Anale intraepitheliale Neoplasien bei HIV-infizierten Frauen: wie häufig? Konsequenzen?

Eine aktuelle amerikanische Studie weist eine hohe Zahl von analen HPV-Infektionen und konsekutiv ein erhöhtes Risiko für anale intraepitheliale Neoplasien bei HIV-positiven Frauen auf.  Das wirft Fragen auf. Sind die Zahlen so generalisierbar? Was sind die Konsequenzen?

Die Inzidenz von Analkrebs bei HIV- Infizierten nimmt zu, insbesondere unter homosexuellen Männern (dazu auch der Infektweb-Artikel vom 9.9.08: Analkrebs bei HIV: Screening von Frühformen – sinnvoll? bei wem? und wie durchgeführt?). 

Aber auch bei HIV-infizierten Frauen ist die Inzidenz von invasivem Analkrebs 7-28 mal grösser als in der allgemeinen Bevölkerung. Eine amerikanische Studie ist den Ursachen nachgegangen (Hessol et al, AIDS 2009). Dabei wurden aus einer grossen Kohorte HIV-infizierter Frauen 470 Frauen rekrutiert, die keine Vorgeschichte von "high grade" analen intraepithelialen Läsionen oder Analkrebs hatten. Es wurden halbjährlich eine Befragung, externe anale Untersuchung,  anale Zytologie und bei auffälligen Befunden eine Anoskopie und Biopsie durchgeführt.

Verglichen mit einem bezüglich Vorgeschichte vergleichbaren HIV-negativen Kollektiv fand die Studie: 

  • Analer Geschlechtsverkehr war in beiden Kollektiven gleich häufig (47% unter HIV-positiven, 46% unter HIV-negativen Frauen) 
  • HIV-positive Frauen zeigten deutlich häufiger eine abnormale Abstrichbefunde (Zytologie) vom Analbereichs (31% versus 9% bei den HIV-negativen Frauen)
  • 80% (versus 50%) der HIV-pos. Frauen haten einen analen HPV-Befall, davon 44% mit onkogenen HPV-Subtypen (versus 17%)
  • Damit lag die anale HPV- Infektrate deutlich über der cervicalen HPV-Infektrate (45% bei HIV-positiven Patientinnen, 15% bei HIV-negativen).

Weshalb mehr HPV-Infektion bei HIV-Positiven?
Wie erklärt sich diese hohe anale HPV-Befallszahl, zumal sich zeigte, dass eine anale HPV-Infektion auch ohne früheren analen Geschlechtsverkehr stattfinden kann? Entweder ist eine anale HPV- Infektion tatsächlich häufiger, oder sie ist ausgeprägter und damit einfacher zu diagnostizieren. Dabei ist die "Autoinfektion", also Übertragung von der cervicovaginalen Schleimhaut zur analen Schleimhaut, sicherlich möglich.

HPV führt zur bösartigen Veränderung
Die analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) wurden in "Low grade" (LGAIN) und "high grade" (HGAIN) eingeteilt. Dabei waren LGAIN sowohl mit onkogenen, wie auch nicht-onkogenen HPV-Subtypen assoziiert, HGAIN hingegen mit onkogenen HPV-Stämmen. Bei HIV-positiven Frauen errechnete sich, dass ein analer HPV-Befall 7.6 mal häufiger zu einer HGAIN führt als ohne HPV-Befall.

Weder eine antiretrovirale Therapie, noch die HI-Viruslast zeigten Auswirkungen auf das Risiko einer AIN; allerdings könnte durch Anpassung auf die aktuellen CD4- Werte der positive Einfluss der HAART eingeschlossen worden sein.

Kommentar:

  • Das routinemässige gynäkologische Screening von HIV-positiven Frauen ist etabliert. Die oben genannten Zahlen bezüglich der cervikalen HPV- Prävalenz unterstreichen einmal mehr dessen Wichtigkeit.
  • Sind die genannten Zahlen über analen HPV-Befall bei (US-amerikanischen) Frauen so generalisierbar? Könnten unterschiedliche HPV-Prävalenzen wie auch u.U. Unterschiede in den Sexualpraktiken diese hohe HPV-Rate des US-Kollektives erklären? Müssten wir andernfalls nicht in der Schweiz bereits deutlich häufiger Fälle von Analkrebs bei HIV- pos. Frauen gesehen haben?
  • Welche offiziellen Schlussfolgerungen bezüglich Risikomanagement des analen  HPV- Befalls bei Frauen soll gezogen werden? Zu diskutieren ist, ob analog zum Screening bei HIV-positiven Männern auch HIV-positive Frauen bei Eintritt und möglichst einmal jährlich "routinemässig" folgende Untersuchungen haben sollten: 

    • Fragen nach vorbekannten/vorbehandelten analen intraepithelialen Läsionen 
    • Fragen nach Beschwerden am Analkanal wie Schmerzen, Brennen oder Blutabgang;
    • perianale Inspektion; 
    • regionale Lymphknotenkontrolle;
    • rektale Palpation.
  • Der Stellenwert eines Bürstenabstrichs im Analkanal ist unklar; daher dürfte das verlässlichste Ergebnis erreicht werden, wenn bei auffälligem Untersuchungsbefund u/o auffälliger Anamnese eine Anoskopie mit ggf. Biopsie durchgeführt wird.

Quelle: Hessol et al, AIDS 2009; 23:59-70