23. Februar 2021

Covid-Impfung: Wie wichtig ist der Abstand?

Aufgrund der Lieferengpässe der COVID-19 Impfstoffe, waren wir gezwungen die Impfintervalle zwischen den beiden Dosen zu verlängern. Dies hat zu Verunsicherungen geführt. Geimpfte Personen, welche die erste Dosis erhalten hatten, bestanden auf eine Impfung der zweiten Dosis innerhalb von 4 Wochen, wie es in den Studien für die Impfstoffe durchgeführt worden war. Wie wichtig ist dieser Abstand?
Hierzu müssen wir die Antwort des Immunsystems auf die Impfung genauer unter die Lupe nehmen.

Impfungen  induzieren Antikörperantwort und brauchen hierzu die Hilfe von T-Zellen (Pollard and Bijker Nature Reviews 2021, Clem, J Glob Infect Dis 2011 :
Das menschliche Immunsystem kann in zwei Hauptsysteme aufgeteilt werden. Die angeborene (sog „innate“) Immunität, und die “adaptive“ Immunität. Diese beiden Systeme arbeiten kontinuierlich miteinander und sorgen für eine effektive Immunantwort. Die Antwort der adaptiven Immunität, welche durch T-Zellen (zelluläre Immunität) und durch B-Zellen (humorale Immunität) hervorgerufen wird, braucht länger als die  angeborenen Immunität. Dafür entsteht bei der adaptiven Immunität ein Gedächtnis. Dieses bewirkt bei einem erneuten Kontakt mit demselben Erreger eine raschere Immunantwort.

Die meisten Impfungen gewähren Schutz durch den Aufbau einer Antikörperantwort. Sogenannte Dendritische Zellen nehmen das fremde Eiweiss (Antigen) auf und präsentieren es in den Lymphknoten den T-Zellen (sog. CD4+ und CD8+ T-Zellen). Die CD8+ Zellen sind essentiell für die zelluläre Immunität und helfen Erreger zu kontrollieren. Helfer- oder CD4+ Zellen regen durch Freisetzung verschiedener Botenstoffe B-Zellen zur Bildung von Antikörpern an. Es entsteht dabei eine Grosse Zahl von B-Zellen, welche gegen ein bestimmtes Antigen gerichtet sind. Diese Zellen reifen entweder zu Plasmazellen aus und produzieren Antikörper, oder sie bleiben als Gedächtniszellen bestehen um bei erneuter Exposition eine raschere Immunantwort einzuleiten. Die Plasmazellen wiederum sind entweder kurzlebig und produzieren Antikörper in den ersten 2 Wochen nach der Impfung, oder „verstecken“ sich im Verlauf als langlebige Plasmazellen. Diese behalten über Jahrzehnte die Fähigkeit, Antikörper zu bilden.

Der Erstkontakt braucht Zeit
Diese Immunentwicklung passiert während dem ersten Kontakt des Immunsystems mit einem spezifischen Antigen (somit bei der ersten Impfung). Dieser Prozess braucht mehrere Tage und führt primär zur Produktion von IgM, welches den ersten (früh) Antikörper einer primären Immunantwort darstellt. Im Verlauf der Immunreaktion produzieren die aktivierten Plasmazellen sogenannte IgG-Antikörper. Obschon IgM ein deutlich grösseres Antikörpermolekül ist und früh produziert wird, stellt das IgG einen effektiveren Antikörper in der Bekämpfung von Erregern dar. Die IgG können einen Erreger auch neutralisieren. Auch andere Antikörper (z.B. IgA, IgD und IgE) werden durch Plasmazellen produziert, aber die IgG bleiben die wichtigsten Antikörper für eine Impfantwort.
Die Aktivierung der B-Zellen durch die CD4+ T-Zellen resultiert somit in einer gezielten Immunantwort und dem Aufbau eines robusten immunologischen Gedächtnises. Durch die Bildung des immunologischen Gedächtnisses, reagiert das Immunsystem bei einem zweitkontakt mit dem Erreger schneller, heftiger und öfter mit neutralisierenden IgG-Antikörpern. Die Bildung dieses effektiven Langzeitgedächtnisses ist das Ziel der Immunisation durch eine Impfung.

Welche Rolle spielt das Impfintervall in der Immunantwort?
Kurze Abstände zwischen Impfdosen (1-2 Wochen) können dann erfolgen, wenn eine rasche Schutzwirkung, z.B. vor einer Reise, gewünscht wird. Diese kurze Abfolge der Impfabstände hingegen, bewirkt weniger lang anhaltende Immunantworten als wenn die gleiche Anzahl von Impfstoffdosen in längeren Intervallen (z.B. 1–3 Monate) verabreicht wird. Allgemein ist bekannt, dass die zweite Impfung vor allem die Langzeitwirkung verbessert und dass die Wirkung eher optimiert wird, wenn der Abstand von der ersten zur zweiten Impfung eher grösser gewählt wird (Diskutiert in WHO, C.A. Siegrist).

Das Impfintervall der COVID-Impfungen
Die ersten Covid-19 Impfstudien wurden – die Zeit drängte – mit kurzen Intervallen von 3-4 Wochen geplant. Übereinstimmend mit der Erfahrung bei anderen Impfungen konnte in einer kürzlich erschienen Studie (Voysey et al, Lancet 19.02.21)  gezeigt werden, dass die Impfantwort robuster war, wenn zwischen den jeweiligen Impfdosen ein längeres Intervall gewählt wurde. Dabei analysierten die Autoren die Resultate von drei randomisierten Studien in UK, Brasilien und Südafrika an über  >17‘000 Studienteilnehmern.
Die Gesamt-Schutzwirkung der Impfung zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis betrug rund 67%. Doch die Schutzwirkung war mit 81% deutlich höher bei denjenigen Geimpften, bei welchen die zweite Dosis 12 oder mehr Wochen verzögert erfolgte als bei den Impflingen, bei welchen die zweite Impfung im Abstand von weniger als 6 Wochen erfolgte (55%).
Die Studie zeigte auch, dass ein angemessenes Schutzniveau vor einer symptomatischen Infektionen durch eine einzige Impfdosis erreicht wird und dass diese Schutzwirkung problemlos mehrere Wochen dauern kann (Schutzwirkung von 76% für bis zu 90 Tage), wobei diese Aussage auf einer kleinen Probandenzahl basiert.

Und was ist mit den mRNA-Impfungen?
Die erwähnte Studie wurde mit dem sogenannten Vektor-Impfstoff von Astra Zeneca durchgeführt. Hier wird das Fremdeiweis durch ein Virus in den Körper gebracht. Derzeit sind bei uns nur zwei mRNA-Impfstoffe (Moderna und Pfizer-BioNTech) im Einsatz. Es wird ein Abstand von 4, ja maximal 6 Wochen empfohlen. Beim Pfizer Impfstoff wissen wir aber auch, dass die Impfwirkung bereits nach 1-2 Wochen einsetzt (Wirksamkeit ca 52%) um dann rasch anzusteigen. Nach drei Wochen ist bereits eine Wirksamkeit von 89% erreicht.

Basierend auf unveröffentlichten Daten, die dem „National Advisory Committee on Immunization Health Canada“ für die Pfizer-BioNTech- und Moderna-Impfstoffe zur Verfügung standen, gab es keinen Unterschied in der Wirksamkeit des Impfstoffs zwischen den Menschen, die ihre zweite Dosis am Tag 19 erhielten, und den Menschen, die sie am Tag 42 erhielten. Wichtig ist, dass die Schutzwirkung zwischen der ersten und der zweiten Dosis nicht sank. Diese unpublizierten Daten über die Impfintervalle, sowie auch die Daten von Astra Zeneca sind Gründe, weswegen mehrere Konsensgruppen für ein längeres Dosierungsintervall von bis zu 42 Tagen (6 Wochen) plädiert haben. Eine ausführliche Analyse der vorhandenen Evidenz wird im BC Medical Journal (04.03.21) diskutiert.

So schrieb die British Society of Immunology: “Most immunologists would agree that delaying a second ‘booster’ dose of a protein antigen vaccine (such as the two approved COVID-19 vaccines [Pfizer-BioNTech and Oxford-AstraZeneca]) by eight weeks would be unlikely to have a negative effect on the overall immune response post-boost. We also would not expect any specific safety issues to arise for the individual due to delaying the second dose, other than an increased potential risk of disease during the extended period due to lowered protection.”

Basierend auf den Empfehlungen der genannten Experten und im Rahmen eines pragmatischen Vorgehens aufgrund Impfstoffknappheit,  empfehlen die Engländer nun eine Verlängerung des Impfabstandes auf bis zu 12 Wochen (Brit Soc Immunology, 04.01.21). Wichtig aber bleibt, dass die zweite Impfung nicht vergessen geht. Mit dieser Policy können rascher sehr viel mehr Personen von einem wirksamen Impfschutz profitieren.

Wir sehen keinen Grund, weshalb für die Schweiz nicht auch ein derart effizienteres Impfregime empfohlen werden sollte.

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