Management der chronischen Hepatitis B: Ein Update

Franco Negro, Hepatologe aus Genf, fasst die wichtigsten Erkenntnisse für das Gebiet der Heptatitis B zusammen. Eine lesenswerte Übersicht.

Das Ziel der Hepatitis-B Therapie
Die chronische Hepatitis B ist eine komplexe Infektion mit verschiedenen Phasen (Immuntoleranz, Immunaktivierung/-eliminierung, Inaktives Trägertum, HBe-negative Hepatitis), die aus dem Zusammenspiel zwischen Virus und Wirt resultieren. Das Therapieziel der chronischen Hepatitis B ist die dauerhafte Suppression der HBV-Replikation, um eine Progression der Hepatopathie zur Leberzirrhose und hepatozellulären Karzinom zu verhindern.

Wie erkennen wir, dass das Ziel erreicht ist
Idealerweise sollte die Therapie zum Verschwinden des HBs-Ag führen, einhergehend mit einer Serokonversion zu anti-HBs. Dies tritt allerdings selten ein (s.u.). Deshalb wird alternativ, weil mit einer besseren Prognose assoziiert, als Surrogat-Endpunkt die Serokonversion zu anti-HBe bei HBe-Ag-Positiven angestrebt. Bei Patienten, bei denen dies nicht gelingt oder welche von Anfang an anti-HBe positiv sind ist das Ziel die kontinuierliche Suppression der HBV-DNA unter die Detektionslimite von PCR-Assays (10-15IU/ml).

Korrekte Diagnostik zentral
Die korrekte Diagnose und Indikationsstellung zur Therapie ist daher wichtig, weil nicht jede chronische Hepatitis B Infektion zu einem chronisch progredienten Leberschaden führt. Die meisten HBs-Ag positiven Personen sind Träger eines inaktiven HBV-Virus und brauchen oft nur regelmässige Verlaufskontrollen. Die Behandlungskriterien gemäss den EASL clinical practice guidelines 2009 beinhalten eine HBV-DNA >2000 U/ml und/oder eine erhöhte Serum-ALT und eine histologische nachgewiesene Aktivität mit einem erhöhten Entzündungs- oder Fibrosescore z.B. nach Metavir ≥A2/3 und/oder ≥F2/4.

Leberzirrhose: Behandlungsindikation
Patienten mit Leberzirrhose sollten unabhängig vom HBV-DNA-Niveau behandelt werden. Mit einer Therapie kann abgewartet werden in der HBe-Ag positiven immuntoleranten Phase mit hoher Viruslast und normalen Transamaninasen oder bei einer milden chronischen Hepatitis B. 7 Medikamente stehen zur Behandlung der chronischen Hepatitis B zur Verfügung. Pegyliertes Interferon α2a (IFN α2a) und 6 Nukleos(t)id-Analoga.

 

Aktive Substanz Handelsname Indikationen (CH) Resistenz-Risiko
Peg-Interferon Alfa-2a Pegasys Alle Stadien Keine Risiko
Lamivudin Zeffix Therapie-naive Hohes Risiko
Telbivudin Sebivo Therapie-naive intermediär
Adefovir Hepsera Therapieresistenz intermediär
Entecavir Baraclude Therapie-naive sehr gering
Tenofovir Viread Therapie-naive sehr gering

 

 

 

 

 

 

Wann Interferon ?
PegIFN α2a sollte limitiert werden auf HBe-Ag-Positive, die eine grössere Wahrscheinlichkeit haben, zu anti-HBe zu konvertieren. Die HBe-Ag-Serokonversionsrate nach einem Jahr Behandlung betrtägt >30% und steigt in den 6 Monaten danach weiter an. Der Serokonverstionsstatus bleibt langfristig stabil in 70-87% der Patienten, die ihn bei Therapieende erreicht haben. Zu einer HBs-Ag-Serokonversion kommt es langfristig nur in bis zu 11% der Patienten.

Gewisse Nukleos(t)de wie z.B. Tenofovir erreichen ähnliche Resultate. IFN α2a ist mit signifikanten Nebenwirkungen behaftet. Es wird deshalb nach Möglichkeiten gesucht, die Interferonexposition zu limitieren, ähnlich der gezielten Hepatitis C-Behandlung. Eine zuverlässige Aussage über den voraussichtlichen Erfolg einer IFN α2a-Therapie kann mit Hilfe der HBV-DNA-Kinetik gemacht werden, allerdings erst nach 24 Wochen, mit einem negativen prädiktiven Wert von 86%.

Da das HBs-Ag im Serum gut mit der intrahepatischen cccDNA korreliert (covalently closed circular DNA, das tanskriptionell aktive Chromosom, das im Nukleus der infizierten Hepatozyten persistiert und abnimmt unter Therapie) haben verschiedene Studien den prädiktiven Wert von quantitativen HBs-Ag-Messungen im Serum während der Therapie evaluiert. Da der prädiktive Wert des HBs-Ag-Abfalls nicht für alle HBV-Genotypen gleichermassen zutrifft und klare cut-off Werte fehlen, rät der Autor dazu, grössere Studien zum besseren Management mithilfe der quantitativen HBs-Ag Messung abzuwarten.

Orale Therapie einfacher
Mit den Nukleos(t)id-Analoga stehen gut verträgliche Medikamente zur Verfügung. Die Behandlungsdauer bleibt aber unbestimmt und ist grundsätzlich lebenslang. Die HBe-Ag-Serokonversionsrate ist proportional zur Behandlungsdauer, wobei je nach Studie anhaltende Resultate von 20-80% erreicht werden. Unter Tenofovir wird ein HBs-Ag-Verlust von 8% nach 3 Jahren, von 11% nach 4 Jahren, unter Entecavir von 5% nach 2 Jahren Behandlung beobachtet. Somit bleibt als einzig realistischer Endpunkt eine dauerhafte HBV-DNA-Suppression unter dauerhafter Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga bei den meisten Patienten. Die bevorzugten oralen antiviralen Substanzen sind Entecavir und Tenofovir, da das Risiko einer Resistenzentwicklung im Gegensatz zu den anderen Nukleos(t)iden kleiner ist (unter Entecavir 1,2% nach 5 Jahren, unter Tenofovir keine nach 4 Jahren).

Quelle: Negro, Oktober 2011, Swiss Medical Weekly