Aktuelle Lage Mexikanische Grippe -29. Mai 2009

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In den Medien ist es um die A/H1N1-Grippe (mexikanische Grippe) ruhig geworden, einzelne Meldungen sind nur noch wenige Zeilen lang. Das Interesse in der Bevölkerung ebbt in gleichem Masse ab, und teils wird sogar Kritik an der bisherigen Information laut. Ist die Abnahme des Interesses berechtigt, und war die initiale Berichterstattung tatsächlich zu reisserisch und überzogen?

Die Antwort auf diese beiden Fragen lautet aus infektiologisch-epidemiologischer Sicht ganz klar NEIN. Die A/H1N1-Grippe ist weiter auf dem Vormarsch. Wie aus der untenstehenden Grafik ersichtlich ist, werden nun A/H1N1-Fälle aus der ganzen Welt mit Ausnahme von Afrika gemeldet. Beunruhigender ist jedoch, dass eine zunehmende Tendenz von eingeschleppten A/H1N1-Fällen in der Schweiz zu bestehen scheint, welche parallel mit der Ausbreitung des A/H1N1-Virus in den USA einhergeht. Inzwischen wurden vom BAG 5 A/H1N1-Fälle in der Schweiz bestätigt (20min). Drei dieser Fälle hatten eine Exposition in den USA, ein weiterer eine mögliche Exposition in Mexiko oder in den USA, und nur der erste gemeldete Fall hatte eine alleinige Exposition in Mexiko, wo die A/H1N1-Grippewelle ihren Ausgang nahm. Zwei der fünf Faälle sind innert kurzer Zeit in den letzten zwei Tagen aufgetreten. Es ist daher anzunehmen, dass die Fallzahl in der Schweiz aufgrund der Reisetaätigkeit in die USA in der nahen Zukunft weiter zunehmen wird, denn die A/H1N1-Grippe ist gemäss WHO in Nordamerika nicht mehr kontrollierbar (eindämmbar) und wird sich weiter ausbreiten, was auch das Expositionsrisiko für USA- und Kanada-Reisende steigen lässt.

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Was nach dem Einschleppen des A/H1N1-Virus passieren wird, zeigt das Beispiel des UK. Initial traten nur einige wenige Fälöle bei reiserückkehrern und beio deren Falilienangehörigen auf. Diese Ausbrüche (Cluster genannt) konnten durch Isolations- und Quarantänemassnahmen am Anfang noch kontrolliert und die unkontrollierte Ausbreitung des A/H1N1-Virus in der Bevölkerung verhindert werden. Es braucht jedoch nur einen Fall, der nicht erkannt wird (da er zum Beispiel nicht schwer erkrankt ist und daher den Arzt nicht aufsucht), dass sich das Virus unerkannt in der Bevölkerung festsetzen kann. Ein Hinweis, dass dies in dem UK nun geschah, ist die Ansteckung zweier Personen in Griechenland, welche als einzige Exposition eine Reise in das UK angaben.

Es scheint uns nur eine Frage der Zeit, bis sich die A/H1N1-Grippe auch in weiten Teilen Europas ausbreiten wird.

Die nebenstehende Abbildung zeigt die Anzahl neu diagnostizierter Fälle pro Woche.

Da stellt sich nun die Frage, ob die Warnung vor der Gefährlichkeit dieser kommenden Grippewelle übertrieben war. Einerseits ist natürlich die medaile Berichterstattung in einer Situation wie dieser entscheidend, welche informativ, aber nicht reisserisch sein sollte. Seit bekannt wurde, dass das A/H1N1-Virus nicht zu einer übermässigen Sterblichkeit führt, scheint das mediale Echo drastisch abgenommen zu haben. Es ist aber klar zu früh, Aussgaen über die Gefährlichkiet des A/H1N1-Virus in Zukunft zu machen. Die initiale Reaktion und Informationspolitik Mexikos wird in Fachkreisen sehr geschätzt und gelobt. Es ist viel sinnvoller, bei einem Ausbruch eines neuen Grippevirus zunächst vom "worst case szenario" auszugehen, als später festzustellen, dass eine mangelnde Achtsamkeit und bagatellisierende Unterschätzung der Lage zu einer raschen und unkontrollierten Ausbreitung eines gefährlichen Grippevirsu führte.

Auch wenn zur Zeit davon ausgegangen wird, dass das A/H1N1 Grippevirus nicht hoch virulent  ist (in Bezug auf "krank machen" und Ansteckungsrate), so kann sich dies schlagartig ändern. In vergangenen Pandemien wurde häufig beobachtet, dass die erste Grippewelle relativ milde verlief, und eine zweiten Welle, nachdem sich das Grippevirus an den Menschen angepasst hatte, fatale Folgen hatte. Noch ist daher bezüglich des A/H1N1-Virus alles offen – es kann sowohl wieder verschwinden, aber auch fatale Auswirkungen in der (nahen) Zukunft haben.

Allen Grippeviren, welche eine Pandemie verursacht haben, sind einige Merkmale eigen, welche wir teilweise auch am A/H1N1-Virus beobachten:

  • es handelt sich um ein genetisch "neues" Virus, gegen welches in der Bevölkerung weitgehend keine Abwehrantwort besteht,
  • es werden mehr Todesfälle bei jungen, meist ansonsten Gesunden beobachtet, im Gegensatz zur saisonalen Grippe, welche die meisten Todesfälle bei Älteren fordert,
  • die Pandemie (zumeist die erste Welle) tritt ausserhalb des saisonalen Grippezyklus auf,
  • das Virus hat eine höhere Übertragungsrate als die saisonale Grippe,
  • es treten meherer Grippewellen auf, welche in verschiedenen geographischen Regionen unterschiedliche Folgen haben.

Die ersten drei Punkte sind für das A/H1N1-Virus klar erfüllt, die Übertragungsrate kann noch nicht abschliessend beurteilt werden, da die Datenlage zur Zeit noch unvollständig ist. Aber auch wenn die Rate zur Zeit nicht höher als die der saisonalen Grippe ist, so kann sich dies in Zukunft ändern. Der letzte Punkt wird nur retrospektiv durch die Medizinhistoriker beurteilbar sein.

Wichtig ist zu realisieren, dass eine Grippepandemie ein dynamischer Prozess ist. Wie sich das A/H1N1-Virus in Zukunft entwickeln wird, ist unbekannt, und alle renommierten Grippeforscher wagen keine Voraussage – die einzige übereinstimmende Meinung ist: alles ist möglich, da die Entwicklung von Grippeviren und -epidemien nicht voraussagbar sind. Daher ist es sicher nicht angebracht, die Aufmersamkeit zum jetzigen Zeitpunkt, in dem wir den Eindruck haben, dass sich das A/H1N1-Virus auch in Europa festsetzt, zu verlieren – es könnte böse Folgen  haben (muss aber nicht).

 

 

 

The only thing certain about influenza viruses is that nothing is certain.

Daten zur Klinik finden Sie in unserem vorletzten Update.

Nähere Informationen zu Fallzahlen und Lagebeurteilung einzelner Behörden:
WHO
CDC
ECDC
BAG

 

 

Weitere Informationen: