan und durch Räuspern fällt der Schleim in die Speiseröhre und wird hinuntergeschluckt.

Husten – klares Zeichen
Husten ist immer ein Zeichen dafür, dass dieser mukoziliäre Selbstreinigungsmechanismus nicht gut funktioniert oder überfordert ist, wie bei Infektion oder einem zu großen Fremdkörper. Das Nikotin im Zigarettenrauch lähmt die Zilienbewegung für Stunden. Der gesunde Mensch hustet in der Regel nicht!

„Schleim“-haut: immer feucht
Eine gut durchblutete Schleimhaut sorgt für ausreichend Feuchtigkeit, damit dieser Mechanismus gut funktioniert. Verschiedene Mechanismen wie z.B. Engstellung der Gefäße bei kalter Luft, allgemeine Austrocknung, mangelnde Flüssigkeitszufuhr, körperliche Betätigung, aber auch die verstärkte Austrocknung durch Einatmen trockener oder kalter Luft in den Wintermonaten führen zur relativen Austrocknung in den oberen Atemwegen bis in die Luftröhre, belasten das Selbstreinigungssystem und können damit das „Eindringen“ von Erregern begünstigen. Die Aufgabe der Nase mit ihrer Schleimhaut besteht im Anfeuchten, Anwärmen und Reinigen der Luft auf dem Weg in die Lunge. Das plötzliche Nasenbluten in kalter trockener Luft im Winter ist z.B. das Ergebnis, wenn die Nase überfordert ist, austrocknet und einreißt.
Der Schleim wird zähflüssiger, die Zilien bewegen sich schlechter und neigen zum Verkleben. Das erklärt zum Teil unsere relative Infektneigung im Winter. Auch die Infektneigung beim Privinismus – „suchtmässige“ Verwendung von Schleimhaut abschwellenden Nasensprays – findet hier die Erklärung.

Einfluss der Feuchtigkeit auf Infekthäufigkeit / -verlauf
Jeder Mensch atmet Aerosolpartikel – Größe im Nanobereich – aus. Diese werden überwiegend in den letzten Abschnitten der Bronchien gebildet. Beim Ausatmen kollabieren diese Bronchien und werden beim erneuten Einatmen wieder „aufgerissen“ (Bubbleburst oder „reopening of collapsed airways). Dabei entstehen die Aerosolpartikel. Aerosolpartikel entstehen auch beim Sprechen und Singen an Stimmbändern, Zunge, Zähnen und Lippen. Viren können nicht „nackt“ fliegen, sondern verwenden diese Aerosolpartikel sozusagen als „Raumschiff“, um von einem Opfer zu nächsten zu gelangen (Hausen, Scheuch SARS-CoV2 Verbreitung via Aerosol Der Allgemeinarzt 21/2022). Dazu ein paar Fakten:

  1. Die Zahl von abgeatmeten Aerosolpartikeln schwankte bei Gesunden zwischen der Nachweisbarkeit (1-2 / L) und 1.000 Partikel pro Liter. Es konnte kein Unterschied zwischen Frauen und Männern und Rauchern und Nichtrauchern. Die Zahl nahm aber mit dem Alter und Körpergewicht (BMI) signifikant zu.
  2. Bei Patienten mit einem milden Verlauf von Covid-19 lag die Zahl abgeatmeter Aerosolpartikel deutlich höher (im Mittel 6,300 +/- 1,792 Partikel pro Liter) im Vergleich zu Nicht-Infizierten (im Mittel 214 +/- 31.3 Partikel pro Liter). Unterschiede zwischen Frauen und Männern oder bei Patienten mit und ohne erhöhtem CRP gab es nicht. G.Scheuch nutzte diesen Unterschied schon früh in der Pandemie, um potenziell Infizierte leicht und schnell zu identifizieren und die Indikation für einen Test gezielter zu stellen.
  3. Bei sportlich Aktiven stieg die Zahl der ausgeatmeten Aerosolpartikel deutlich an – jeder Sportler kennt die ausgeatmete „Nebelwolke“ in kalter Luft. Im weiteren Verlauf stieg die Zahl der Aerosolpartikel weiter an. Die gemessene Sauerstoffsättigung sank bei allen Probanden. Nach Beginn einer Befeuchtung der oberen Atemwege mit NaCl blieb der Anstieg der Aerosolpartikel bei diesen Probanden aus und die Sauerstoffsättigung stieg sogar an.
  4. Bei 40 Patienten mit Covid-19 mit mäßigem Verlauf mit und ohne Befeuchtung der oberen Atemwege besserten sich die Symptome mit Befeuchtung schneller, es wurden weniger Aerosol abgeatmet, stieg die Sauerstoffsättigung deutlich an und wurde seltener eine Therapie mit einem Antibiotikum nötig.

Mit aller Vorsicht der Interpretation darf festgestellt werden, dass die Befeuchtung der oberen Atemwege mit NaCl einer Austrocknung der Atemwege entgegenwirkt, damit den Selbstreinigungsmechanismus bei der Elimination von Schadstoffen inklusive Viren wie SARS-CoV2 unterstützt, damit Infektion zu verhindern hilft und bei einer Infektion die Symptome schneller lindert, die Sauerstoffsättigung bessert, damit eventuell eine Sauerstofftherapie erübrigt und das Risiko für eine bakterielle Superinfektion mit der Notwendigkeit einer Antibiotikatherapie reduziert. Eine Befeuchtung der unteren Atemwege dürfte auch hilfreich sein (George et al.).

Inhalieren ja, aber wie?
Es scheint demnach Sinn zu machen, die Atemwege zu befeuchten. Die Befeuchtung der oberen Atemwege ist einfach. Hier helfen sicher schon Nasenspülung oder auch Nasensprays mit Kochsalz (NaCl). Besser ist sicher aber eine gezielte Inhalation für die Gesamtheit der Atemwege. Dabei ist vor allem für die unteren Atemweg eine Hürde zu überwinden.
Die Aufgabe des Respirationstraktes besteht darin, den Gasaustausch zu gewährleisten. Gleichzeitig sollen aber die Inhalation und Ablagerung (Deposition) von in der Luft befindlicher „Schadstoffe“ klein gehalten werden. Das verwehren der Filter der Nase, aber auch die starke Krümmung des Rachens und die im lichten Durchmesser abnehmenden Bronchien und deren Verzweigungen und der geschilderte mukoziliäre Selbstreinigungsmechanismus. Ergänzt wird diese „Abwehr“ durch den Husten und die Fresszellen in den Lungenbläschen.
Wie viele und wie große Partikel wie tief in die Lunge gelangen können, ist individuell unterschiedlich und hängt von der Lungenfunktion, Atemtiefe, Geschwindigkeit beim Einatmen, Atemfrequenz, Luftfeuchtigkeit, Mund- oder Nasenatmung und vor allem von der Größe der Partikel ab.
Die Teilchengröße und insbesondere das Atemmanöver bestimmt die erreichbare Tiefe. Je größer die Teilchen, desto mehr verlagert sich die Deposition in den Beginn der Atemwege (Abbildung). Und je langsamer die Inhalation erfolgt, umso tiefer gelangen die Partikel in die Lunge.


Es ist gut verständlich, dass grobe Partikel in der Einatemluft den Richtungsänderungen zur Überwindung der zahlreichen Kurven vom Eingang von Nase oder Mund schlecht folgen können, ganz besonders, wenn auch noch schnell inhaliert wird, schnell „aus der Kurve fliegen“ und im Schleim kleben bleiben. Teilchen, die größer als etwa 2 -4 μm sind, werden bei Nasenatmung fast ausschließlich in der Nase zurückgehalten. Teilchen mit einer Größe über 10 μm werden bei Mundatmung bereits im Mund-Rachenbereich abgeschieden und gelangen nicht ins Bronchialsystem. Nur Partikel mit einer Größe zwischen 0,1 – 5 μm können den Richtungsänderungen folgen und gelangen tiefer in die Atemwege. Der Anteil von Teilchen dieser Größe bestimmt somit den Anteil des Inhalates, der wirksam werden kann.
Das kennt jeder, der einen Keller oder Speicher aufgeräumt hat. Das Nasensekret ist total verdreckt, während hochgehustetes Bronchialsekret nahezu frei von Staub ist.

Wie am besten inhalieren?
Wer es mit dem „berühmten“ Kochtopf mit heißem Wasser und darin gelöstem Kochsalz versucht, ist auf dem Holzweg. Wie zur Gewinnung von Kochsalz mittels Sonne am Meer, verdampft hier das Wasser und das Kochsalz bleibt im Kochtopf zurück. Der Mensch inhaliert destilliertes Wasser, das die Schleimhaut nur reizt.
Wer Kochsalz inhalieren möchte, muss demnach ein Gerät verwenden, das in der Lage ist, einen Kochsalz- oder Medikamentennebel zu erzeugen. Dazu sind nur so genannte Vernebler, Düsen- oder Ultraschallvernebler in der Lage. Dabei bestimmt die Art der Inhalation und die Größe der gebildeten Partikel die Region, die erreicht werden kann.
Mit Maske und größeren Partikel können die oberen Atemwege (Nase. Nasennebenhöhlen und Rachen) erreicht werden. Sollen die unteren Atemwege erreicht werden, müssen die Partikel überwiegend zwischen 1-5 µm klein sein und am besten über Mundstück inhaliert werden.
Es ist immer ratsam, so langsam wie möglich einzuatmen und dann möglichst durch die Nase auszuatmen. Damit erreicht man den besten Effekt im ganzen Respirationstrakt.

 

Wir bedanken uns bei unserem Gastautor, Dr. Thomas Hausen für diesen praxisrelevanten Beitrag. P. Vernazza

 

Inhale by Hey Paul Studios

Abbildung Teilchengrösse: mit freundlicher Genehmigung von Universimed