Erster Europäischer „Grippe-Gipfel“, 26.05.2011, BE-Brüssel

Am 26. Mai 2011 fand der 1. Europäische „Grippe-Gipfel“ in Brüssel statt. Organisiert wurde er von der „European Scientific Working group on Influenza – ESWI“

Gemeinsam gegen die Grippe
Die ESWI setzt sich aus Wissenschaftlern und Interessensvertreter zusammen, die das erklärte Ziel verfolgen, Grippefälle in Europa zu reduzieren um damit die öffentliche Gesundheit zu verbessern. Dabei orientiert sie sich an der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die eine jährliche Durchimpfungsrate von 75% aller Risikopersonen anstrebt. Gemäss ESWI fordert die Grippe in Europa mehr Opfer als Verkehrsunfälle. Besonders betroffen sind ältere Menschen und PatientInnen mit chronischen Krankheiten, wie z.B. Asthma, COPD, Diabetes und Herzerkrankungen.
 
Grippe vermeidbar
Dabei ist die Grippe eine vermeidbare Krankheit. Dafür muss der Schutz, speziell bei diesen Risikogruppen verbessert werden, was durch Impfung erreicht wird. Um die allgemeine Impfrate zu erhöhen, sind in verschiedenen, europäischen Ländern von Gesundheitspersonal und Patientenorganisationen unterschiedliche, erfolgreiche Projekte lanciert worden, bei denen das Patientenbewusstsein gesteigert und den Schutz gegen Grippe verbessert werden sollen. Der erste europäische „Grippe-Gipfel“ hatte zum Ziel, verschiedene Initiativen zusammen zu bringen und eine informelle Diskussionsplattform zu bieten, um sich über gute klinische Praxiserfahrungen und konkrete Aktionen auszutauschen.
 
Breit zusammengesetztes Teilnehmerfeld
Es nahmen über 70 Personen aus den Gesundheitsbereichen, Senioren- und Patientenorganisationen,  Gesundheitsbehörden, der Pharmazie und auch wissenschaftliche JournalistInnen teil. 11 Vorträge wurden von Fachleuten aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA gehalten. Die vorgestellten Strategien und Projekte spiegelten deutlich die politischen und kulturellen Unterschiede der jeweiligen Länder wider.
Im Folgenden ein paar kurze Ausführungen zu ausgewählten Vorträgen.
 
Hohe Impfraten in Praxen und Apotheken
Dr. med. Ted van Essen (NL) zeigte auf, dass sich mit der Holländischen Strategie, Grippeimpfung hauptsächlich in Arztpraxen anzubieten, das WHO-Ziel einer Impfrate von 75% fast erreichen lässt.
Suzete Costa, Pharmazeutin, (P) berichtete von einem erfolgreichen Projekt, in dem 48% der portugiesischen Apotheker die Grippeimpfungen nach einer Schulung selbständig in den Apotheken durchführten und nach zwei Jahren eine Impfrate von über 50% bei Personen über 65 Jahren erzielten. Ein weiterer Anstieg im kommenden Jahr ist zu erwarten.

Pandemische Grippe-Personal zurückhaltend
Dr. med. Gabriele Andersen (DE) erläuterte das Konzept des Universitätskrankenhauses Hamburg, in dem aufgrund der pandemischen Situation 2009/2010 die Grippeimpfung des Gesundheitspersonals eingeführt wurden. Dies führte damals zu einer Durchimpfungsrate von 74% des Gesundheitspersonals. In der darauf folgenden „normale Grippesaison“ 2010/2011 betrug die Durchimpfungsrate des Gesundheitspersonals lediglich 27%. Es wird vermutet, dass dies damit zusammen hing, dass das Tragen von Masken als Strategiemassnahme für nicht-geimpftes Gesundheitspersonal aufgehoben worden war. Alle anderen Strategien wurden unverändert wie im Vorjahr weitergeführt.
 
Die Rolle der Spitalpharmazeuten
Prof. Arnold Vulto (NL) stellte die veränderte Rolle des/der SpitalpharmazeutenIn im 21. Jahrhundert vor. Heute geen SpitalapothekerInnen zuverlässige und glaubwürdige Fachauskünfte zu Medikamenten. Sie gehören fest in interdisziplinäre Teams und arbeiten bei Bedarf auch direkt am Patientenbett. Ausserdem wies Prof. Vulto auf Barrieren bei der Grippeimpfung hin, wie z.B. Annahmen, die auf mangelhaften Informationen beruhen und die er mit dem Konzept des „Framing“ erklärte. Hier geht es um die Theorie von George Lakoff, Linguistikprofessor (UCal, Berkeley), dass Menschen in Bildern (Metaphern) denken und nicht in Wörtern oder Sätzen. Wörter kreieren einprägsame Bilder unabhängig davon, wie über ein Thema, sondern nur was darüber gesprochen wird. "Falsche“ Bilder (framing) müssen aufgelöst (reframed) werden. Das kann nur mit langfristigen, konsistenten und sich wiederholenden Botschaften erreicht werden, wobei positive Argumente verstärkend wirken. Prof. Vulto zeigte sich erstaunt über das mangelnde Wissen von Spitalpersonal in Bezug auf Impfungen und ist überzeugt, dass das Gesundheitspersonal unabhängige Informationsquellen benötigt, um mehr Hintergrundwissen zu bekommen. Hier sieht er eine Aufgabe für SpitalapothekerInnen.
 
Erfahrungen aus den USA
Dr. Litjen Tan (USA) gibt einen Einblick zur Influenza in the USA 2011. Er berichtet von der Möglichkeit, sich an verschiedenen Orten gegen Grippe impfen zu lassen. Neben Arztpraxen sind heute Apotheken, Drug Stores und Supermärkte die zweitgrössten Orte, an denen geimpft wird. Um die Impfrate bei Gesundheitspersonal gezielt zu erhöhen, wird gemäss Dr. Tan die Impfung als Bedingung im Arbeitsvertrag schriftlich geregelt.
Dr. Caroline Brown von der WHO (DK), stellte das Überwachungsprogramm: Sentinel surveillance for Severe Acute Respiratory Infections (SARI) vor, in welches Erfahrungen mit der pandemischen Grippesaison einflossen. SARI erfasst routinemässig nationale und internationale Daten schwerer Erkrankungen, wie z.B. Grippe, und bietet Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, sich den jeweiligen Zielsetzungen anzupassen.
 
Der „Grippe-Gipfel“ bot eine gute Plattform für internationalen Austausch und brachte spannende Aspekte zutage. Er machte deutlich, dass es bezüglich Grippeimpfung grosse Unterschiede zwischen den Ländern gibt und dementsprechend flexible, kreative und individuelle Massnahmen gefragt sind um die Impfbereitschaft, besonders beim Gesundheitspersonal, zu erhöhen. Die Veranstaltung wird nun jährlich stattfinden
 
Details zu Kopngress und Referierenden: www.flusummit.org