Trotz HAART: Pro-Kontakt-Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung bei homosexuellen Männern weiterhin hoch

Wie gross ist heutzutage das Risiko einer HIV-Infektion beim Analsex. Dieser Frage ging eine Australische Forschergruppe nach.

Eine antiretrovirale Therapie senkt die HI-Viruslast im Blut idealerweise unter die Nachweisgrenze. Dies führt zu einer starken Reduktion des HIV-Transmissionsrisikos. Gezeigt wurde dies für die Mutter-Kind-Transmission und für die HIV-Übertragung bei serodiskordanten monogamen heterosexuellen Partnern.

Bei homosexuellen Männern ist die Datenlage dazu deutlich schlechter. Die meisten Untersuchungen zum Übertragungsrisiko stammen aus der Zeit vor der hochaktiven HIV-Thearpie (HAART). Das Studium des Transmissionsrisikos bei Männern die Sex mit Männern (MSM) haben wird durch folgende Faktoren erschwert:

  • Eine Partnerschaft bei MSM ist häufig nicht monogam
  • Der HIV-Status der Sexualpertner ist oft unbekannt
  • Beim Analsex kann sowohl die insertive als auch die rezeptive Rolle übernommen werden.

Die Studie von Fengyi Jin et al. untersuchte die Pro-Kontakt-Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung beim Anaverkehr bei homosexuellen Männern in der HAART-Aera:

Im Rahmen der Health in Men (HIM)-Kohortenstudie wurden 1427  HIV-negative MSM in Sidney prospektiv verfolgt, im Durchschnitt über 4 Jahre. Eingeschlossen wurden die Probanden zwischen 6/01 und 12/04. Eine detailierte Befragung zum Sexualverhalten fand 1/2-jährlich statt (alternierend "face to face" und telefonisch). Jährlich wurde auf HIV getestet.

Resultate:

Insgesamt kam es bei 53 Personen zur Serokonversion. Die geschätzte Pro-Kontakt-Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung betrug beim ungeschützten Analverkehr:

  • anal rezeptiv mit Ejakulation ins Rectum: 1,43%
  • anal rezeptiv ohne Ejakulation ins Rectum (Rüchzieher): 0,65%
  • anal insertiv: 0,66% (falls Zustand nach Zirkumzision: 0,11%)

Diese Transmissionsrisiken sind unerwartet hoch, ziemlich vergleichtbar mit dem was vor der HAART-Zeit beobachtet wurde. Leider wurde nicht versucht zu unterscheiden, ob die HIV-inifzierten Partner eine Therapie hatten. Insgesamt geht man aber davon aus, dass ca. 70% der HIV-postitiven MSM in Sidney erfolgreich antiretroviral behandelt sind.

Als mögliche Gründe für die unverändert hohe Transmissionsrate beim Analverkehr unter MSM wurden angeführt:

  • Die HIV-Transmission erfolgt v.a. bei HIV-Primoinfektion (sehr hohe Viruslast; idR nicht behandelt, da unerkannt) 
  • Die Prävalenz von undiagnostizierten HIV-Infektionen ist höher als angenommen
  • Das Transmissionsrisiko korreliert bei Analverkehr weniger gut mit der Viruslast im Blut als beim Vaginalverkehr
  • Die Prävalenz von Sexuell übertragbaren Infektionen (STI) hat gegenüber der Prä-HAART-Aera zugenommen.

Was bedeutet diese Arbeit für uns?
Die Arbeit hat einmal mehr gezeigt, dass das HIV-Übertragungsrisiko gross beim ungeschützten Analverkehr.
Allerdings hat die Arbeit NICHT untersucht, inwieweit eine HIV-Therapie das Risiko einer HIV-Übertragung reduziert. Denn in dieser Studie wurde nicht untersucht, ob die infizierten Partner tatsächlich unter einer HIV-Therapie waren oder nicht. Es wurde lediglich festgestellt, dass in Sydney die Therapie einer grossen Zahl von HIV-Infzierten nicht dazu geführt hat, dass das Ansteckungsrisiko für die HIV-negativen Menschen pro Sexualkontakt nicht wesentlich abgenommen hat. Es ist allerdings auch  möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass die ungeschützten Risiken vor allem mit Menschen mit unbekanntem HIV-Status eingegangen wurden.

Quelle: Fengyi Jin et al., AIDS 2010, 24: 907-913