Sicherheitskultur im Gesundheitswesen

Die Luftfahrt hat schon vieles zur Verbesserung der Sicherheit getan! Kann die Medizin von der Luftfahrt lernen?

Manfred Mueller, Muenchen / 28. Februar 2008 *deutsch

Wie viel Sicherheit erhoffen wir uns im alltäglichen Leben, wenn wir ins Spital eintreten, oder ein Flugzeug betreten? Wahrscheinlich würden sie sich eine 100%-ige Sicherheit wünschen. Doch gibt es diese wirklich ? Wo Menschen sind geschehen Fehler und Irren ist Menschlich; würden Sie bestimmt entgegnen. Tatsächlich Menschen begehen Fehler. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einfachen Aufgaben alle 30 Minuten (1*103), bei schwereren Tätigkeiten alle 5 Minuten (1*10-2) und unter Stress gar alle 30 Sekunden (1*10-1) Fehler auftreten. Doch wieviele Fehler können wir uns erlauben und was können wir dagegen tun?

In Ihrem Alltag haben Sie täglich mit unterschiedlichen Risiken zu tun. Dabei gibt es Risiken welche Sie eingehen, welche einerseits Selbstbestimmt oder aber Fremdbestimmt sein können. Planen Sie beispielsweise eine Bergtour auf den Mount Everest, so gehen Sie ein 8%-iges Risiko ein, dass ein Zwischenfall eintritt. Manche Bergtouren bieten noch deutlich höhere Risiken. Hand aufs Herz wie viel Risiko würden Sie eingehen wollen; wenn Sie in ein Spital eintreten oder ein Flugzeug betreten und Fremdbestimmten Risiken ausgesetzt sind ? Die meisten Menschen würden sich in diesem Falle wohl ein tieferes Risiko wünschen. Die Risikobereitschaft ist natürlich sehr individuell und subjektiv geprägt.

In der Luftfahrt ist ein Sicherheitsziel von 1-nem Totalverlust alle 10Jahre (10-8 ) gesetzt. Dies entspricht im Vergleich zu Alltagstätigkeiten einer relativ hohen Sicherheit.

Immer wieder kommt es trotzdem zu Fehlern wie im folgenden Fall. Ein Pilot startet in Teneriffa unter schlechter Sicht und Stress das Flugzeug. Der Ko-Pilot wendet ein, dass Signal wäre noch nicht eingetroffen. Der Pilot antwortet mit "ich weiss" und beginnt seinen Startlauf. Der Ko-Pilot sagt daraufhin nichts mehr und schweigt. Der Start wird fortgesetzt und der Pilot übersieht auch das fehlende Startsignal des Fluglotsen. Die Fortsetzung der Geschichte können Sie sich bestimmt gut Vorstellen…Nunja gedacht ist eben noch nicht gesagt, gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden und einverstanden ist nicht angewandt.

Wie gross sollte denn die Hirarchie sein, damit auch gesagt wird, was gedacht wird und durchgeführt wird, was gesagt wird? Wenn Hirarchien fehlen und Anarchie herrscht, mag es lustig sein, doch nichts funktioniert mehr. Bei zu grosser Hirarchie wird ausgeführt, aber möglicherweise nicht gesagt was gedacht wird. Das ideale Mass an Hirarchie ist deshalb die goldene Mitte. Selber würden Sie sich bestimmt in die Mitte einteilen. Doch fragen Sie einmal Ihre Ehepartner und Ihre Kinder, wo diese Sie sehen.

Eine besondere Schwierigkeit die wir im Umgang mit Fehlern haben ist, dass Fehler als Verboten angesehen werden und Bestraft werden müssen. Mitarbeiter welche bei Systemfehlern ohne dass jemand zu Schaden gekommen ist, eine Bestrafung oder Entlassung fürchten, werden Fehler möglicherweise verschweigen. Deshalb wird in der Medizin mit anonymisierten Fehlermeldesystemen gearbeitet. Trotzdem zeigen Erfahrungen aus der Luftfahrt, dass auch zehn Jahre nach Einführung des Meldesystems nur 4% der Piloten Ihre eigenen Fehler melden. Hingegen besser noch als ein anonymisiertes Fehlersystem wäre eine Fehlermeldung an eine Vertrauensperson, was jedoch eine guter Umgang mit Fehlern voraussetzt.

Sowohl in der Medizin als auch in der Luftfahrt haben wir begonnen unsere Fehler aufzunehmen und daraus zu lernen, denn wo Menschen sind, da finden wir auch Fehler. Wir können uns in unserer Fehlerkultur aber noch weiter verbessern.

 

Den Vortrag von Manfred Müller (pdf-file) finden Sie hier