Dexamethason weltweit bei jeder bakterieller Meningitis? Nein!

Zumindest in Ländern mit erhöhter Prävalenz an Tuberkulose oder HIV zeigt der empirische Einsatz von Dexamethason in der Intention-to-treat-Analyse keinen Nutzen, was aus 2 Studien aus dem NEJM hervorgeht

Vorab die Publikation einer placebokontrollierten randomisierten holländischen Studie aus dem Jahre 2002 durch De Gans und Van de Beek hat in Europa die Vorgehensweise bei akuter bakterieller Meningitis beeinflusst. Im Falle vermuteter oder bewiesener Pneumokokken-Meningitis mit mässigen bis schweren Erkrankungszeichen wird beim Erwachsenen die Gabe von 0.15mg/kg KG Dexamethason iv. 10-20 min. vor Beginn einer antibiotischen Therapie im 6-stündlichen Intervall bis zum Ausschluss von Pneumokokken oder im anderen Fall über 2-4 Tage empfohlen. Hiermit verbessert sich das outcome bezüglich neurologischer Residuen und Mortalität.

Ein in diesem Jahr erschienene Cochrane-Review derselben Autoren beschreibt im Rahmen der Dexamethason-Gabe nebst der Mortalitätsverminderung bei Pneumokokken-Meningititiden auch einen verminderten Hörverlust bei Kindern bei Hämophilus influenza-Meningitis, wobei die meisten positiven Resultate aus westlichen Ländern stammen. Subanalysen ergaben, dass die Risikoreduktion neurologischer Schäden in Ländern mit höherem Einkommen wahrscheinlich grösser ist als in Ländern mit niedrigem Einkommen. Nachstehend die Ergebnisse zweier doppelblind randomisierten, im NEJM erschienenen Studien.

In Malawi (Sub-Sahara) erhielten bei V.a. Meningitis 6426 Erwachsene eine Lumbalpunktion, hierbei wurden Normalbefunde (n=4764), nicht diagnostische Punktionen (DD viral, n= 215), Kryptokokken- (n=643) und Tbc-Meningitiden (n=282) ausgeschlossen. Letztendlich wurden 465 Patienten randomisiert, wovon 90% HIV-positiv waren. Alle Patienten erhielten während 10 Tagen 2x2g Rocephin, die Verum-Gruppe zusätzlich während 4 Tagen 2x16mg Dexamethason/d (erste Dosis unmittelbar vor Antibiotikagabe). Als primärer Endpunkt galt die Mortalität nach 40 Tagen. 20 Patienten wiesen im Nachhinein ein Kryptokokken- und 7 eine tuberkulöse Meningitis auf. Die Gesamtmortalität war mit um 54% sehr hoch (eetwa konsistent im Vergleich mit den vorgängigen lokalen Erfahrungsdaten). Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede betreffend Intention-to-treat-Analyse noch Subgruppenanalysen (outcome bei bewiesener Meningitis und bewiesener Pneumokokken-Meningitis, Hörverlust, Applikationsort des Ceftriaxon). Der fehlende Dexamethason-Effekt bei HIV-Positiven mit Pneumokokken-Meningitis erklären sich die Autoren mit dem verspäteten Aufsuchen ärztlicher Hilfe und der an sich reduzierten Entzündungsreaktion.

Die vietnamesische Studie schloss 450 Patienten ein mit V.a. bakterielle Meningitis (gemäss Klinik, Liquor- und Blutbefunden; nicht eingeschlossen wurden Patienten mit aktiver pulmonaler Tuberkulose und Schwangere im 1. Trimenon), hiervon wurden 15 Patienten vor der Randomisierung bei fehlender Zustimmung oder gemäss beurteilendem Arzt bei Vorliegen von Kontraindikationen für eine Steroidtherapie (nicht näher spezifiziert) ausgeschlossen. Die Verum-Gruppe erhielt 12-stündlich 0.4mg/kg KG Dexamethason, die erste Dosis 15 min. vor der 1. Antbiotikagabe innerhalb der Studie (64% der Verumgruppe und um 59% der Placebo-Gruppe erhielt bereits vorgängig Antibiotika!!). Es wurde während 10-14d mit Ceftriaxon behandelt. Primärer Endpunkt war die Mortalität nach 1 Monat, sekundäre Endpunkte Tod nach 6 Monaten, neurologische Residuen nach 1 und 6 Monaten. Bei 69% konnte eine kulturpositive Meningitis bestätigt werden, wobei bei 9 Patienten (4 in der Verum-, 5 in der Placebogruppe) eine Tbc-Meningitis bestand. Als häufigste bakterielle Erreger wurden bei rund 26% strep. suis und bei rund 13% strep. pneumoniae (hiervon um 91% Ceftriaxon sensibel) gefunden. Die Intention-to-treat-Analyse zeigte nach 1 Monat keinen Unterschied (Gesamtmortalität um 11%). Hingegen resultierte in der Subgruppenanalyse ein signifikanter Vorteil (survival und neurologische Folgeschäden) der Verum-Gruppe betreffend bewiesener Meningitis und betreffend strep. pneumoniae-Meningitis, dies unabhängig vorgängig erfolgter Antibiotikagabe und unabhängig des Glagow Coma Scale (GCS)). Die Subgruppenanalyse betreffend der nicht bewiesenen bakteriellen Meningitiden zeigte einen Trend zur Mortalitätszunahme der Verum-Gruppe, welche sich die Autoren mit möglicherweise nicht diagnostizierter Tbc-Meningitis erklären.

Es kann gefolgert werden, dass in europäischen Ländern durch die Dexamethason-Gabe ein potentieller Nutzen besteht, wohingegen in Ländern mit niedrigem Einkommen, resp. erhöhter HIV- und Tbc-Prävalenz insgesamt (intention to treat) kein Benefit (oder gar eine Verschlechterung) zu erwarten ist. Die Bücher betreffend Wichtigkeit des Zeitpunkts der ersten Dexamethasongabe und betreffend Ausmass der Alteration des GCS (gemäss der vietnamischen Studie Dexamethasongabe auch unter vorbestehender Antibiotikatherapie und unabhängig des GCS sinnvoll) sind noch nicht geschlossen.

Zu Recht wird im Editorial des NEJM darauf hingewiesen, dass der Effekt des Dexamethasons im Vergleich mit dem erreichbaren Effekt durch Impfstoffe (Hämophilus influenzae, Meningokokken) zur Verhütung fataler Meningitiden marginal ist und – aus globaler Sicht – das Vorantreiben der Immunisierung Priorität haben sollte.

Quellen: – Scarborough et al., NEJM 2007; 357:24
                – Thi Hoang Mai et al., NEJM 2007; 357:24