HCV-Therapie für i.v.-Drogenkonsumenten

Am 24./25.09.2009 fand in Zürich das 1. Internationale Symposium zur Hepatitis-Therapie bei Drogenkonsumenten statt. Einen Monat zuvor ist von Hellard et al. im CID ein Review-Artikel zu diesem Thema erschienen.

90% der Hepatitis C (HCV)-Neuinfektionen weltweit und die Mehrzahl der chronischen Infektionen, v.a. in den industrialisierten Ländern, sind dem i.v.-Drogenkonsum zuzuschreiben. Trotz Fortschritten im Management der Hepatitis C und Hinweisen darauf, dass die Therapie einer kürzlich erworbenen Hepatitis C mit SVR-Raten von bis zu 98% einhergeht (SVR = sustained virological response, d.h. HCV-RNA negativ 6 Monate nach Therapieende), werden aktive i.v.-Drogenkonsumenten  kaum je behandelt. Vor 2001 wurde in den Guidelines zum Management der Hepatitis C in vielen industrialisierten Ländern davon abgeraten, i.v.-Drogenkonsumenten (IDUs = injection drug users) zu behandeln. Zwar wird die Therapie von IDUs in den revidierten Guidelines tendentiell befürwortet, die unverändert niedrige Behandlungsquote von <=10% spricht jedoch dafür, dass die Ärzte weiterhin zurückhaltend sind, IDUs zu behandeln. Begründet wird diese Haltung durch Bedenken bzgl.:

– Reinfektions-Risiko,
– hohe Rate von begleitendem Alkoholabusus und
– hohe Rate begleitender psychischer Erkrankungen,

welche alle potentiell die Behandlungs-Compliance und den Behandlungserfolg beeinflussen. In dem erwähnten Review von Hellard et al. wurde untersucht, ob diesen Bedenken irgendeine Evidenz zugrundeliegt. Dabei wurden bis September 2008 Englisch-sprachig publizierte Studien eingeschlossen, welche Angaben zu SVR-Raten, Behandlungs-Komplettierung und/oder -Compliance sowie Reinfektionsraten nach Behandlung bei IDUs enthielten.

1) Behandlungserfolg:

a) In Studien zur Behandlung der chronischen Hepatitis C waren die SVR-Raten von IDUs und non-IDUs vergleichbar (teilweise bei den IDUs sogar höher als bei den non-IDUs (a.e. wegen mehr Genotyp 1 (schlechter behandelbar) in der non-IDU-Gruppe)). In denjenigen Studien, in welchen mit Peg-Interferon plus Ribavirin therapiert wurde, lag die mediane SVR-Rate bei den IDUs bei 54,3% (range, 18,1-94,1%), verglichen mit 54%-63% in den grossen Behandlungsstudien.

b) Betreffend der Behandlung der akuten Hepatitis C gibt es nur wenige Studien, welche über das Outcome bei IDUs berichten. In diesen war die SVR-Rate bei den IDUs 68,5% (n=89), verglichen mit 81,5% bei den non-IDUs (n=65).

2) Behandlungs-Komplettierung und -Compliance:

Die Wahrscheinlichkeit, eine SVR zu erreichen, erhöht sich, wenn der Patient einen hohen Prozentsatz der verschriebenen Dosen erhält und nahezu maximal dosiert werden kann.

a) 70,9% der IDUs (median, 71,9%) führten die Therapie bis zu Ende durch, verglichen mit 79,4% der non-IDUs (median, 92,3%). In 5 Studien wurde die Therapie-Komplettierungsrate in IDUs und non-IDUs formal verglichen und dabei nur in einer ein statistisch signifikanter Unterschied gefunden. In dieser einen Studie (n=81, nur univariate Analyse) war die Wahrscheinlichkeit, dass frühere IDUs die Therapie komplettierten, geringer als bei IDUs im Methadon-Programm bzw. non-IDUs.

b) In 6 Studien, welche die Compliance von IDUs und non-IDUs verglichen haben, betrug die Non-Compliance-Rate bei IDUs 6,8% (median 12,7%), verglichen mit 4,9% (median, 7,3%) bei non-IDUs (cave: starke Variation in der Definition der Behandlungs-Compliance, Vergleichbarkeit fraglich). Nur in 1/3 Studien, welche die Compliance formal verglichen haben, fand sich ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. In dieser Studie (n=220, nur univariate Analyse) war bei IDUs mit fortgesetzten Drogenkonsum die Wahrscheinlichkeit eines "lost to follow-up" während der Therapieperiode höher als bei IDUs, welche den i.v.-Drogenkonsum sistiert hatten und Teilnehmern ohne i.v.-Drogenkonsum in der Vorgeschichte.

3) Zeit der Drogenabstinenz vor Therapiebeginn:

2 Studien evaluierten den Einfluss einer Drogenabstinenz von >= 6 Monaten vor HCV-Therapiebeginn auf das Erreichen einer SVR. In keiner der beiden konnte ein signifikanter Einfluss gefunden werden.

4) Fortgesetzter i.v.-Drogenkonsum während der Therapie

Die SVR-Raten waren bei Patienten mit unter Therapie fortgesetztem i.v.-Drogenkonsum (mind. 1 Injektion während der Behandlungsperiode) mit 14,8-52,6% etwas geringer als bei jenen, welche bzgl. i.v.-Drogenkonsum während des Behandlungszeitraums abstinent waren (34,8-57%) (cave: insgesamt nur 71 non-abstinente und 95 abstinente IDUs in drei verschiedenen Studien, kein signifikanter Unterschied). Bei denjenigen Patienten mit regelmässigem i.v.-Drogenkonsum (mind. jeden 2. Tag) waren die SVR-Raten mit 0-22% geringer als bei anderen IDUs in den gleichen Studien (30,9% und 65,2%) (nur sehr geringe Fallzahlen: 8/76 bzw. 9/40 mit regelmässigem i.v.-Drogenkonsum, kein signifikanter Unterschied).

5) Einschluss in Drogen-Therapie- und multidisziplinäre Behandlungsprogramme:

Die in solchen Programmen eingeschlossenen Patienten erreichten mediane SVR-Raten von ca. 48% (range, 27-94%). Da die Bestandteile der angebotenen Hepatits C-Programme oftmals nicht genau beschrieben werden und die Anzahl der in Drogen-Therapie-Programme eingeschlossenen Teilnehmer nicht angegeben wird, sind Outcome-Vergleiche mit IDUs in anderen Studien kaum möglich.

6) Risiko der Reinfektion nach Therapieabschluss:

Es besteht die Befürchtung, dass sich – selbst nach erfolgreicher HCV-Therapie – aktive i.v.-Drogenkonsumenten infolge fortgesetzter gefährlicher Injektionspraktiken neu mit Hepatitis C infizieren. Der Benefit einer Therapie könnte damit vom kombinierten Risiko von Therapie-Nebenwirkungen und Reeinfektion wettgemacht werden.

Zwar sind die Reinfektionsraten nach spontaner HCV-Clearance in IDU-Kohorten mit 31-47 Fällen pro 100 Personenjahre relativ hoch, die Reinfektionsraten nach antiviraler Behandlung liegen aber viel tiefer (0,8 Fälle pro 100 Personenjahre in einer Studie, in der 27 ehem. IDUs während 13-28 Monaten nach Therapie beobachtet wurden (9/27 wurden bzgl. i.v.-Drogenkonsum rückfällig, unter diesen Reinfektionsrate von 2,5 Fällen pro 100 Personenjahre) und 0-2 Fälle pro 100 Personenjahre in einer anderern Stude mit 18 ehem. IDUs und einem Follow-up von total 50,8 Personenjahren nach Therapie).

Conclusion:

– Bei vielen grossen Studien, welche die Wirksamkeit der HCV-Therapie gezeigt haben, wurden IDUs (injection drug users) ausgeschlossen.

– Das vorliegende Review zeigt, dass es mittlerweile aus kleineren Studien, welche IDUs eingeschlossen haben, genügend Evidenz dafür gibt, dass IDUs bzgl. Hepatitis C erfolgreich behandelt werden können (vergleichbare SVR-Raten wie bei non-IDUs). Entsprechend sollte ihnen die HCV-Therapie nicht vorenthalten werden, zumal sie das Hauptreservoir für Neuinfektionen darstellen.

– Dafür, dass ein während der HCV-Therapie fortgesetzter i.v.-Drogenkonsum die Chancen auf einen Therapieerfolg vermindert, gibt es keine klare Evidenz. Es sollte aufgrund der zu erwartenden Compliance von Fall zu Fall entschieden werden.

Quelle: Hellard, M, Sacks-Davis R and Gold J, CID 2009;49:561-573

Links:
1st International Symposium on Hepatitis Care in Substance Users 24./25.09.2009 in Zürich => Vorträge als pdf abrufbar
SÄZ-Artikel von Philip Bruggmann
Chossegros P et al., Gastroentérologie Clinique et Biologique 2008; 32:850-857: In einer französichen prospektiven Beobachtungsstudie der HCV-Behandlung von Drogenkonsumenten war die SVR unter Buprenorphin-Substitution (n=108) mit 48,1% signifikant besser als unter Methadon-Substitution mit 21,8% (n=55) (p=0,001).
www.hepch.ch