Aktuelle Lage Mexikanische Grippe – 16. Juni 2009

 Beachten Sie auch immer unsere aktuellen Kurzmitteilungen oder lassen Sie sich diese über Twitter auf Ihr Handy spielen!

Die A/H1N1-Grippe hat Europa erreicht. Das BAG hat die Risikogebiete reevaluiert und neu Grossbritannien als A/H1N1-Risikogebiet klassifiziert. Jedoch auch in der Schweiz werden nun fast täglich mehrerer neue A/H1N1-Fälle bestätigt.

 

 

Globale epidemiologische Lage
Klicken auf Bild zum Vergrössern Die Ausbreitung der A/H1N1-Grippe schreitet weltweit unaufhaltsam voran. Inzwischen werden fast die Hälfte aller wöchentlichen neuen Fälle aus Ländern ausserhalb der ersten betroffenen Regionen Mexiko, USA und Kanda gemeldet. Nebenstehend finden Sie eine kummulative Aufstellung aller Fälle weltweit (Klick auf Grafik für Vergrösserung), untenstehend eine Grafik der wöchentlich neu gemeldeten Fälle.

In der Schweiz wurden inzwischen 26 Fälle bestätigt, wobei 2 Fälle sich bereits innerhalb der Schweiz ansteckten. Europaweit steigt die Fallzahl ebenfalls, wobei va. das UK betroffen ist: innert nur weniger Tage schnellte die bestätigte Fallzahl auf 1320. Aber auch Deutschland und Spanien berichtetn über eine immer stärker zunehmende Anzahl von bestätigten A/H1N1-Fällen.

H1N1_Cases_wkly.jpg

Diese Grafiken geben jedoch ein verzerrtes Bild der realen Situation, da nur die laborbestätigten Fälle  (bzw. in den USA auch wahrscheinliche Fälle definiert als typischer Grippesymptomatik und positivem Infuenza A-Nachweis ohne A/H1N1-Bestätigungstest) berücksichtigt werden.

Zum Einen müssen die Resourcen und ein Überwachungssystem bestehen, um A/H1N1-Grippefälle überhaupt erkennen zu können. Es ist fraglich, ob eine repräsentative Überwachung der A/H1N1-Ausbreitung in vielen Ländern mit limintierten finaziellen Mitteln überhaupt möglich ist. Zweitens müssen A/H1N1-Erkrankte einen Arzt aufsuchen, um überhaupt diagnostiziert werden zu können. Dies ist meist bei schwer erkrankten der Fall, jedoch dürfte eine unbekannte Dunkelziffer von leicht erkrankten Personen bestehen, welche nicht erfasst werden. Und – Drittens – gehen selbst Länder mit aussreichend finanziellen Resourcen dazu über, nicht mehr alle Fälle im Labor zu bestätigen, sobald die Ausbreitung in der Bevölkerung ein gewisses Mass überschreitet.

Wann ist eine Pandemie nun eine Pandemie?

Die WHO hat Ende der letzten Woche die A/H1N1 Pandemie erklärt (Pandemiestufe 6). Dies bedeutet einzig, dass sich das A/H1N1-Grippevirus GLEICHZEITIG überall auf der Welt ausbreitet. Ein weiteres Mekmal einer Pandemie ist, dass ALLE Menschen potentiell mit dem Erreger infiziert werden können.

Eine globale Ausbreitung kann nicht mehr verhindert werden, sodern die zu treffenden Massnahmen zielen auf eine Verzögerung der Ausbreitung ab und sollten ein Monitoring der Pndemie erlauben. Je nach Vorkommen (Prävalenz) des A/H1N1-Virus in der Bevölkerung sind verschiedene Massnamhen zu ergreifen.

In den USA zum Beispiel ist das A/H1N1-Virus der Infuenzavirusstamm, welcher nun am häufigsten bei Personen mit eine Grippesymptomatik nachgewiesen wird, und zwar unabhängig von einem nachweisbaren Kontakt mit einem an der A/H1N1-Grippe Erkrankten. Das bedeutet, dass sich das Virus in der Bevölkerung ausbreitet und die Ausbreitung nicht mehr eingedämmt werden kann. Die zu ergreifenden Massnhamen umfassen daher in diesem Setting einen sorgfältigen Umgang mit den Resourcen und ein Monitoring des Virus, um Erbgutveränderungen und damit möglicherweise einhergehende Veränderungen in der Virulenz (Krankmachende Eigenschaften des Virus) zu erkennen. Es wird in diesem Setting daher nicht mehr empfohlen, hjeden Grippeerkrankten mit teuren und auifwendigen Labormethoden auf A/H1N1 zu testen, da die Wahrscheinlichkeit, dass er an diesem Virus erkrankt ist, sher hoch ist (pre-test probability). Auch Quarantändemassnahmen und sogar Isolationsmassnahmen sind nicht mehr zwingend notwendig – es ist aber wichtig, Hochrisikopatienten zu erkennen und früh zu behandeln.

Grossbritannien befindet sich in einer Übergangsphase, in der das Virus gerade erst beginnt, sich in der Bevölkerung auszubreiten. Nimmt die Ausbreitung jedoch weiterhin sio schnell zu wir in den letzten Tagen, wird auch das UK bald auf einen Nachweis des A/H1N1-Virus bei jedem Verdachtsfall verzichten.

In der Schweiz jedoch kommen aktuell nur sporadische Fälle vor, und noch haben die meisten dieser Fälle eine nachweisbare Exposition. Dies bedeutet, dass sich das A/H1N1 Virus noch nicht unkontrollierbar in der Bevölkerung ausbreitet. Zur Verzögerung der Ausbreitung sind daher Isolations- und Quarantänemassnamhen durchaus angebracht. Dadurch gewinnen wir Zeit, in der wir mehr Daten über den Krankheitsverlauf und den Schweregrad der Infektion aus den USA und GB sammeln können, und Zeit, einen Impfstoff zu entwickeln. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis auch wir uns mit einer Ausbreitung, wie wir sie aktuell in den USA oder GB beobachten, konfrontiert sehen werden. Entsprechend müssen dann unsere Massnamhen von einer Verzögerungs- auf eine Monitoringstrategie anpassen.

Wie gefährlich ist die A/H1N1 Grippe?

 

 

 

Die WHO wurde wiederholt kritisiert, dass in ihrer Lagebeurteilung der Schweregrad der A/H1N1-Grippe nicht einfliesst. Diese Kritik scheint auf den ersten Blick berechtigt, andererseits muss aber auch bedacht werden, dass die Virulenz des A/H1N1-Virus keinen Einfluss auf das Auftreten einer Pandemie – definiert bei gleichzeitig globalem Auftreten eines Virus, welches potentiell jeden Menschen infizieren kann – hat. Die Virulenz hat einzig eine Einfluss auf die Schnelligkeit der Virusausbreitung und auf die potentiellen Kosten für die Menschheit – sei es wirtschftlich-finanziell oder im Sinn von Todesfällen. Und diese Auswirkungen können je nach Weltregion bei gleichem Virus durchaus sehr unterschiedlich sein, abhöngig von den jeweiligen Resourcen der Gesundheitssysteme. Kann z.B. ein Virus in den Industirenationen gut monitorisiert werden und entsprechend eine frühzeitige Therapie erfolgen, so ist genau dies in Entwicklöungsländern vielleicht nicht möglich, und auch eine Therapie ist möglicherweise nicht vorhanden. So variiert je nach Resourcenlage die Anzahl von Todesfällen und damit auch der "Schweregrad" einer Pandemie.

Es scheint, dass die A/H1N1-Grippe meist nur milde Symptome hervorruft und die meisten Erkrankten ohne Therapie wieder genesen. Daher geht man z.B. auch in den USA von viel mehr Infizierten aus, als uns die Statistik glauben lässt. Das CDC geht davon aus, dass bis zu 100’000 Personen bereits erkrankt waren/sind und die registrierten Fälle (aktuell 17’855 bestätigte Fälle) nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die A/H1N1-Grippe zur Zeit eine etwa gleich hohe Mortalitätsrate aufweist wie eine saisonale Grippe. Aber die Altersverteilung der Grippetoten ist unterschiedlich: sterben in der saisonalen Grippe va. ältere Personen, so ist die höchste Mortalität bei der A/H1N1-Grippe bei Personen zwischen 30 und 50 Jahren beobachtet worden. Der Bias, dass ältere Personen weniger reisen und sich daher auch weniger anstecken kann inzwischen fast sicher ausgeschlossen werden, da sich in den USA das A/H1N1-Virus unabhängig des Alters der Bevölkerung ausbreitet, die Altersverteilung der Todesfälle sich aber nicht geändert hat. Es wird angenommen, dass ältere Personen eine Kreuzimmunität aufweisen und daher das A/H1N1-Virus besser bekämpfen können.

Es konnten Bevölkerunuggruppen identifiziert werden, welche ein besonders hohes Riskio haben, schwer zu erkranken. Es sind dies (in absteigender Abfolge des Risikos): Asthmatiker unud COPD-Erkrankte (inklusive Lungenerkrankungen aufgrund von Übergewicht), Diabetiker, Immundefiziente (z.B. HIV+ Patienten), chron. Herzinsuffiziente, chronsiche Niereninsuffiziente, Epileptiker, und an Krebs erkrankte Personen. Kinder va. <2 Jahre scheinen ebenfalls schwerer zu erkranken. Strategien – wie z.B. diejenige des BAG – zielen nun darauf ab, va. Patienten aus diesen Risikogruppen frühzeitig zu erfassen, um sie therapieren zu können.

Es ist aber nicht klar, wie sich das A/H1N1-Virus in Zukunft verhalten bzw. verändern wird. Auch wenn die erste Welle der Pandemie mild zu verlaufen scheint, so kann eine zweite Welle verherende Auswirkungen haben. Wir lernen nun tagtäglich, wie sich eine Pandemie entwickelt, und wie unserer Massnahmen – sei es Social Distancing (Isolation, Quarantäne) oder Therapie – auf die Ausbreitung der Pandemie auswirken. Denn es darf nicht vergessen werden, dass wir die erste Pandemie in der gesammten Menschheitsgeschichte erleben, die derart genau verfolgt und auch antiviral behandelt werden kann.

 

Und nur Eines ist sicher:

The only thing certain about influenza viruses is that nothing is certain.

 

Nähere Informationen zu Fallzahlen und Lagebeurteilung einzelner Behörden, sowie Links zu den Quellen der in diesem Artikel verwendeten Angaben:

Weitere Informationen: