9. April 2016

Tuberkulose und Migration

Die vermehrte Migration in den letzten Jahren führte zu einem Anstieg von Erkrankungen, welche in der Schweiz selten sind oder deren Inzidenz über die letzten Jahrzehnte abgenommen hat. Ein Beispiel für Letzteres ist die Tuberkulose. Eine eigenes Symposium (Sy 023) widmete sich diesem wichtigen Thema.

Die aktuellen Migrationsströme verändern die Tbc-Prävalenz in Europa
Christoph Lange, S100: In Deutschland stieg die Tbc-Inzidenz in den letzten Jahren mit einem deutlichen Anstieg im letzten Jahr, was auf die Migrationsströme aus Ländern mit einer höheren TB-Prävalenz zurückgeführt wird. Wobei zurzeit die häufigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland Syrien gefolgt von Serbien und Eritrea sind, während Afghanistan und Pakistan die mit Abstand höchsten Tbc-Prävalenz unter den Herkunfsländern der Migranten aufweisen, gefolgt von Eritrea, wo die Prävalenz aber bereits deutlich tiefer ist. Entgegen der Prävalenz in den Herkunfsländern wird in Deutschland am häufigsten bei Syrern, gefolgt von Serbiern und schliesslich Eritreaern die Diagnose einer Tbc gestellt, was vermutlich auf die entsprechend Zahl an Migranten zurückzuführen. Bei Personen aus den beiden letzteren Ländern ist die Inzidenz in Deutschland deutlich erhöht im Vergleich zu Personen, die im Heimatland leben. Dies spricht unter anderem für eine Übertragung während der Flucht, was auf die oft engen Platzverhältnisse und ungenügende hygienische Versorgung zurückzuführen ist.

MDR-Tbc als Herausforderung
Eine weitere Schwierigkeit stellen MDR-Tbc-Fälle dar, wobei Migranten aus Weissrussland die Statistik anführen und hier nicht nur bei bereits behandelten, sondern auch bei Erstdiagnose einer Tbc gehäuft eine MDR-Tbc vorliegt. Weitere Herkunftsländer mit einer hohen Inzidenz an MDR-Tbc (wobei hier in erster Linie bei bereits vorbehandelten Patienten) sind Estland, Moldawien, Russland, Ukraine und Somalien, d.h. es sind nicht in erster Linie Personen, die über die aktuellen Reiseroute migrieren, mit Ausnahme der Somalier.

Kein einheitliches (Tbc-)Screening in Europa
In Europa bestehen unterschiedliche Meinungen unter Experten, ob, wie und zu welchem Zeitpunkt Migranten auf Tbc wie auch andere Erkrankungen gescreent werden sollen. Es gibt kein standardisiertes Vorgehen; über die Hälfte der EU-Länder haben aber Screening-Programme. Angesichts der vielen wartenden Migranten in Griechenland der Türkei stellt sich die Frage nach einem Screeningprogramm in ebendiesen Ländern, wobei Griechenland dabei ist, ein entsprechendes Programm aufzuziehen, während in der Türkei der Zugang zu medizinischen Leistungen nur in Notfällen möglich ist. Auch in vielen anderen Ländern gestaltet sich der Zugang medizinischen Einrichtungen schwierig und ist für diee Betroffenen oft mit Kosten und Ängsten (z.B. vor einer Festnahme oder Ausweisung) verbunden.
Zusammenfassend ist eine Evaluation von (Europaweiten) Screeningmodellen verbunden mit der entsprechenden Behandlungsmöglichkeit angesichts der aktuellen Situation sicherlich sinnvoll.

Text von Susy Ann Dietler