Saisonale Grippe: kein "Sättigungseffekt" bei der Impfung von Spitalpersonal…

… sondern jede Impfung bringt etwas! Das zeigt zumindest eine holländische Computersimulationsstudie.

 

Personal impfen? warum? wie viele?
Die Grippeimpfung des Personals von Alters-und Pflegeheimen sowie von Spitälern wird in den meisten westlichen Ländern empfohlen, um Übertragung auf alte, pflegebedürftige und chronisch kranke Heimbewohner bzw. Spitalpatienten zu verhindern. Einzelne wenige Studien haben tatsächlich einen schützenden Effekt einer Impfung bereits bei tiefer Impfrate des Personals gezeigt. Unklar ist, wie viel mehr Schutz eine bessere Impfrate des Personals bringen würde, und ob in Institutionen des Gesundheitswesens eine „Herdimmunität“ erreicht werden kann.

Eine Computersimulation könnte weiterhelfen:
Eine Gruppe aus Holland hat argumentiert, dass zur Beantwortung dieser Frage (und Vermeidung aller möglichen verzerrenden Faktoren) eine zu grosse klinische Studie erforderlich wäre. Statt dessen haben sie auf ein mathematisches Modell gebaut. Dabei simulierten sie einen Grippeausbruch in einer nach ihren Angaben typischen holländischen Langzeitpflegeeinheit mit 30 Betten (in Zweibettzimmern) und einem Team bestehend aus 30 Pflegenden.
In Anlehnung an Studien wurden dabei folgende Grundannahmen gemacht:
eine „typische“ nationale Grippeepidemie geht über einen Zeitraum von mindestens 80 Tagen. Bei Start der Influenzaepidemie dürften 30% der erwachsenen Bevölkerung immun sein aufgrund von Kreuzimmunität durch frühere Influenzaepisoden. Ältere hingegen haben ein geschwächtes Immunsystem, daher wird ein Fehlen eines solchen immunologischen Gedächtnisses angenommen (Anmerkung der Kommentatorin: bei dieser radikalen Annahme dürften wohl die „alten Alten“ bzw. Kranke gemeint sein). In Anlehnung an Publikationen wird postuliert, dass im Durchschnitt 75% der Insassen eines Pflegeheims grippegeimpft sind. Während gemäss Literatur bei gesunden Erwachsenen ein Grippeimpfschutz von 73% angenommen werden kann, wird in der Studie bei den genannten Langzeitpflegepatienten ein  Impfschutz von zwischen 0 und 50% postuliert. Ferner wird angenommen, dass sich in einer durchschnittlichen Influenzasaison die Infektionsrate bei etwa 23 % bewegt. Dabei führe eine Influenzainfektion lediglich in 50% tatsächlich zu einer Erkrankung. Zudem müsse auch inmitten einer durchschnittlichen Influenzaepidemie damit gerechnet werden, dass lediglich 50% der grippeverdächtigen Erkrankungen tatsächlich durch das Influenzavirus bedingt sind. Zusätzliche Annahmen wie Art, Dauer und Häufigkeit von (Körper)kontakten, Kontakt zur „Aussenwelt“ u.a. wurden in Anlehnung an beobachtete Settings simuliert.

Ergebnis:
Die Relation zwischen der Anzahl grippegeimpfter Mitarbeiter und der Grippeinfektion von Heiminsassen erscheint linear. Durch komplette Impfung des Personals konnte im Modell ein Schutz von 60% der Patienten bewirkt werden. Sieben Mitarbeiter müssten geimpft werden, damit ein Patient gegen Influenza geschützt sei. Jede Impfung (des Personals) weniger bringe auch weniger Schutz für die Heiminsassen. Auch bei kompletter Impfung des Personals könne allerdings eine Herdenimmunität nicht erreicht werden. Dies wird durch die geringe Schutzrate durch die Impfung erklärt und dadurch, dass das Pflegeheim keine „infektiologisch abgeschlossene Einheit“ sei, sondern mit der Aussenwelt (und damit der dort herrschenden Influenza) durch zahlreiche Kontakte verbunden sei.  Möglich sei aber ein zusätzlicher günstiger Effekt dadurch, dass eine Pflegeeinheit ja auch indirekt profitieren könne durch Impfeffekte innerhalb des gesamten Pflegeheims.

Limitationen der Studie wurden gleich genannt: natürlich handelt es sich (nur) um ein Modell. Zudem wurde zur Vereinfachung angenommen, dass alle (Patienten, Pflegende, Besucher) in gleicher Weise infektiös oder ansteckungsgefährdet sind. Zudem wurden innerhalb Gruppen gleiche Kontaktwahrscheinlichkeiten angenommen.

Schlussfolgerung:
Trotz aller Vorsicht (es ist ein Computermodell!) kann man postulieren:

  •  Impfung des Personals reduziert die Infektquote der Heimbewohner und
  •  jede Impfung des Personals bringt zusätzlichen Schutz

Quelle: Viboud, Miller, PLoS Medicine, 2008; 5: 1423-1425