Kein MRSA – kein Vanco

… so simple ist die Botschaft einer retrospektiven Kohorten- bzw. Fall-Kontroll-Studie, welche das Outcome von Patienten mit Methicillin-sensibler Staphylococcus aureus (MSSA)-Bakteriaemie unter Vancomycin-Therapie mit dem unter Beta-Laktam-Behandlung verglichen hat.

Die Zunahme der MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)-Prävalenz hat mancherorts dazu geführt, dass Vancomycin bereits als empirische Therapie bei grampositiver Bakteriämie eingesetzt wird. So kann es vorkommen, dass die Vancomycin-Behandlung unverändert fortgesetzt wird, obwohl kulturell ein MSSA nachgewiesen wurde. In vitro-Studien haben jedoch bestätigt, dass Vancomycin gegen MSSA weniger gut wirkt als Beta-Laktame. Diesbezüglich prospektive klinische Studien durchzuführen, erscheint deshalb ethisch kaum vertretbar. Entsprechend hat eine südkoreanische Arbeitsgruppe um Sung-Han Kim zwei sich ergänzende retrospektive Analysen durchgeführt, deren Resultate im Januar 2008 im Antimicrobial Agents and Chemotherapy publiziert wurden.

Über einen Zeitraum von 7 Jahren (1998-2006) wurden an zwei südkoreanischen Universitäts-angegliederten Spitälern (mit 1500 bzw. 900 Betten) insgesamt 294 Patienten mit einer MSSA-Bakteriämie in eine Kohortenstudie eingeschlossen (Analyse jeweils nur der 1. Staph. aureus-Bakteriämie, Ausschluss von polymikrobiellen Bakteriämien). 27 dieser Patienten wurden mit Vancomycin und 267 mit Beta-Laktamen behandelt (jeweils >75% der gesamten Antibiotikatherapiedauer).

Von den insgesamt 294 Patienten kam es in 73% (216) zur Heilung und in 2% (7) zum Relapse. Die Gesamtmortalitätsrate 12 Wochen nach Diagnosestellung lag bei 26% (76/294), wovon 19% (57/294) auf die MSSA-Bakteriämie zurückgeführt und 7% (21/294) als davon unabhängig beurteilt wurden. 84% (48/57) der MSSA-Bakteriämie-bedingten Todesfälle traten in den ersten 14 Tage auf (im Mittel 9,3 (+/- 8,9) Tage nach Beginn der Bakteriämie). Für 52% (14/27) der mit Vancomycin behandelten Patienten waren Talspiegelbestimmungen vorhanden, welche bei durchschnittlich 14,8 (+/- 6,3) ug/ml lagen.

In der Vancomycin-Gruppe waren MSSA-Bakteriämie-bedingte Mortalität (mit 37% (10/27) versus 18% (47/267), p = 0,02) und 14-Tage-Gesamtmortaltität (mit 33% (9/27) versus 15% (40/267), p = 0,03) signifikant höher als in der Betalaktam-Gruppe. Allerdings kamen bei den mit Vancomycin behandelten Patienten folgenden Charakteristika deutlich häufiger vor: vorgängiger Antibiotika-Gebrauch, kardiovaskuläre Grunderkrankung, Neutropenie und auf der Intensivstation erworbene Infektion.

Somit könnte die Effektivität der Vancomycin-Behandlung aufgrund des kränkeren Patientenguts unterschätzt worden sein. Aber auch nachdem in einer multivariaten Analyse zum einen bezüglich Faktoren, welche mit Staph. aureus-bedingter Mortalität assoziiert sind (z.B. solider Tumor, Leberzirrhose, Pneumonie), und zum anderen bezüglich Wahrscheinlichkeit eines Patienten aufgrund seiner Risikokonstellation mit Vancomycin behandelt zu werden (sog. "propensity-score") angepasst wurde, wies die Vancomycin-Therapie ein höheres Staph. aureus-Bakteriämie-bedingtes Mortalitätsrisiko auf (adjusted odds ratio 3,3 (95%-CI: 1,2-9,5, p=0,02).

Ergänzend wurden im 2. Teil der Studie zwei Fall-Kontroll-Studien analysiert (Fälle = Vancomycin-Therapie, Kontrollen = Beta-Laktam-Therapie). Die Auswahl erfolgte jeweils im Verhältnis 1:2 (27 Fälle : 54 Kontrollen).

1. Fall-Kontroll-Zuordnung gemäss objektivem Matching-Score-System (Alter, Geschlecht, Schwere der Grundkrankheit, im Vordergrund stehende Grunderkrankung, Dauer des Spitalaufenthalts vor MSSA-Bakteriämie => durchschnittlicher Score: 12,2/14 Punkten):

36/54 Fall-Kontroll-Paare hatten ein konkordantes Outcome (31 lebend, 5 gestorben), 18 Paare ein diskordantes Outcome, wobei in 17/18 Paaren der mit Vancomycin behandelte Patient starb und der mit Beta-Laktam therapierte Patient überlebte. Die MSSA-Bakteriämie-bedingte Mortalität war bei den Fall-Patienten (unter Vancomycin) mit 37% (10/27) signifikant höher als bei den Kontroll-Patienten mit 11% (6/54) (p=0,006).

2. Fall-Kontroll-Zuordnung entsprechend dem "propensity score"-System (Wahrscheinlichkeit eines Patienten aufgrund seiner Risikokonstellation mit Vancomycin behandelt zu werden):

32/54 Fall-Kontroll-Paare hatten ein konkordantes Outcome (30 lebend, 2 gestorben), 22 Paare ein diskordantes Outcome, wobei in 18/22 Paaren der mit Vancomycin behandelte Patient starb und der mit Beta-Laktam therapierte Patient überlebte. Auch hier lag die die MSSA-Bakteriämie-bedingte Mortalität unter Vancomycin-Therapie bei 37% (10/27) und unter Beta-Laktam-Behandlung bei 11% (6/54) (p=0,006)

Zusammenfassung:

  • Unterschiedliche statistische Analysen kamen somit zum gleichen Resultat:
    Bei MSSA-Bakteriämie ist Vancomycin den Beta-Laktamen unterlegen.

Konsequenz:

  • Wennimmer möglich, sollten MSSA-Bakteriämien mit Beta-Laktamen und nur MRSA-Bakteriämien mit Vancomycin behandelt werden.
  • Im Falle einer Penicillin- und Cephalosporin-Allergie soll an die Möglichkeit einer Desensibilisierung gedacht werden.

Anmerkung:

In die gleiche Richtung weist auch eine vor ziemlich genau einem Jahr im CID publizierte prospektive Studie an 123 Hämodialyse-Patienten mit MSSA-Bakteriämie (77 mit Vancomycin und 46 mit Beta-Laktamen behandelt), welche nach 12 Wochen einen kombinierten Endpunkt aus Tod und Relapse untersuchte (13% Therapieversagen in der Cefazolin- versus 31,2% in der Vancomycin-Gruppe (p=0,02), allerdings kein signifikanter Unterschied bzgl. Mortalität). (vgl. auch Artikel von Philippe Rafeiner).