Update Gelenksprotheseninfektionen (or: the Swiss way goes to America)
Die amerikanischen Widerstände gegenüber einer Belassung einer infizierten Gelenksprothese (unter bestimmten Bedingungen, s.u.) könnten sich künftig vermindern – glaubt man an den positiven Effekt der 2 Schweizer Referenten W. Zimmerli und A. Trampuz. Unterstützung gibt’s diesbezüglich bereits vorbestehend in schriftlicher Form: die im Jahre 2004 im NEJM publizierten Empfehlungen finden sich im "Sanford" (Papierform 2008: S. 29).
Definitionen und Epidemiologie
Von einer akuten Protheseninfektion wird bei einer Infektmanifestation bis zu 3 Monate, von einer verzögerten (low grade) bis zu 24 Monate und einer späten Infektion, meist hämatogen bedingt, ab 2 Jahren gesprochen. Das Infektionsrisiko beträgt bei Hüftprotheseneingriffen 1%, bei Knieprothesen <2% und bei Schulterprothesen bis 3%. (Das Infektionsrisiko eines fixateur externe beträgt 5-10%.)
Diagnostik (D.R. Osmon und R. Patel, Rochester MN/USA)
Allgemeines
Die Diagnostik einer Protheseninfektion ist einfach, wenn eine Fistelbildung, intraoperativ Eiter, eine klar pathologische Bildgebung oder erhöhte Leukozyten im Gelenkspunktat bestehen. Hiermit werden aber nur 25% der Protheseninfektionen diagnostiziert. Schwieriger wird es, wenn mit allen Untersuchungsmethoden die Frage nach einer zugrundeliegenden Infektion bestehen bleibt. Deshalb nachfolgend einige Grundlagen und Entscheidungshilfen:
Anamnestische Vortestwahrscheinlichkeit einer Protheseninfektion
Die Vortestwahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn anamnestisch ein persistierender Schmerz seit dem operativen Eingriff vorhanden war. Zudem besteht eine odds ratio von um 35 im Falle einer Wundheilungsstörung nach Prothesenimplantation! Mehrere stattgehabte, aufeinanderfolgende operative Eingriffe bilden ebenfalls eine gute Vortestwahrscheinlichkeit.
Biologische präoperative Parameter
Leukozyten im Blut haben eine schlechte Sensitivität und Spezifität. Hingegen ist das CRP hoch sensitiv und ordentlich spezifisch nach primärer postoperativer Wertnormalisierung (nach unkomplizierter Arthroplastie innert 3 Wochen postoperativ). Dabei zeigt sich ein positiv prädiktiver Wert von 85% ab einem CRP-Wert von >13.5mg/l (und BSR >30mm/1.h). Spät auftretende Schulterprotheseninfektionen (bei denen naturgemäss aetiologisch wenig virulente Keime, zu 60% propionibact. acnes, dann Kultur negative überwiegen, nur zu 15% SAU und zu 10% SKN) bilden eine Ausnahme: hier weist das CRP mit um 33% eine geringe Sensitivität auf. Der von Trampuz et al. (Am J Med 2004) beschriebene cut off der Leukozyten aus dem Gelenkspunktat von 1700/mm3 resp. eine Neutrophilie von 65% weist eine Sensitivität von 94 resp. 97% und eine Spezifität von 88 resp. 98% auf und hat sich gemäss weiteren Studien in etwa bestätigt (Leuk 1100/mm3 resp. Neutrophilie von 61% weisen eine Sensitivität und Spezifität von um 91% auf). Das Grampräparat weist lediglich eine Sensitivität von 0-12% auf. Nuklearmedizinische Verfahren sind teuer und können bis 2 Jahre nach durchgeführter Arthroplastik falsch positiv sein (schlechte Spezifität). Ab dann haben sie (inkl. PET) v.a. bei der Hüftprothese eine gute Spezifität mit guter Sensitivität. Die Kombination von CRP (/BSR), Gelenksaspiration und Bildgebung ergibt erwartungsgemäss eine Erhöhung der Sensitivität.
Biologische intra- und postoperative Diagnostik
Minimal wird die Entnahme von 3 Gewebsproben an verschiedener oder klinisch verdächtiger Stelle zuhanden einer bakteriologischen Untersuchung gefordert. Die Sensitivität steigt mit zunehmender Probenanzahl und Dauer der Bebrütung (bis 14d). Bei einer Probenanzahl von n=3 besteht eine Sensitivität von 65% und eine Spezifität von 99.6%. Der prädiktive Wert der Sonifikation (Prothese wird in sterilem Behälter ins Labor geschickt, dort Keimgewinnung durch Sonifikation, dann Bebrütung) ist im Vergleich zur direkten Kultur von Gewebsproben um bis zu 65% höher. Es wird von einer Sensitivität von 91% ausgegangen. Ein erheblicher Anteil dieser vermehrten Sensitivität im Vgl. zur herkömmlichen kulturellen Diagnostik tragen Propionibakterien und Infektionen unter bereits installierter antibiotischer Therapie bei. Die kumulative Sensitivität der Histologie beträgt 75%, die kumulative Spezifität >90%. Besteht unter korrekten Bedingungen (keine präoperative Antibiotikagabe, mehrere Biopsien an richtiger Stelle etc.) ein negatives Kulturwachstum, muss nebst der Differentialdiagnose eines fehlenden Infekts an langsam oder anaerob wachsende Keime oder im Falle von Granulomen an Tuberkulose (persönliche Anamnese?) oder an einen Pilz (zuvor lange unter Antibiotika?) gedacht werden. Eine eubakterielle PCR weist eine gute Sensitivität und eine schlechte Spezifität mit hoher falsch pos. Rate auf. Aktuell mehr experimentellen Charakter hat die unterschiedliche Gen-Expression von Leukozyten in Abhängigkeit des zugrundeliegenden Entzündungsprozesses (z.B. bakt. Infekt vs. Gicht).
Behandlungsstrategien (A. Trampuz und W. Zimmerli, Basel und Liestal, CH)
A. Trampuz erinnerte an eine verbesserte Prognose, je früher sich der Patient ab Symptombeginn meldet und interveniert werden kann. Er wies auf die Problematik des Biofilms hin (s.o.) und auf das bisher gegen den Biofilm einzig aktive Antibiotikum Rifampin (nur als Kombinationsbehandlung mit anderem, gegen Staphylokokken wirksamem Antibiotikum) hin.
Den amerikanischen und asiatischen Kollegen wurde der uns bereits bestens bekannte (und in der Schweiz akzeptierte) Behandlungsalgorhythmus gemäss Publikation im NEJM 2004 vorgestellt. Die Daten wurden zwischenzeitlich auch an anderen Zentren validiert (Trebse R, Pisot V, Trampuz A, JBJS 2005).
Die bekannten Indikationen zur Prothesenretention sind Symptome, die weniger als 3 Wochen andauern, weitgehend intakte Weichteilverhältnisse, fest sitzende Prothese und (auch oral) gut zu behandelnde Keime. Bei länger dauernden Symptomen oder lockerer Prothese wird ein einzeitiger Prothesenwechsel empfohlen. Das Prothesenalter hingegen hat keinerlei Einfluss auf die Prognose. W. Zimmerli betonte die erfolglosen therapeutischen Aussichten betreffend einzeitigem Prothesenwechsel unter der Voraussetzung eines Rifampicin resistenten Staphylokokken, sonstig schwierig zu behandelnden Keimen und fehlendem Debridement (ohne Debridement wird auch bei ansonsten günstigen Voraussetzungen ein Misserfolg von 65% erkauft!). Auch eine Fistelung zeigt mit einer OR von 2.84 bei einzeitigem Prothesenwechsel einen Behandlungsmisserfolg an. In all diesen Fällen muss ein zweizeitiger Prothesenwechsel durchgeführt werden.
Ergänzende Kommentare (W. Zimmerli, Liestal, CH)
- Wahrscheinlich spielt bei Staphylokokken die Art des Chinolons eine untergeordnete Rolle.
- Die Kombination eines Chinolons mit Rifampicin funktioniert auch bei MRSA.
- Linezolid (bakteriostatisch, schneidet im Vergleich zu Levofloxacin etwas schlechter ab), Daptomycin und Dalbavancin als Behandlungsoptionen bei Staphylokokken (in Kombination mit Rifampin) figurieren ebenfalls schon in entsprechenden Richtlinien.
- Bei verzögerter Diagnosestellung oder Eiterbildung sollte die offene chirurgische Revision einer arthroskopischen Intervention vorgezogen werden.
- Bei Symptomen eines Wundinfekts sollte möglichst rasch ein chirurgisches Debridement (inkl. bakterielle Diagnostik) erfolgen, und dann erst mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden.
- Protheseninfektion mit Propionibakterien: initial iv Betalactam, dann Clindamycin oder Amoxicillin und Rifampicin