Geh nicht mit nassen Haaren raus

 

Erkältung, «grippaler Infekt» und Grippe – was wissen wir eigentlich über
Entstehung, Ausbreitung und Prophylaxe? Was lässt sich in der Praxis umsetzen?

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Dr. Matthias Schlegel, Kantonsspital St. Gallen / 26. Februar 2009
*deutsch

Mythen und Fakten zu Infektionen der oberen Luftwege:

Der Begriff Infektionen der oberen Luftwege ist ein Syndrom, das sich mit verschiedensten klinischen Erscheinungen präsentieren kann, z.B Common cold, Influenza etc. Ausgelöst durch über 300 Viren oder Subtypen von Viren. Das Krankheitsbild wird durch direkte zytotoxische Effekte der Viren und durch die  Immunantwort des Wirtes geprägt. Infektionen der oberen Luftwege sind eine häufige Erkrankung, sie machen bis zu 25% der Arztbesuche aus, konsumieren medizinische Ressourcen und sind selbstlimitierend.
Der Mythos Nässe und Kälte machen krank, die Übertragungswege -und Formen, der Schutz vor Übertragung, Händehygiene, pandemische Grippe und Impfung wurden im Folgenden näher beleuchtet.

Kälte und Nässe:

Was ist nun Wahres dran an der so häufigen Meinung, dass Nässe und Kälte uns krank machen und wir uns erkälten?
Eine interessante Beobachtung wurde bereits 1930 in Spitzbergen gemacht. 500 Einwohner waren einen Winter lang eingeschlossen, es traten keinerlei Symptome einer Erkältung auf. Mit dem Ankommen des ersten Schiffes, beladen mit Post und Bergleuten, kamen auch die Erkältungskrankheiten. An Bord des Schiffes war nämlich ein Passagier mit einer Erkältung, daraufhin erkrankten knapp 400 Einwohner innerhalb eines Monates.
Um dieser Fragen nach Kälte und Nässe weiter nachzugehen, wurden diverse weitere Versuche, v.a an Studenten ("zwar nicht optimal, aber günstig und gute Verfügbarkeit") durchgeführt.
Das Fazit all dieser z.T sehr amüsanten Arbeiten war, dass Kälte und Nässe alleine nicht ausreichen um dei Symptome einer Erkältung hervorzurufen, sondern zusätzlich ein infektiöses Agens vorhanden sein muss. Möglicherweise wird eine Erkältung aber begünstigt, da Kälte und Nässe eine Vasokonstriktion der Haut und Schleimhäute verursacht, dadurch eine eingeschränkte Abwehr an der Eintrittstelle besteht und eine mögliche bereits bestehende Besiedelung zu einer Infektion führt.

Übertragung:

Entweder durch die Luft (Tröpfchen oder Aerosol) oder direkten resp. indirekten Kontakt.
– Versuch mit einem Probanden in der Bar; Nasensekret in der Aperogebäckschale, am Tresen, an der Klinke zur Toilette….. 
– Luftübertragung: Unterschied zwischen Tröpfchen und Aerosol. Tröpfchen sind schwerer (Kern plus Wasserhülle), Übetragung bis 1,5 Meter, typischerweise: Mumps, Röteln, "Erkältungsviren", Influenza.
Aerosol (Kern ohne H2O): typischerweise Varizellen, Maser, Tbc (z.T aber auch Influenza).
Aber nicht nur die Art, resp. der Weg, sondern auch Wirtsfaktoren und Faktoren der Luft beeinflussen die Übertragung, so z.B der "Ort der Infektion" Lunge oder HNO Bereich oder die Luftfeuchtigkeit und Temperatur.

Wie schützen wir uns und Andere ?

Stichwort Masken; wir unterscheiden zwischen den sogenannten Mundnasenschutz (MNS) ="Chirurgischen Masken" und den Partikelfiltrierenden Masken="Tb Masken". Wie der Name bereits sagt, schützen die Ersteren vor Tröpfchen übertragbaren Erkrankungen, die Letzteren vor Aerosol übetragbaren Erkrankungen.
Masken schützen den Träger insgesamt vor Luftübertragenen Krankheiten und schützt auch das Gegenüber, wenn der Maskenträger selbst eine "Erkrankungsquelle" ist.
Stichwort Händehygiene; Das Händeschütteln ist ein wichtiges kulturelles Ritual, trotz Wissen der möglichen Übertagung von Keimen durch diesen Vorgang. In einem Versuch wurden bei 20 Medizinalpersonen (gegen Grippe geimpft) die Hände mit 1ml infektiöser H1N1 Viruslösung kontaminiert. Nur schon das Waschen der Hände mit Seife und Wasser genügte um die Viren von den Händen zu eliminieren, denselben Effekt hatte die Händedesinfektion. (Grayson et al, CID 2009).

Pandemie:

Wann kommt die nächste Pandemie? Spanische Grippe H1N1 1918, Asiatische Grippe H2N2 1957/8, Hong Kong Grippe H3N2 1968/70, HxNy ????.
Die nächste Pandemie wird die ganze Bevölkerung weltweit erfassen, es wird ein "neues Influenzavirus" sein und die Pandemie wird sich sehr rasch ausbreiten (….so rasch, wie das schnellste Fortbewegungsmittel). Das enge Zusammenleben von Geflügel, Säugetieren und Mensch, sowie die Mobilität haben Einfluss auf die Entstehung und Ausbreitung einer Pandemie.
Wichtige Überlegungen: Man ist bereits vor Auftreten der Symptome ansteckend, es wird viele Patienten über einen langen Zeitraum geben, es gibt Personalausfälle, Betreuungs – und Versorgungsengpässe etc.
Massnahmen: "Social distancing", Hygienische Massnahmen, Medikamentöse Prophylaxe, Präpandemische Impfung -> Ziel: Es ist Pandemie und keiner wird krank.


Die Präpandemische Impfung:

Bei Ausbruch , d.h Mensch zu Mensch Übertragung, wird die gesamte Bevölkerung geimpft. Je nach pandemieverursachendem Virus und zu erwartender Kreuzimmunität erfolgt die Herstellung eines pandemischen Impfstoffes.
Der Präpandemische Impfstoff wurde bereits an 4000 Probanden getestet. Das BAG hat 8 Mio Impfdosen von GSK eingekauft. Frage nun, wie wirkt sich die Präpandemische Impfung auf die berufstätige Bevölkerung aus, gibt es Nebenwirkungen (NW), Berufsausfälle und ist eine Massenimpfung durchführbar?
Diese Fragen werden durch die laufende Studie, die von der Infektiologie KSSG durchgeführt wird, beantwortet werden.
Sollten sie Interesse haben und teilnehmen wollen unter: www.flu-vaccine.ch finden sie weitere interessante Informationen und die Möglichkeit an der Studie teilzunehmen.