Immunschwäche und Schwangerschaft – kein Covid-19 Risikofaktor
Das neue Coronavirus verbreitete sich im Moment sehr rasch in der Schweiz wie in allen Ländern. Es ist gut möglich, dass in wenigen Wochen 20% oder mehr der Bevölkerung angesteckt sein werden. Bei der allergrössten Mehrheit der Infektionen verursacht diese Infektion praktisch keine oder nur milde Symptome (s.Bericht). Sie entwickeln nach abklingen der milden Symptome oder sogar ohne eine Symptomatik eine Immunantwort, welche sie vor einer weiteren Ansteckung weitgehend schützt.
Besonders gefährdete Personen
Seit wir den Ausbruch der Coronaerkrankung in China und die weitere Verbreitung global beobachten fällt uns auf, dass diese Infektionskrankheit eine spezielle Personengruppe besonders trifft: Personen mit Bluthochdruck. Es wird postuliert, dass dieses erhöhte Risiko damit zu tun haben könnte, dass sich das SARS-2-Coronavirus über einen Rezeptor in die menschliche Zelle einnistet, der auch bei der Blutdruckregulation eine wichtige Rolle spielt, dem ACE-Rezeptor (wir haben darüber berichtet). Seit den ersten Fallberichten war klar, dass Personen mit hohem Blutdruck ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schwereren Verlauf einer Erkrankung aufweisen. Da die Blutdruckregulation nicht nur bei isoliertem Bluthhochdruck, sondern insbesondere auch bei Diabetes und bei weiteren Herzkrankheiten mit beeinträchtigt wird, überrascht es auch nicht dass bei diesen Personengruppen ebenfalls ein höheres Risiko für eine schwerere Verlausform der Erkrankung bebobachtet wird.
Schwangere und Immungeschwächte nicht gefährdet
Weiter fällt dann auch auf, dass eine wichtige Personengruppe, die oft bei Infektionskrankheiten besonders gefährdet ist, bei schwere Verlaufsformen der Covid-19 Erkrankungen nicht auftaucht: Es sind dies Patienten mit geschwächtem Immunsytem, insbesondere auch Personen welche mit Immunsuppressiva behandelt werden. Und interessanterweise sehen wir auch keine Häufungen von erschwertem Verlauf bei schwangeren Frauen, deren Immunsystem durch einen natürlichen Prozess zum Schutze des Kindes gedämpft wird. Wenn schwere Verlaufsformen mit Covid-19 bei jungen Menschen auftreten, so sind diese Verläufe durch ein besonders aktives, überschiessendes Immunsystem charakterisiert (sog. Zytokin-Sturm) und treten gerade nicht bei Immunschwächung auf.
Italienische Erfahrung bestätigt unsere Beobachtung
Lorenzo D’Antiga vom Transplantationszentrum in Bergamo, dem Epizentrum der Covid-19 Erkrankung in Italien, bestätigt nun im Journal Liver Transplantation die bisherigen Beobachtungen. Immungeschwächte Personen, Krebskranke, Transplantierte aber auch Personen mit anderen Ursachen einer Immunschwäche, welche sonst bekannterweise bei gewissen Infektionskrankheiten als besonders gefährdet gelten, sind bei der Covid-19 Infektion nicht besonders gefährdet. Über 200 Patienten mit Organtransplantationen waren nicht besonders gefährdet. Auch bei Kindern mit Immunschwächezuständen fand sich kein schwerer Verlauf. Diese grosse Erfahrung deckt sich mit den Beobachtungen aus China.
Und Schwangere?
Die Italienische Klinik hat nun nicht die Evidenz für die schwangeren Frauen untersucht. Wenn wir jetzt im Titel schreiben, dass das auch für Schwangere gelte, so doch nur in dem Sinne: Bisher hat man in keiner anderen Untersuchungen einen Hinweis gefunden, dass eine Schwangerschaft ein relevant erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung mit Covid-19 zeigt. Bevor man also Schwangere Frauen verunsichern soll, sollte man nach all dem, was man weiss, das sagen, was man weiss: Es gibt keine Hinweise, dass eine Schwangere besonders gefährdet wäre. Und die Tatsache, dass dasselbe nun auch für Immunsupprimierte sehr deutlich wird, unterstützt auch die Aussage zu Gunsten der Schwangeren.
Evidenz mit Konsequenz – auch Bundesrecht muss angepasst werden
Diese Evidenz ist für viele betroffene Personen eine grosse Erleichterung. Wir müssen uns auch kritisch selbst an der Nase nehmen. Oft sind wir bei medizinischen Entscheidungen etwas vorschnell. Der Reflex – Infektion: Immunsupprimierte gefährdet – ist verständlich, weil es sehr oft zutrifft. Doch in diesem Fall ist es wichtig, dass wir den vielen Personen mit geschwächtem Immunsytem rasch mitteilen, dass sie aufgrund dieser Erkrankung nicht besonders gefährdet sind.
Ja, und auch der Bund muss dringend seine Vorschriften korrigieren: Der Bundesrat hat im Artikel 5 seiner Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfunig des Coronavirus (Covid-19) die Personengruppen identifiziert, welche gegenüber dem neuen Coronavirus besonders gefährdet sind: Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, Krebs. Diese Fesstellung ist nach allem was wir nun wissen falsch. Sie muss korrigiert werden, denn die Verordnung hat weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Personen, insbesondere auch in deren Arbeitsumfeld.
Wir fordern die Behörden auf, mindestens diese auf solider Evidenz beruhende Korrektur umgehend vorzunehmen und die Bevölkerung auch entsprechend zu informieren.