Linezolid vs Betalactamen und Vanco: Ebenbürtig bei Gr-pos Kokken?
Eine Metaanalyse im Lancet Infect Dis, bestehend aus 12 randomisiert kontrollierten Studien, untersuchte den outcome bei Bakteriaemien, Pneumonien sowie Haut- und Weichteilinfektionen, die durch grampositive Kokkken verursacht wurden.
Linezolid ist ein bakteriostatisches Antibiotikum mit Wirkung gegen Staphylokokken inkl. MRSA, Streptokokken und Enterokokken. Ein grosser Vorteil ist die orale Applikation mit praktisch 100-prozentiger Bioverfügbarkeit und eine exzellente Gewebspenetration. Aufgrund fehlender Sicherheitsdaten ist die Behandlungsdauer grundsätzlich auf 4 Wochen limitiert (längere Behandlungszeiten implizieren ein sorgfältiges Abwägen der Indikation unter engmaschiger klinischer Kontrolle). Da in einer offenen klinischen Studie von Katheter-assoziierten Bakteriämien bei der Linezolid-Gruppe im Vergleich zu Vancomycin, Oxacillin und Dicloxacillin eine erhöhte Mortalität auftrat (OR 2.12), sollte grundsätzlich die Indikation zu Linezolid sehr eng gestellt werden.
Die Autoren untersuchten publizierte klinische randomisierte Studien (englisch, französisch und deutsch, 1995-2005). Ausgeschlossen wurden Studien mit neutropenem und onkologischem Patientengut. Mit eingeschlossen waren nebst den zu vergleichenden Antbiotika betreffend grampos. Kokken auch zusätzliche (beispielsweise gegen gramneg. Erreger gerichtete) Antibiotika. Folgende Studien wurden identifiziert (vermutete oder bewiesene grampos. Infektionen):
Weichteilinfekte:
– 1x unkomplizierte (Cefadroxil p.o. vs. Linezolid)
– 2x komplizierte (Vancomycin –> oral semisynthet. Peni vs. Linezolid; Oxazillin –> Dicloxacillin p.o. vs. Linezolid)
– 1x komplizierte mit MRSA (Linezolid vs. Vanomycin)
– 1x diabet. Fuss (Ampicillin/Sulbactam i.v. –> Amoxicillin/Clavulansäure p.o. vs. Linezolid)
Pneumonien:
– 1x community aquired inkl. Bakteriämien (Ceftriaxon –> Cefpodoxime p.o. vs. Linezolid)
– 2x nosokomiale (jeweils Vancomycin vs. Linezolid)
Nicht differenzierte grampos. Kokken-Infektionen
– 1x auf der Intensivstation inkl. Bakteriämien (Teicoplanin vs. Linezolid)
– 2x inkl. Bakteriämien (Teicoplanin vs. Linezolid; Vancomycin –> orales Regime (meist Clindamycin) vs. Linezolid)
– 1x mit MRSA inkl. Bakteriämien (Vanocmycin vs. Linezolid).
Die intention-to-treat-Analyse ergab für die doppelblind randomisierten Studien keinen Vorteil für Linezolid gegenüber dem Vergleichsantibiotikum. Hingegen zeigte sich ein geringer aber signifikanter Vorteil für Linezolid für alle Studien zusammengenommen (Heilung in 86% vs. 82%). Dieser Vorteil erhöhte sich noch, wenn Mischinfektionen ausgeschlossen wurden.
Die Untersuchungen von Haut- und Weichteilinfektionen zeigte einen siginifikanten Vorteil von Linezolid. Ebenfalls signifikant effizienter waren die mit Linezolid behandelten Bakteriämien (81% vs. 66%), wobei in der Metaanalyse nicht auf die Art der Bakteriämie eingegangen wird. Kein Unterschied ergab sich in den Studien mit Pneumonien. Der Vergleich aller empirisch behandelten gram-positiven Infektionen zeigte zwar einen Vorteil für Linezolid im Vergleich zu allen anderen eingesetzten Antibiotika, jedoch resultierte kein Unterschied im Vergleich mit Betalactamen. Eine bessere Eradikationsrate von Staph. aureus zeigte sich durch Linezolid im Vergleich zu Glykopeptiden, kein Unterschied zeigte sich bezüglich der Eradikation von MRSA. Es fanden sich keine Unterschiede betreffend Eradikation von Streptokokken und Enterokokken.
Die Linezolid-Gruppen wiesen zwar gesamthaft mehr Nebenwirkungen auf, jedoch nicht statistisch signifikant (OR 1.4, Konfidenzintervall 0.1-2.1). Auch zeigte sich kein signifikanter Unterschied betreffend der Frequenz des Wechsels auf ein anderes Antibiotikum infolge von Nebenwirkungen. Einzeln betrachtet, fand sich eine signifikant höhere Zahl von Thrombopenien in den Gruppen mit Linezolid (OR 11.7, Konfidenzintervall 3.7-38). Nephrotoxizität oder Allergien wurden offenbar in den einzelnen Studien nicht dokumentiert. Die Mortalitätsrate unterschied sich nicht.
Der Schluss, dass Linezolid mindestens gleich gut oder gar besser als Betalactame oder Glykopeptide abschneidet, ist aber zu undifferenziert: Nicht nur, dass die herangezogenen Studien in sich und untereinander (z.B. welche Keime mit welcher Resistenz verursachen Bakteriämien?) reichlich heterogen sind. Die vermeintliche Ueberlegenheit bei Haut- und Weichteilinfektionen könnte – wie auch die Autoren selbst bemerken – durch den Wechsel im Verlauf auf orale Antibiotika in der Betalactam- und Glykopeptid-Gruppe zustandekommen. Zudem fällt die Vergleichsgruppe der Betalactame zahlenmässig im Verhältnis zu der Glykopeptidgruppe sehr dünn aus, Penicillin, Oxacillin und Cephalosporine der 1. Generation fehlen gänzlich. Eine generelle Ueberlegenheit im Vergleich zu Betalactamen geht somit mitnichten hervor. Hingegen scheint Linezolid (bei Bakteriämien aufgrund der Heterogenität der Keimart und der niedrigen Fallzahl nicht schlüssig zu beurteilen) im Vergleich zu Vancomycin gleichwertig zu sein.
Im klinischen Alltag heisst das für uns: Linezolid ist grundsätzlich eine vielversprechende Substanz gegen grampositive Keime wegen der oralen Applikationsform. Es hat aktuell den Stellenwert eines Reserveantibiotikums. Der Beweis der Ebenbürtigkeit im Vergleich zu Betalactamen gerade betreffend Bakteriämien steht noch aus (hierzu sind noch weitere Studien notwendig). Linezolid kann möglicherweise alternativ zu Vancomycin eingesetzt werden (und bekanntlich ist Vancomycin bei Bakteriämien mit MSSA Betalactamen unterlegen, vgl. Artikel von A. Witteck). Die Indikation ist aufgrund des Nebenwirkungsprofils und möglicherweise erhöhter Mortalitätsrate sehr eng zu stellen.
Quelle: ME Falagas, II Siempos, KZ Vardakas, Lancet Infect Dis 2008;8:53-66