Erholung des Fettabbaus durch Umstellung der ART ?

Die HIV-Therapie war früher oft mit einem ästhetisch störenden Abbau des Fettgewebes im Gesicht und an den Extremitäten verbunden (Lipoatrophie). Für diese Nebenwirkung sind die gewisse Nukleosid-Analoga (NRTI) verantwortlich. In einer interessanten Studie, dem NoNuke Trial, wurde untersucht, ob ein NRTI sparendes Konzept eine Änderung im subkutanen Fettgewebe bewirkt.

Die Ursache für die Lipoatrophie sind Nebenwirkungen der NRTI an den Mitochondrien, wobei die neueren NRTI (3TC, ABV, TDF) kaum noch Mitochondrien-schädigende Wirkungen zeigen. Neben der Lipodystrophie können die NRTI auch einige Stoffwechselstörungen, wie Diabetes oder ein vermindertes Ansprechen auf Insulin (Insulin-Resistenz) verursachen. Die Mitochondrien sind Energiebausteine der Zellen, daher kann ein Schaden diverse Konsequenzen haben, wie Laktatazidose (Anstieg von Milchsäure wegen Energiemangel im Gewebe), Neven- und Leberschäden und weitere Symptome.

Die genannte Studie hat bei Personen mit Lipoatrophie untersucht, ob sich ein Jahr nach Absetzen der NRTI das Fettgewebe wieder erholen kann. 

Es wurden 100 Patienten rekrutiert, wovon 50 ihre Therapie fortsetzten und die anderen 50 eine Therapie ohne NRTI (meist Nevirapine oder Efavirenz) erhielten. Die Patienten waren durchschnittlich 6.6 Jahre unter Therapie. 71% wurden mit sog. Thymidin Analoga (Stavudine 37%, Zidovudien, 34%) behandelt. Die Dicke des Fettgewebes wurde mittels CT Untersuchung gemessen.

Veränderungen in der Dicke des subkutanen Fettgewebes
Nach einem Jahr hatte die Gruppe ohne NRTI signifikant mehr Unterhaut-Fettgewebe (Differenz 34ml). Diese Erhöhung war am deutlichsten bei den Patienten, die zuvor mit Stavudin oder Zidovudine therapiert wurden. Das Unterhaut-Fettgebwebe ist von der Mitochondrialen Toxizität am stärksten betroffen.

Veränderung im abdominalen subkutanen Fettgewege, bzw. viszeralem Fettgewebe:
Das abdominale subkutane Fettgewebe erhöhte sich ebenfalls signifikant. Hingegen zeigte sich beim viszeralen Fettgewebe ("Fettbauch") kein Unterschied in den beiden Gruppen.

Metabolische Veränderungen:
In der NRTI sparenden Gruppe fand sich ein signifikanter Anstieg der Triglycerid-(Blutfett-) Werte nach einem Jahr doch dieser Unterschied war nach 2 Jahren verschwunden. Der LDL Spiegel, der "ungünstige Anteil des Cholesterins", war nach 2 Jahren tiefer in der NRTI Gruppe, während das "gute" HDL-Cholesterin signifikant anstieg in der NRTI sparenden Gruppe. Auch der Glukosetoleranztest (Zuckerbelastung zur Früherkennung einer Insulinresistenz) war in Woche 48 waren in der NRTI sparenden Gruppe besser, es zeigte sich keine Änderung in den nüchtern Blutzuckertwerte.

Viral load und CD 4 Zellzahl:
Die Wirkung der Therapie (Virussuppression und Anstieg der CD4 Helferzellen)  blieb bei beiden Gruppen stabil.

Nebenwirkungen
Elf schwere unerwünschte Ereigneisse fanden sich im ersten Studienjahr; 2 in der NRTI Gruppe (Myokardinfarkt und arteriell Erkrankung, 9 in der NRTI sparenden Gruppe (Ovarialcarcinom, KHK, Perikarditis, Pneumonie, Malaria, Erhöhung der Transaminasen, Hypertriglyceridämie). Zehn schwerwiegende Zwischenfälle im zweiten Jahr: 2 in der NRTI Gruppe (Arthroplastie, Drogenkriminalität), 8 in der NRTI sparenden Gruppe (Hypertriglyceridämie, grippale Symptome, Pneumonie, HCV, HAV, Nephrolithiasis, Herpesvirusinfektion)

Diskussion:
Eine Erhohlung des subkutanen Fettgewebes ist durch ein Stop der NRTI Medikation möglich. In dieser Studie zeigte sich eine kontinuierliche Erhöhung des Fettgewebes von 12% nach einem Jahr, respektive 30% nach zwei Jahren. Der Gewinn an Fettgewebe war auf die Regionen beschränkt, wo vorgängig eine Lipatrophie beobachtet wurde, d.h. an den Extremitäten und am Abdomen. Leider wird nicht erwähnt, wie es sich mit der Lipatrophie im Gesicht verhält. Es kommt nicht zu einer Zunahme des viszeralen Fettgewebes, dies wurde auch mit einem stabilen BMI und Gewichtsverlauf dokumentiert.

Die Erhohlung des subkutanen Fettgewebes ist vorallem auch abhängig davon, wann die NRTI gestoppt werden. Sie sei am besten, wenn die NRTI im ersten Jahr gestoppt werden. Es wird aber auch betont, dass ABC und Tenofovir weniger Risiko einer Lipoatrophie haben.

Die deutlich erhöhte Anzahl an unerwünschten Nebenwirkungen erklären sich die Autoren damit, dass ein Wechsel eines "altbekannten" Therapie-Regimes häufig mit biologischen Nebeneffekten behaftet ist.

Wichtig ist die Tatsache, dass es bei optimal supprimierter Viruslast, auch nach Umstellung zum NRTI sparendem Regimen, zu keinem virologischen failure gekommen ist. Dies im Gegensatz zu einer anderen Studie, wo ART naive Patienten in eine NRTI sparende Gruppe randomisiert wurde und eine schlechtere virale Suppression hatten, als mit NRTI. Eine Erklärung hierfür sei möglicherweise eine tiefere Potenz, Wirksamkeit, und/oder ein geringerer "Entschuldigungsfaktor" bei nicht optimaler Adherence. 

Die Langzeitresultate der Studie legen einen Wechsel zu einem Thymidin Analoga sparendem Therapieregime nahe um eine bereits bestehende Lipatrophie zu verbessern. Der Gebrauch von d4T und ZDV ist weit verbreitet in den Entwicklungsländern. Der Zugang zu ABC oder Tenofovir ist limitiert, so dass Patienten mit vollständig supprimierter Viruslast mit Lipatrohie, oder um eine solche zu vermeiden, von einem NRTI sparendem Konzept profitieren könnten. 

Eine interessante Arbeit, die wiedereinmal zeigt wie viele Möglichkeiten einer Kombinationstherapie bestehen, insbesondere im Augenmerk auch auf die diversen möglichen Nebenwirkungen. Auch hier führen eben viele Wege nach Rom……

Quelle: Valantin et al, HIV Medicine, 20.6.2008