M. Crohn: eine infektiologische Erkrankung?

M. Crohn tritt familiär gehäuft auf. Innerhalb von Crohn-Kollektiven bestehen viele gemeinsame genetische Determinanten, was die Expression verschiedener Schlüssel-Proteine (z.B. Oberflächenrezeptoren) betrifft. Allerdings zeigt sich seit den 40-er Jahren ein steiler Anstieg der Inzidenz. Sind demnach äusserlich erworbene Faktoren wie invasiv adhärente e. coli (IAEC) und M. avium subsp. paratuberculosis (MAP) entscheidender? Die nachfolgenden spannenden Vorträge bekannter Forschen geben die facts und Argumentarien wieder.

Genetische Basis
R. Duerr (Pittsburgh, PA/USA) stellte den genetischen Hintergrund in den Vordergrund und betonte, dass nur etwa 0.1% des menschlichen Genoms für phänotypische menschliche Diversität verantwortlich ist. Weisse (und hierunter Juden) weisen eine höhere M. Crohn-Prävalenz auf als Schwarze und als Asier. Bei 5-20% der Betroffenen kann betreffend chron. entzündlicher Darmerkrankung eine positive Familienanamnese erhoben werden. Bei 75% derjeniger mit pos. Familienanamnese findet sich entweder ein M. Crohn oder eine colitis ulcerosa, bei den restlichen 25% beide Erkrankungen. Bei eineiigen Zwillingen zeigt sich für M. Crohn eine höhere Konkordanz als für Colitis ulcerosa.

Im Jahre 2001 wurde als eines der Schlüssel-Proteine der intestinale Rezeptor NOD2 (nucleotide-binding oligomerisation domain, s.u.) beschrieben. NOD2 wird durch Mucosazellen und im Cytosol Antigen präsentierender Zellen exprimiert und geht eine Bindung mit Mikroorganismen ein (Erkennung von Fragmenten von Peptidoglycianen inkl. Muramyl Dipeptid). Es folgte die Identifikation des genetischen locus. Etappenweise wurden anhand von M. Crohn-Datenbanken weitere genetische Determinanten untersucht und gefunden, bis dato sind 32 verantwortliche Gene (sowie deren Polymorphismen und Mutationen)  beschrieben worden (Achkar JP, Duerr R.: Curr Opin Gastroenterol. 2008).

Uebermässige Entzündungsprozesse
W. Strober (Bethesda, MD/USA) stellte pathophysiologische  Prozesse auf der zellulären Ebene vor: Als Trigger der übermässigen Entzündungsreaktion werden intestinale Commensalen oder Pathogene postuliert. Ueber toll like receptors (TLR) oder non toll like receptors (NTLR, hierunter zählt auch NOD2) werden die dentritischen Zellen der lamina propria aktiviert, diese migrieren und stimulieren T-Zellen, migrieren zurück und es erfolgt eine inadäquate, übermässige  Zytokinproduktion mit lokalen, entzündlichen Schleimhautveränderungen. Diese mucosale Immunantwort weist sowohl angeborene (z.B. sensing über TLR-2 an der Antigen-präsentierenden Zelle) wie adaptative (MHC-abhängige Interaktion der Antigen-präsentierenden Zelle mit T-Lymphozyt) Mechanismen auf. Sind nicht mit M. Crohn assoziierte codierende Gene vorhanden, kommt es nicht zur übermässigen Zytokinproduktion. Phänotypisch spielt der NOD2-Rezeptor eine zentrale Rolle: Krank wird, wer keinen, oder einen defekten NOD2 hat.

Ist e. coli schuld…? (A. Darfeuille-Michaud, Clermont-Ferrand, F)
Auf Ebene des möglichen ursächlichen Pathogens (welches dann z.B. an NOD2 bindet) werden einerseits adhärent invasive e. coli (AIEC) diskutiert. Sie sind bei M. Crohn prädominant mit Präferenz im Ileum. AIEC finden sich mit Vorliebe mucosa-assoziiert in der Lamina muscularis und haben eine ausserordentliche Fähigkeit, intrazellulär innerhalb von Makrophagen zu persistieren und zu überleben. Sie vermögen sich – wie andere intrazelluläre Bakterien auch – der Phagolyse zu entziehen. Als Reaktion produzieren Makrophagen sehr hohe Cytokinmengen (s.o.). Werden Lysosomen mit ph neutralisierenden Reagentien behandelt, wird in der Folge eine geringere Zytokinproduktion beobachtet.

Als Virulenzfaktoren von e. coli gelten Pili (Typ 1), Flagellen (v.a. LF82), Lipoprotein Yfgl und OmpC (äussere Membran). Intestinale Commensalen weisen keine Flagellen und keine Typ 1 Pili auf, hingegen durchaus OmpC. Im Tierversuch (Maus) vermag AIEC die klinischen Symptome eines M. Crohn zu aggravieren mit Tendenz zur Hämorrhagie, pathohistologisch besteht eine vermehrte Schleimhautdestruktion. Aus pathophysiologischer Sicht besteht ein Teufelskreis aufgrund durch AIEC induzierte, vermehrte Exprimierung des Rezeptors CEACAM6: Dieser begünstigt seinerseits die Aufnahme von AIEC, durch die intrazellulär persistierenden AIEC kommte es zur oben beschriebenen vermehrten Cytokinproduktion, welche den CEACAM6-Rezeptor hochregulieren.

… oder Mycobacterium avium? (J. Hermon-Taylor, London, UK)
Eine weitere Theorie betreffend ursächlichem Pathogen betrifft das Mycobakterium avium subsp. paratubererculosis (MAP). Anhänger dieser Theorie sprechen den genetischen Veranlagung (s.o.) einen geringeren Stellenwert zu, da die Inzidenz von M. Crohn erst seit dem 2. Weltkrieg steil zunimmt und damit eher für einen ursächlichen Umweltfaktor spricht. MAP befällt den Darm von Pferden, Schweinen, Hasen, Hühnern, Bären und Primaten und kann dort für Jahre persistieren, ohne krank zu machen. In Grossbritannien sind 57% dieser Tiere mit MAP kolonisiert („subclinical infection“). In den USA konnte eine Durchseuchung (Nachweis im Stuhl) von bis zu 95% innerhalb von Herden mit engem Kontakt festgestellt werden. Tiere können an MAP erkranken („Johne’s disease“, Beschreibung seit dem 19. Jh.). Der Keim gelangt mit den Faeces in die Umwelt und in den Wasserkreislauf., welchem nicht nur das Tier, sondern auch der Mensch ausgesetzt ist. MAP ist auch in pasteurisierter Milch nachzuweisen (z.B. USA: bis zu 2.8%).

Innerhalb von Tiergattungen gibt es verschiedene MAP-Stämme. Beim Menschen handelt es sich wiederum um einen anderen Stamm, der ebenfalls den Darm befällt. Dort persistiert MAP in niedriger Zahl intrazellulär und umgeht damit einer effektiven Elimination durch das Immunsystem (Scanu AM et al., J Clin Microbiol 2007). Bei Patienten mit M. Crohn wird MAP deutlich vermehrt in den jeweils entzündlich veränderten Schleimhaut nachgewiesen. Dort wo sonst beim Menschen der Nachweis mittels Kultur und PCR versagen, ergeben diese Methoden beim Crohn-Patienten einen positiven Befund (Naser SA et al., Lancet 2004; Schweizer Metaanalyse: Feller M et al., Lancet Infect Dis 2007). Die meisten M. Crohn-Patienten sind Träger von MAP!
 
Ist es möglich, dass MAP beim Menschen M. Crohn verursacht? Auch wenn diesbezügliche prospektive Studien noch rar sind (Selby WS, Lancet 2004) und die oben erwähnte Schweizer Metaanalyse die Kausalität in Frage stellt, beantwortet J. Hermon-Taylor diese Frage eindeutig mit ja. MAP vermag bei Tieren eine Downregulation von MHC l und ll zu bewirken. Damit wird lokal die Immunantwort gemindert. Das ursprüngliche Gleichgewicht zwischen enteraler Keimkolonisation (Enterobacteriaceae) und Immunabwehr kommt aus dem Lot, die Invasivität von e. coli und damit die Destruktion der Schleimhaut werden begünstigt (s.o.). Fallbeschreibungen berichten von nahezu Heilungen von M. Crohn unter Behandlung mit Rifampicin und Clarythromycin. Es laufen diesbezüglich Pilotstudien. Auf immunologischer Ebene gilt Diarylquinoline (TMC 207 Tibotec) als vielversprechend: es inhibiert das atpE-Gen und damit als Produkte der MAP die ATP-Synthetase MAP 2456c und Dihydrolipoamideacetyltransferase. Zudem gibt es bereits einen anhand von Mäusen erfolgreich (immunogen) erprobten Impfstoff gegen MAP (Bull T.J. et al., PLoS one 2007). Derartige Massnahmen könnten beim Menschen den Effekt einer Chemotherapie verstärken.