IP-10 in Leber und Plasma sagt HCV-Therapieansprechen voraus

Niedrige IP-10-Plasma-Spiegel bzw. geringe IP-10-mRNA-Mengen in der Leberbiopsie vor Beginn einer Peg-Interferon/Ribavirin-Therapie sind mit einem raschen HCV-RNA-Abfall in den ersten 24h und bei Genotyp 1/4 mit dem Erreichen einer SVR assoziiert.
 

Was ist IP-10?

IP-10 (Interferon-gamma inducible protein 10 kDa; Synonym: CXCL10 = chemokine C-X-C motif ligand 10) ist ein 77 Aminosäuren langes Chemokin, welches an den CXCR3-Rezeptor andockt. Im Gegensatz zu anderen Chemokinen ist seine chemotaktische Aktivität nicht auf Neutrophile ausgerichtet, sondern es lockt T-Lymphozyten, Natürliche Killerzellen und Monozyten an. IP-10 wird von verschiedenen Zellen, u.a. auch Hepatozyten gebildet (Harvey, J Leukoc Biol 2003). Es wird mit der Pathophysiologie von Multipler Sklerose, Diabetes mellitus und HIV in Verbindung gebracht. Bei einem Grossteil der Patienten mit chronischer HCV-Infektion findet man hohe systemische IP-10-Spiegel und bei dem schwierig zu behandelnden Genotyp 1 korrelieren die Werte vor Behandlungsbeginn invers mit dem Therapieansprechen (Romero, J Infect Dis 2006). Dabei haben bei Genotyp 1-Patienten mit BMI >= 25kg/m2 und Baseline-Viruslast >= 2 Mio U/ml IP-10-Werte <150 pg/ml einen positiven prädiktiven Wert (PPV) von 71% und IP-10-Werte von >600 pg/ml  einen negativen prädiktiven Wert (NPV) von 100% für eine SVR (sustained virological response = 6 Monate nach Therapieabschluss nicht nachweisbare HCV-RNA) (Lagging, Hepatology 2006).

Was versteht man unter der 1. und 2. Phase des HCV-RNA-Abfalls während der HCV-Therapie?

 

 

1. Phase

2. Phase

3. Phase

Zeit

schnelle Viruselimination am 1. Tag oder während der ersten Tage langsamere Viruselimination in der 2.-4. Woche Tag 29 bis Woche 6 (optional, (Dahari, Hepatology 2007))
Mechanismus antivirale Aktivität von Interferon (Blockade der Produktion und Freisetzung von Virionen) Elimination infizierter Hepatozyten (Absterberate infizierter Zellen + evtl. immunvermittelte Clearance der residuellen Infektion) intrinsische Absterberate infizierter Zellen bei Patienten mit flachem, teilweisen Ansprechen oder Null Response
Bermerkungen abhängig von Fibrose- und Steatose-Grad, GGT-Wert und HOMA; unabhängig von Viruslast und Transaminasen-Werten bei Baseline; prädiktiv für Rate des HCV-RNA-Abfalls in der 2. Phase und letztendlichen Therapieerfolg inverse Korrelation mit der Viruslast bei Baseline, positive Korrelation mit Transaminasen zu Therapiebeginn (Neumann, Science 1998)  

Studiendesign/Methoden

In der vorliegenden Studie wurde die IP-10-mRNA-expression (mRNA = messenger RNA) in Leberbiopsien vor Beginn einer HCV-Therapie mit Peg-Interferon/Ribavirin untersucht und mit dem jeweiligen IP-10-Plasma-Spiegel korreliert. Beide Werte wurden mit dem HCV-RNA-Abfall unter Therapie in Beziehung gesetzt, mit besonderem Augenmerk auf die 1. und 2. Phase der Viruselimination. Die verwendeten Proben stammten von Teilnehmern zweier unabhängiger HCV-Therapie-Studien (siehe Tabelle).

 

  DITTO-HCV NORDynamIC
Patienten 270 von 9 Europäischen Zentren (u.a. CH) (Zeuzem, J Hepatol 2005), therapienaiv bzgl. HCV, erhöhte Transaminasen, Genotyp 1-4 382 von 31 Zentren in Nordeuropa (Lagging, Hepatology 2008), therapienaiv bzgl. HCV, Genotyp 2/3
HCV-Therapie 6 Wochen Peg-IFN alpha-2a 180ug/Wo + 1000mg (für KG<75kg) bzw. 1200mg (für KG>75kg) Ribavirin/d, dann Randomisierung auf Standardtherapie für 48 Wo oder individualisierte Therapie (kein Unterschied im Outcome) randomisiert 12 oder 24 Wochen Peg-IFN alpha-2a 180ug/Wo + Ribavirin 800mg/d
HCV-RNA-Bestimmungen Tag 0, 1, 4, 7, 8, 15, 22 und 29, Therapieende, 24 Wochen nach Therapieabschluss Tag 0, 3, 7, 8 und 29, Woche 8 und 12, Therapieende, 24 Wochen nach Therapieabschluss
Leberbiopsie innerhalb von 12 Monaten vor Studieneinschluss
(>= 1,5cm für Histologie, >=1cm für RNA)
keine

Einschluss in
IP-10-Studie

264 Patienten (Genotyp 1-4) mit analysierbarem Plasma vor Therapiebeginn, davon 73 mit aus Leberbiopsie extrahierter analysierbarer RNA, Viruskinetik der ersten 6 Therapiewochen 359 Patienten (Genotyp 2/3) mit analysierbarem Plasma vor Therapiebeginn

Die Quantifizierung der IP-10-mRNA in der Leberbiopsie erfolgte mittels real-time PCR, die IP-10-Bestimmung im Plasma mittels ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay).

Resultate

Korrelation zwischen IP-10 im Plasma und IP-10-mRNA-expression in der Leber

Die IP-10-Plasmakonzentrationen innerhalb einer Woche vor HCV-Therapiebeginn korrelierten gut mit der jeweiligen IP-10-mRNA-expression in den innerhalb eines Jahres vor Therapiebeginn entnommenen Leberbiopsaten (Korrelationskoeffizient 0.707; p<0.0001).

000_IP10_Leber_Plasma.jpg

(AU = arbitrary units; Die IP-10-mRNA-Konzentration in der ersten der 73 Leberbiopsien wurde willkürlich gleich 1.0 AU gesetzt.) 

IP-10 und Kinetik des HCV-RNA-Abfalls unter Therapie

Teilt man die Patienten danach ein, ob sie eine intrahepatische IP-10-mRNA-Konzentration ober- oder unterhalb des Medians von 0.8 arbitrary units (AU) haben, ergibt sich für alle Genotypen eine signifikante Assoziation zwischen IP-10-mRNA-Konzentration in der Leber und dem Zeitpunkt, an dem unter Therapie erstmals keine HCV-RNA mehr nachweisbar ist (p=0.015).

Eine signifikante Assoziation zwischen einer intrahepatischen IP-10-mRNA-Konzentration unterhalb des Medians und dem Erreichen einer RVR (rapid virological response = am Therapietag 29 nicht mehr nachweisbare HCV-RNA) fand sich dagegen nur für Genotyp 1/4 (p=0.035), nicht jedoch für Genotyp 2/3 (p=0.36).

Unabhängig vom Genotyp hatten Patienten, welche innerhalb der ersten 24h unter HCV-Therapie einen HCV-RNA-Abfall von >1.0 log U/ml (entspricht dem Median) erreichten, signifikant tiefere IP-10-mRNA-Konzentrationen in der Leber sowie signifikant niedrigere IP-10-Spiegel im Plasma (vgl. Abbildung: mediane IP-10-Plasmakonzentrationen für Genotyp 1/4 190 versus 315 pg/ml und für Genotyp 2/3 158 versus 350 pg/ml).

000_IP10_Tag1_HCV_Tx.jpg

Demgegenüber fand sich zwischen der intrahepatischen IP-10-mRNA-Konzentration bzw. dem IP-10-Plasma-Spiegel und dem HCV-RNA-Abfall in der 2. (und 3.) Phase der Viruselimination unter Therapie kein Zusammenhang (vgl. Definitionen in der Tabelle weiter oben).

IP10 und Fibrose, Steatose bzw. BMI

Unabhängig vom Vorliegen einer signifikanten Fibrose (Ishak Stage 3-6), einer Steatose oder eines BMI>25kg/m2 blieb die Assoziation zwischen niedrigerer IP-10-Plasmakonzentration und stärkerem HCV-RNA-Abfall innerhalb der ersten 24h nach Therapiebeginn signifikant.

Patienten mit Fibrose (Ishak Stage 3-6 = bridging fibrosis/cirrhosis), Steatose bzw. einem BMI>25kg/m2 hatten signifikant höhere IP-10-Plasma-Spiegel (im Median 340 versus 188 pg/ml, 266 versus 203 pg/ml bzw. 289 versus 194 pg/ml).

IP10 und SVR

Patienten mit Genotyp 1/4, welche eine SVR erreichten, hatten vor HCV-Therapiebeginn signifikant tiefere IP-10-Plasmakonzentrationen (im Median 190 versus 321 pg/ml, p<0.0001). Für Genotyp 2/3 konnte eine solche signifikante Assoziation dagegen nicht gefunden werden, wobei in der DITTO-HCV-Studie auch nur 9 (12%) dieser Patienten keine SVR erreichten.

Conclusion

1) Die starke Assioziation zwischen intrahepatischer IP-10-mRNA-expression und IP-10-Plasmakonzentration vor HCV-Therapiebeginn lässt vermuten, dass bei der chronischen Hepatitis C die HCV-infizierten Hepatozyten die primäre Quelle des im Plasma nachweisbaren IP-10 sind.

2) Die intrahepatische IP-10-mRNA-expression sagt die Kinetik des virologischen Ansprechens unter HCV-Therapie voraus.

3) Niedrigere IP-10-Spiegel in Leber und Plasma vor HCV-Therapiebeginn gehen bei allen Genotypen mit einem stärkerem Abfall der HCV-RNA während der ersten 24h unter Therapie (in der 1. Phase der Viruselimination) einher.

4) Niedrige IP-10-Plasmakonzentrationen vor HCV-Therapiebeginn sind bei Genotyp 1/4 mit anhaltenden Therapieansprechen (SVR = sustained virological response, d.h. 6 Monate nach Therapieabschluss nicht nachweisbare HCV-RNA) assoziiert.

Diese Resultate passen übrigens sehr gut zu denen von Sarasin-Filipowicz et al. (Sarasin-Filipowicz, PNAS 2008), welche gezeigt haben, dass Non-Responder in der vor HCV-Therapie durchgeführten Leberbiopsie bereits eine hohe expression Interferon-stimulierter Gene aufweisen (IP-10 eingeschlossen) (vgl. dazu auch den folgenden Artikel: Interferon-Therapie bei Hepatitis C: ein "Kaltstart" funktioniert besser).


Quelle: Askarieh, Hepatology 2010;51