Ceftobiprol – neues Breitspektrum-Cephalosporin mit anti-MRSA-Wirkung

Die weltweite Zunahme von MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) verlangt nach der Entwicklung neuer, gegen MRSA wirksamer Antibiotika. Ceftobiprol befindet sich nun im Endstadium der klinischen Erprobung.

In einer randomisierten, doppelblinden, globalen Multicenter-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit von 12stündlich 500mg Ceftobiprol i.v. und 12stündlich 1g Vancomycin i.v. (aktueller Standard bei MRSA) bei der Behandlung von durch grampositive Bakterien hervorgerufenen, komplizierten Haut-Weichteilinfekten untersucht (Therapiedauer: jeweils 7-14 Tage). Die Studie war primär darauf ausgelegt, die Nichtunterlegenheit von Ceftobiprol bezüglich Heilungsrate 7-14 Tage nach Therapieende zu zeigen.

Ausschlusskritierien waren Cephalosporin- bzw. Vancomycin-Allergie/Unverträglichkeit, schwere Nierenfunktionsstörung (Krea-Cl. <30ml/min), auf mehr als das 3fache der oberen Norm erhöhte Transaminasen, Schwangerschaft/Stillzeit, Neutropenie, HIV mit CD4-Zellzahl <200/ul, diabetischer Fuss (meist auch gramnegative Keime beteiligt), Bisswunde und resistenzgerechte Antibiotika-Vorbehandlung während 7 Tagen vor Einschluss. Die Randomisierung erfolgte stratifiziert nach den Infektionstypen: Wundinfekt, Abszess und Zellulitis, wobei der Zellulitis-Anteil auf maximal 20% beschränkt wurde. Wenn bei Patienten im Vancocin-Arm kein MRSA nachgewiesen wurde, konnte nicht auf Penicillin gewechselt werden, da andernfalls die Studien-Verblindung nicht hätte aufrechterhalten werden können. Ebensowenig war eine Umstellung auf eine perorale Therapie erlaubt.

Eine klinische Beurteilung erfolgte vor Therapiebeginn, unter Therapie (Tag 4, 8 u. 14), bei Therapieende sowie 7-14 Tage (Heilung?) bzw. 28-35 Tage (Relapse?) nach Therapieende. Die mikrobiologische Untersuchung beeinhaltete Keimdifferenzierung, Resistenzprüfung sowie Genotypisierung von Staphylokokken durch Testung bzgl. Panton-Valentine Leukocidin (PVL) und mecA-Gen.

Zwischen Oktober 2004 und Dezember 2005 wurden 784 Patienten aus 5 Kontinenten eingeschlossen (USA: 42%, Europa: 36%, Asien: 15%, Afrika: 4% und Südamerika: 3%). Von diesen hatten 48% einen Abszess (immer Inzision u. Drainage), 33% einen Wundinfekt und 18% eine Zellulitis. Letztlich waren 282 Patienten im Ceftobiprol- und 277 Patienten im Vancomycin-Arm 7-14 Tage nach Therapieende klinisch evaluierbar. Bei diesen Patienten kam es in 93,3% der mit Ceftobiprol und in 93,5% der mit Vancomycin Behandelten zur Heilung (95%-CI der Differenz: -4,4%, 3,9%, d.h. kein signifikanter Unterschied). Die Heilungsraten für MRSA-Patienten betrugen 91,8% (56/61) mit Ceftobiprol und 90,0% (54/60) mit Vancomycin (95%-CI der Differenz: -8,4%, 12,1%, d.h. ebenfalls kein signifikanter Unterschied).

Die mittlere Therapiedauer betrug 9,2 Tage (kein Unterschied zwischen den beiden Therapiegruppen). 80% der grampositiven Bakterien-Isolate entfielen auf Staphylococcus aureus, wobei es sich in ca. 1/3 der Fälle um MRSA handelte. 45% (55/121) der MRSA-Patienten hatten PVL-positive Isolate, welche für schwerere Verläufe prädestinieren. Die Heilungsrate dieser Patienten war in der Ceftobiprol-Gruppe tendentiell besser als in der Vancomycin-Gruppe (93,1% (27/29) versus 84,6% (22/26), jedoch kein signifikanter Unterschied).

Das unterschiedliche Wirkungsspektrum von Ceftobiprol (Grampositive und Gramnegative) und Vancomycin (nur Grampositive) wird deutlich, wenn man jene Patienten betrachtet, bei denen bei der mikrobiologischen Untersuchung bei Baseline mindestens ein gramnegativer Keim nachgewiesen wurde. In der Vancomycin-Gruppe fiel die Heilungsrate mit 47% (14/30) signifikant tiefer aus als die in der Ceftobiprol-Gruppe mit 81% (26/32) (p<0.01).

Bezüglich des Auftretens von behandlungsbedingten Nebenwirkungen fanden sich zwischen Ceftobiprol und Vancomycin keine signifikanten Unterschiede (in 52% versus 51% mindestens eine Nebenwirkung). Unter Ceftobiprol am häufigsten beklagt wurden Übelkeit (14%) und Geschmacksstörungen (8%). Zu einem Absetzen des Studienmedikamentes infolge von Nebenwirkungen kam es bei 4% (n=17) der Ceftobiprol- und 6% (n=22) der Vancomycin-Patienten.

Quelle: Noel et al., Antimicrob. Agents Chemother. 2008; 52(1): 37-44

Ergänzung vom 18.01.09: Ceftobiprol – mehr als "nur" bakterizides MRSA-Antibiotikum

Seit kurzem ist Ceftobiprol (Zevtera) als erstes Breitspektrum-Cephalosporin mit MRSA-Wirkung zur Behandlung komplizierter Haut- und Weichteilinfekte (inklusive diabetische Fussinfektionen ohne begleitende Osteomyelitis) in der Schweiz zugelassen.

Im März 2008 publizierten Noel et al. im CID bezüglich Ceftobiprol  eine weitere randomisierte, doppelblinde, globale Multicenter-Studie. Das Studien-Design war ähnlich dem der oben beschriebenen Studie, wobei diesmal auch Infektionen durch gramnegative Erreger und diabetische Fussinfektionen (ohne begleitende Osteomyelitis) eingeschlossen wurden und entsprechend im Vergleichsarm Vancomycin (1g 12stdl. über 60min i.v.) durch Ceftazidim (Breitspektrum-Cephalosporin der 3. Generation mit Pseudomonasaktivität) (1g 8stdl. über 120min i.v.) ergänzt wurde. Im Unterschied zu obiger Studie war die Ceftobiprol-Dosis höher (8stdl. statt 12stdl. 500mg) und die Infusion erfolgte langsamer (über 120 statt 60min i.v. => weniger Übelkeit/Erbrechen). Das primäre Studienziel, die Nichtunterlegenheit von Ceftobiprol gegenüber Vancomycin/Ceftazidim bezüglich klinischen Heilungserfolgs 7-14 Tage nach Ende einer 7-14tägigen Therapie bei komplizierten, durch grampositive oder gramnegative Erreger verursachten Haut-/Weichteilinfekten zu zeigen, wurde erreicht (Heilungsraten nicht signifikant verschieden: 90,5% (439/485) versus 90,2% (220/244) bei den klinisch beurteilbaren Patienten bzw. 81,9% (448/547) versus 80,8% (227/281) bei der Intention-to-Treat-Population; Randomisierung Ceftobiprol : Vancomycin/Ceftazidim = 2 : 1). Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen waren in beiden Behandlungsgruppen ähnlich.

Bei 53% der Patienten wurden nur grampositive Organismen gefunden, bei 16% nur gramnegative und bei 11% beides. 64% der isolierten Pathogene entfielen auf Staph. aureus, wobei ca. 1/3 (32,8%) Methicillin-resistent waren (MRSA) (46% (57/123) Panton-Valentine Leukocidin (PVL)-positiv, d.h. grössere Virulenz). Die nächst-häufigsten Pathogene waren E. coli mit 10,7%, beta-hämolysierende Streptokokken mit 8,8% und Pseudomonas aeruginosa mit 6,6%.

Quelle: Noel et al., CID 2008;46:647-55

Kommentar:

In der Schweiz schwankt die MRSA-Prävalenz in klinischen Isolaten zwischen 2 und 25% (West-Ost- und Süd-Nord-Gefälle), womit sie meist niedriger ist als in der obigen Studienpopulation. Komplizierte Haut-/Weichteilinfekte inklusive diabetische Fussinfekte werden in der Regel empirisch mit Amoxicillin/Clavulansäure behandelt. Im Unterschied zu Ceftobiprol sind damit auch Anaerobier abgedeckt, nicht jedoch MRSA und Pseudomonas. Aufgrund einer raschen Resistenzentwicklung unter Monotherapie sollte eine gezielte Pseudomonas-Therapie jedoch grundsätzlich kombiniert erfolgen (d.h. zwei gemäss Antibiogramm wirksame Substanzen). Ein entscheidender Vorteil von Ceftobiprol gegenüber dem bisherigen Standard-MRSA-Antibiotikum Vancomycin ist jedoch, dass es bakterizid wirkt, was besonders bei Infektionen wie Endokarditis, Meningitis und bei neutropenen Patienten wichtig ist (hierfür aktuell jedoch noch keine Zulassung). Zwar ist Daptomycin 1x täglich bakterizid und für die Behandlung einer Staph. aureus-Bakteriämie (inklusive Endokarditis) zugelassen, jedoch bei Staph. aureus-Pneumonie unwirksam (Inaktivierung durch den pulmonalen Surfactant) (Silverman et al., JID 2005). Interessanterweise zeigt Ceftobiprol auch Aktivität gegen Ampicillin-empfindliche Enterokokken (Cephalosporine eigentlich gegen Enterokokken unwirksam) sowie Penicillin-resistente Pneumokokken (Editorial von A. Widmer, CID 2008).

Ceftobiprol sowie weitere gegen MRSA wirksame Antibiotika mit jeweiligem Spektrum:

Freiname Handelsname bakterizid MRSA Pseudomonas ESBL Anaerobier E. faecalis E. faecium VRE
Ceftobiprol Zevtera + + + +
Linezolid Zyvoxid + +/- + + +
Tigezyklin Tygacil + + + + + +
Daptomycin Cubicin + + + + +
Vancomycin Vancocin + + +