Pandemie-News 03.12.2009

Das pandemische H1N1v-Influenzavirus ist auch in der schweiz weiter auf dem Vormarsch. Das BAG berichtet inzwischen über 7 Todesfälle und insgesamt 49 Personen, welche intensivmedizinische Pflege benötigten. Ist dies normal? Hier ein kritisches Update über die Entwicklungen der letzten Tage.

Die Pandemiewelle hat auch die Schweiz fest im Griff. Wie auch in allen anderen europäischen Ländern steigt die Anzahl der Konsultationen wegen grippeähnlicher Symptome (influenza like illness, ILI) auch in der Schweiz weiter an und hat schon das Niveau der Grippewelle 2007/08 vorletzte Woche überschritten und das Niveau der letzten Grippesaison fast erreicht (siehe BAG 03.12.2009). Ein Ende des Anstiegs ist nicht abzusehen. Inzwischen sind ca. 50% der virologischen Nachweise in diesem Patientenkollektiv H1N1v positiv – andere Influenzaviren konnten nicht nachgewiesen werden (Influenzareferenzzentrum Genf).

Pandemische Grippe: eine milde Erkrankung? Ja, ABER…..

Mit dem Anstieg der Fälle gewinnen wir auch immer mehr unmittelbare Erfahrungen über den klinischen Verlauf der pandemischen H1N1v-Influenza. Auch bei uns bestätigt sich, was bereits in anderen Ländern, welche die Grippewelle bereits erlebt haben, beobachtet und beschrieben wurde (siehe SMF-Artikel). Die Mehrzahl der Fälle verläuft mild und selbstlimitierend. Nun kommt aber das obligate ABER…..

  • die meisten positiven Nachweise erfolgten bei jungen Personen <65 Jahre.
  • eine beachtliche Anzahl von jungen H1N1-Patienten musste hospitalisiert (kumulativ 195) werden und benötigt intensivmedizinische Betreuung (kumulativ 49).
  • zwar sind grippebedingte Komplikationen bei Patienten mit vorbestehenden Riskiofaktoren für einen schwereren Krankheitverlauf häufiger , doch auch rund 2/5 der hospitalisierten Patienten ohne Risiko wiesen ebenfalls Grippekomlikationen auf!
  • bereits 7 teils junge Menschen starben an der H1N1-Influenza – anekdotisch wird in den Medien immer explizit darauf hingewiesen, dass nur Patienten mit Risikofaktoren gestorben seien, doch dies wird kaum so bleiben.

Fazit: vor allem junge und auch gesunde Menschen sind von der H1N1v-Grippe betroffen, welche durchaus in einem nicht zu vernachlässigenden Anteil schwere Verläufe nehmen kann. Auch wenn die Mortalität rechnerisch wohl im gleichen Rahmen wie bei der saisonalen Grippe liegt, ist die Häufung junger hospitalisierter H1N1v Patienten beispiellos. Auch wenn die Wirkung einer Tamiflutherapie am besten ist, wenn früh eingenommen (<12-24 Stunden), sind wir daher dazu übergegangen, dieses auch bei schwerer erkrankten Patienten, welche eine Hospitalisation benötigen, frühzeitig einzusetzen, um respiratorische Erschöpfungen zu vermeiden.

Impfung schützt – alle! UND ist sicher!

Den beste Schutz bietet jedoch eine Impfung. Es darf mnicht vergessen werden, dass der Entscheid, sich zu impfen (oder nicht zu impfen) nicht nur ein individueller Entscheid ist, sondern die Mitmenschen ebenfalls direkt betrifft! Auch wenn Sie als "Impfmuffel" möglicherweise nur mild erkranken, könnte der von Ihnen angesteckte Nachbar sterben – auch wenn er jung und gesund scheint. Daher empfehlen wir eine Impfung nicht nur für Sie, sondern für Ihre ganze Umgebung.

Die in der Schweiz erhältlichen Impfstoffe sind entgegen vieler anderslautender Gerüchte sicher und nebenwirkungsarm. Die häufigsten "Nebenwirkungen" sind lokale Schmerzen, Fieber, Frösteln bis Schütztelfrost, Glieder- und Kopfschmerzen – alles Zeichen, dass die Impfung eine Abwehreaktion auslöst und mit grosser Sicherheit einen Schutz bieten wird. Es sind bereits ca. 65 Millionen Impfdosen verabreicht worden, und sie zeigen alle – ob adjuventiert oder nicht-adjuventiert – dasselbe Sicherheitsprofil wie die seit 60 Jahren gebräuchlichen saisonalen Influeanzimpfstoffe (siehe WHO). Die immer wieder im Vorfeld der Impfkampagne geäusserte Angst vor neurologischen Nebenwirkungen (Guillain-Barré-Syndrom) kann nun bei 10 Verdachtsfällen auf GBS / 65 Mio. Geimpfte auch ausgeräumt werden.

"Langzeitnebenwirkungen" der Impffaulheit: steigendes Tamifluresistenzrisiko

Die sichere Impfung ist insbesondere auch all denjenigen dringend ans Herz zu legen, welche mit Abwehrgeschwächten und/oder chronisch Erkrankten zusammen leben. Die Alternative einer Tamiflutherapie ist mit grösseren (und weniger vorhersehbaren) Langzeit-"Nebenwirkungen" assoziiert als die Impfung. So erreichten uns in den letzten Tagen Berichte über einen teils nosokomialen Ausbruch von Tamiflu-resistenten H1N1v-Viren im Spitalsetting (siehe WHO). Jede auch noch so gerechtfertigte Tamiflu-Therapie birgt das Risiko einer Resistenzentwicklung, insbesondere wenn sie vorzeitig abgebrochen respektive ungenügend dosiert wird.

Und wenn wegen mangelndem Impfwillen das Virus über die nächsten Jahre zunehmend Tamiflu-resistent wird und sich allenfalls  seine Virulenz verstärken sollte (wir berichteten), dann berauben wir uns alle der letzten Möglichkeit, das H1N1v-Influenzavirus im Einzellfall behandeln zu können. Denn bedenken Sie: zwar haben statistisch nur wenige einen schweren, möglicherweise tödlichen Verlauf, aber diese sind 100% betroffen! Und wir wissen nie, was das Virus noch für Überraschngen birgt:

The only thing certain about influenza viruses is that nothing is certain.