Nosokomiale Infekte: desinfizierte Hände schützen – genügend Hände auch

Dass Personalmangel ein Risikofaktor für eine erhöhte nosokomiale Infektrate sein könnte, erscheint logisch. Aber gibt es auch Studien, welche dies belegen und die als Rechtfertigung für die Forderung nach personeller Aufstockung herangezogen werden können?

Stone et al. von der Columbia University School of Nursing in New York sind dieser Fragestellung in einem diesen Monat im CID publizierten Review nachgegangen. Die Literaturrecherche mit den Suchbegriffen "staffing" und "infections" (u.a. in Medline und Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature) ergab ab 1990 insgesamt 354 Titel und Abstracts in englischsprachigen Journals. Darunter befanden sich 72 Studien, von denen letztlich 42 als für die Analyse geeignet ausgewählt wurden. Angesichts der unterschiedlichen Definitionen und Datenquellen sowohl für die Personalbesetzung (Stellenprozente, Pflegekräfte pro Patient, Pflegestunden pro Patient und Tag) als auch die nosokomialen Infekte (CDC-Definitionen bzw. ICD-Codes) sowie der verschiedenen Studiendesigns (cross-sectional, longitudinal, Kohorte, Case-Control, before-after) und Settings (spitalweit, Allgemein- bzw. Intensivstation) erschien eine Metaanalyse mit Berechnung gewichteter Durchschnittswerte nicht statthaft. Nichtsdestotrotz waren Trends erkennbar.

Die am häufigsten untersuchten nosokomialen Infektionen waren BSI (blood stream-infection = Bakteriämie) (n = 18; 43%), Pneumonie (n = 17; 40%) und Harnwegsinfekt (n = 17; 40%). Die Mehrzahl der Studien bezog sich auf den Zusammenhang zwischen Pflegepersonal-Besetzung und nosokomialen Infekten (n = 38; 90%). Von diesen fanden nur 7 (18%) keinen signifikanten Zusammenhang. Allerdings lässt sich das Problem offenbar allein mit mehr Personal nicht lösen. 4 Studien zeigten erhöhte noskomiale Infektraten, wenn nicht-permanentes Personal zum Einsatz kam (p<0,05). Hierbei könnten sich die folgenden Aspekte nachteilig auswirken: fehlende Integration ins Team mit entsprechenden Kommunikationsdefiziten sowie mangelnde Vertrautheit mit den Stations-spezifischen Abläufen und den Massnahmen zur Infektprävention.

Am einheitlichsten waren die Resultate, wenn Studien betrachtet wurden, welche den Zusammenhang zwischen Pflegepersonal-Besetzung und nosokomialen Infekten durch bestimmte Erreger analysierten. In 3 von 7 Fällen handelte es sich dabei um Outbreaks und in 4 von 7 Fällen um MRSA.

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In 2 von 3 Studien, welche dieser Frage nachgingen, war eine bessere Besetzung mit Hygiene-Fachpersonal mit einer niedrigeren Rate an noskomialen Infektionen assoziiert.

Bezüglich des Einflusses der ärztlichen Besetzung auf die nosokomiale Infektrate waren nur 2 Studien vorhanden. Beide zeigten keine signifikante Assoziation. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass die vom Pflegepersonal am Patienten durchgeführten Massnahmen (z.B. Oberkörperhochlagerung zur Pneumonie-Prophylaxe) bzw. Interventionen (z.B. DK-Anlage, Manipulationen am ZVK, Wundpflege) zahlreicher und für die Entwicklung nosokomialer Infekte kritischer sind.

Diskussion:

Aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der analysierten Studien war zwar als Trend erkennbar, dass Pflegepersonal-Mangel mit einer erhöhten noskomialen Infektrate einhergeht. Jedoch lässt sich aufgrund des Reviews keine ideale Pflegepersonal-Besetzung ableiten, welche mit einem verminderten Risiko für nosokomiale Infekte assoziiert ist.

Stone et al. stellen in Zweifel, dass der von Haley et al. vor über 30 Jahren empfohlene Standard von mindestens 1 Vollzeit-Hygiene-Fachperson pro 250 Betten angesichts kürzerer Hospitalisationsdauer, akuteren Patienten und höherem Risiko nosokomialer Infekte, v.a. auch durch multiresistente Erreger, heutzutage noch zeitgemäss ist. Von O’Boyle et al. wurde 2002 ein Verhälntis von 0,8 bis 1 Hygiene-Fachperson pro 100 besetzte Akutbetten vorgeschlagen.

Nosokomiale Infekte sind in Bezug auf die Patientensicherheit ein ernstzunehmendes Thema. In den USA sterben in jedem Jahr fast 90.000 Patienten an einem nosokomialen Infekt, wodurch nosokomiale Infekte in den Akutspitälern in der Todesursachen-Statistik an 5. Stelle erscheinen. Das Vorhandensein von ausreichend Pflege- und Hygiene-Fachpersonal ist gemäss Stone et al. ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Senkung der nosokomialen Infektrate. Dessen sollte sich auch die Spitaladministration bewusst sein.

Quelle: Stone et al., CID 2008;47(7):937-44