Chronische Hepatitis B: HBsAg-Quantifizierung neu entdeckt

Eine EASL-Expertengruppe beleuchtet mit ihrem Review den aktuellen Stellenwert des quantitativen HBsAg-Messung

Die HBsAg-Bestimmung (qualitativ) hat seit vielen Jahren einen festen Stellenwert in der Diagnostik der Hepatitis B. Bereits vor 35 Jahren beschrieben Gerlich und Thomssen eine Methode zur Quantifizierung des HBsAg. Das Interesse an der quantitativen HBsAg-Messung startete aber erst mit der Beobachtung, dass die HBsAg-Konzentration im Serum mit der Zahl und expressionsaktivität der intrahepatischen covalently closed circular (ccc) DNA in den Hepatozyten korreliert.

Die cccDNA ist das tanskriptionell aktive Pseudochromosom, das im Nukleus der infizierten Hepatozyten persistiert  und damit das intrahepatische Resevervoir für HBV darstellt. Die Herausforderung für jegliche Hepatitis B-Therapie stellt die Clearence der Leber von der cccDNA dar. Die HBsAg-Quantifizierung stellt somit einen interessanten Marker dar, weil sie im Gegensatz zur Leberbiopsie nicht invasiv ist. Zudem wird die quantitative Bestimmung der cccDNA im Leberbiopsat nur in spezialisierten Forschungslaboratorien durchgeführt. Die Bestimmung der HBsAg Konzentration ist neuerdings standardisiert und automatisiert und damit grundsätzlich in der Routinediagnostik möglich.

HBsAg-quantitativ und die Stadien der chronischen Hepatits B (CHB)

HBeAg-positive CHB

Im Stadium der Immuntoleranz sind die HBsAg Konzentrationen höher als im Stadium der Immunclearence. Ein sehr hoher HBsAg-Level um die 100’000 IU/ml würde in unklaren Situationen bei der Unterscheidung zwischen diesen beiden Phasen für das Stadium der Immuntoleranz sprechen.

HBeAg-negative CHB

Ein HBsAg <1000 IU/ml spricht für das Stadium eines „inaktiven Trägers“ beim HBV-Genotyp D.

HBsAg-Quantifizierung als Therapie-Monitoring

Therapie mit (Peg-)Interferon

Der HBsAg-Abfall während der INF-alfa-Therapie sagt das dauerhafte Ansprechen besser voraus als der HBV-DNA-Verlauf.

HBeAg-positive CHB

Bei einigen Patienten kommt es noch Jahre nach einer 48-wöchigen Therapie zu einem Verschwinden des HBsAg. Dieser Therapieerfolg kündigt sich schon während der Therapie durch sinkende HBsAg-Konzentrationen an. Ein fehlender Abfall des HBsAg bei Therapiewoche 12 (und 24) kann non-responder auf (Peg-)Interferon voraussagen. Da leider weniger als 30% ein anhaltendes Therapieansprechen (SVR) nach 48-wöchiger Therapie aufweisen, ist ein frühes Erkennen des späteren Erfolgs bzw. Misserfolgs der Interferontherpie ein grosser Fortschritt. Allerdings braucht es für diese Stopp-Regel und zu Festlegung eines optimalen cut-off Wertes weitere, prospektive Studien.

HBeAg-negative CHB

Auch hier gibt es Daten, dass die Kombination von HBV-DNA-Abfall und HBsAg-abfall bei Woche 12 als Stopp-Regel verwendet werden könnte. Allerdings ist die Ansprechrate auf PegINF bei der eAg-negativen CHB insgesamt sehr schlecht, sodass man selbst mit dieser Stopp-Regel nur in Ausnahmefällen mit PegINF behandeln wird. Vor allem braucht es aber grössere Studien und die Validierung bei verschiedenen HBV-Genotypen.

Therapie mit Nucloeos(t)id Analoga

Insgesamt ist der HBsAg-Abfall sehr langsam. Bei Genotyp B und C scheint bei einem HBsAG level von <100 IU das Risiko eines Relapses gering zu sein, sodass man die Behandlung unterbrechen könnte. Die Evidenz für dieses Vorgehen ist allerdings sehr limitiert und auch hier braucht es weitere Studien.

 

Zusammenfassend ist die HBsAg-Quantifizierung eine vielversprechende Methode, die die individuelle Anpassung der HBV-Therapie und insbesondere für die Festlegung der optimalen Behandlungsdauer wichtig werden könnte. Vorerst wird es aber sicherlich noch eine Reihe guter klinischer Studien benötigen, bis dieser alte und nun wieder neue Parameter Einzug in die klinische Routine findet.

Chan et al., Journal of Hepatology 2011