Ambulant erworbene Pneumonie: Qual der Wahl

Betalaktam/Makrolid-Kombinationstherapie oder Fluorochinolon-Monotherapie – Das ist meist die Frage wenn es um die Wahl des Antibiotikums bei Pneumonie geht.

In Europa eher verpönt, ist die Fluorochinolon-Monotherapie in den USA ein häufig eingesetztes empirisches Antibiotika-Regime zur Behandlung einer ambulant erworbenen Pneumonie. Aber ist sie bei schwerer, hospitalisationsbedürftiger Pneumonie wirklich eine gleichwertige Alternative zur Betalaktam/Makrolid-Kombinationstherapie?

Eine im Antimicrobial Agents and Chemotherapy publizierte, retrospektive Kohortenstudie hat sich dieser Fragestellung angenommen. Zwischen Oktober 1999 und Mai 2003 wurden 261 empirisch mit Betalaktam/Makrolid-Kombinationstherapie und 254 empirisch mit Fluorochinolon-Monotherapie behandelte, wegen ambulant erworbener Pneumonie hospitalisierte Patienten bezüglich 14- und 30-Tage-Mortalität sowie Dauer des Spitalaufenthalts verglichen.

Bisherige klinische Studien, welche die neueren, Pneumokokken-wirksamen Fluorochinolone (Gyrasehemmer) mit der CAP-Standardtherapie (CAP = community acquired pneumonia) verglichen haben, waren zumeist Zulassungsstudien, die auf Non-Inferiorität ausgelegt waren. Hochrisikopatienten mit PSI (pneumonia severity index) IV oder V waren dabei in der Regel ausgeschlossen oder zumindest schlecht repräsentiert. Bei den in der vorliegenden Studie untersuchten Kriegsveteranen handelt es sich dagegen aufgrund von hohem Alter (durchschnittlich 71 Jahre, bei PSI V sogar 78 Jahre) und Komorbiditäten (z.B. Diabetes mellitus: 1/3, Neoplasien: 1/3 und frühere Pneumonie: 18% der Patienten) um eine Hochrisikogruppe. Bezüglich den Baseline-Charakteristika Alter, Geschlecht, Komorbiditäten, klinische und Laborbefunde, frühere Pneumonie-Episoden, frühere Antibiotika-Einahme, mittlerer PSI- und APACHE-II score gab es zwischen der Betalaktam/Makrolid(BL+M)- und Fluorochinolon(F)-Gruppe mit Ausnahme eines bei der BL+M-Gruppe höheren Anteils tachykarder Patienten (Puls >=125/min: 6,9 vs. 2,4%, p 0,02) keine signifikanten Unterschiede (PSI: 102,4 +/- 28 (BM+L) vs. 104,2 +/- 29,3 (F), p 0,7; APACHE II: 12,4 +/- 4,3 (BM+L) vs. 12,5 +/- 5,3).

Insgesamt waren während der Dauer der Studie 1560 Kriegsveteranen mit Pneumonie hospitalisiert. 845 dieser Patienten erfüllten die IDSA (Infectious Diseases Society of America)-Definition für CAP, überlebten die ersten 24h nach Spitaleintritt und waren während 30 Tagen vor Aufnahme nicht >= 14 Tage hospitalisiert oder in einem Pflegeheim untergebracht. Von diesen 845 Patienten erhielten 30,9% (261) eine Betalaktam/Makrolid-Kombinationstherapie (91% Cephalosporin + Azithromycin, 9% Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitor-Kombination + Azithromycin) und 30,1% (254) eine Fluorochinolon-Monotherapie (100% Levofloxacin 500mg 24h p.o.) [19,9% Betalaktam-Monotherapie, 3,9% Makrolid-Monotherapie]. Bezüglich der ursächlichen Pneumonie-Erreger gab es zwischen BL+M- und F-Gruppe keinen signifikanten Unterschied (Pneumokokken 9,6 bzw. 7,1%, Hämophilus 8,4 bzw. 7,9%, Staph. aureus 3,0 bzw. 2,4%, Pseudomonas aeruginosa 1,9 bzw. 1,6%, E. coli 1,5 bzw. 0,4%, MRSA 0,8 bzw. 1,2%, …). Auch der Bakteriämie-Anteil war mit 6,1% (BL+M) versus 3,5% (F) nicht signifikant verschieden (p 0,2).

Wie aus den beiden unten stehenden Tabellen hervorgeht, fanden sich, wenn man alle PSI-Klassen zusammen betrachtet, bzgl. 14- und 30-Tages-Mortalität keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Therapie-Gruppen. Demgegenüber waren bei Patienten mit schwerer Pneumonie (PSI V) 14- und 30 Tages-Mortalität in der Betalaktam/Makrolid-Gruppe deutlich niedriger als in der Fluorchinolon-Gruppe (14d-Mortalität: 8,2 vs. 26,8%, p 0,02; 30d-Mortalität: 18,4 vs. 36,6%, p 0,05) [Tabelle 1]. Hierbei ist anzumerken, dass die durschnittliche Mortalität bei PSI V-Patienten mit 27% angegeben wird. (Fine, M.J. et al., NEJM 1997)

111_Tabelle1.jpg

Während bei der Zusammenschau aller PSI-Klassen die Spitalaufenthaltsdauer in der Betalaktam/Makrolid-Gruppe signifikant länger war (6 vs. 5 Tage, p 0,01; allein auf Unterschied bei PSI IV beruhend), konnte diesbezüglich bei PSI V-Patienten kein Unterschied detektiert werden (im Mittel 8 Tage) [Tabelle 2].

111_Tabelle2.jpg

Das Vorhandensein oder Fehlen von Tachykardie hatte auf das Outcome (14- bzw. 30-Tages-Mortalität und Dauer des Spitalaufenthalts) keinen Einfluss.

Als mögliche Erklärung für die kürzere Hospitalisationsdauer bei Fluorochinolon-Therapie führen die Autoren an, dass die Fluorochinolone aufgrund ihrer guten oralen Bioverfügbarkeit rascher oralisiert werden können. Nichtsdestotrotz sollten uns die oben gezeigten Mortalitätsdaten davon abhalten, ambulant erworbene schwere Pneumonien emprisch mit Fluorochinolonen zu behandeln. Auch die bei einer solchen Praxis zu erwartende Zunahme Chinolon-resistenter Pneumokokken ist hierfür ein gewichtiges Gegenargument. (Amerikanische Guidelines für community acquired pneumonia)

Worauf beruht nun aber das bessere Outcome unter der Betalaktam/Makrolid-Kombinationstherapie? Hierzu liefern Lodise et al. in ihrer Diskussion einige Erklärungsansätze:

1) Die Kombination zweier Antibiotika mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen (Betalaktam und Makrolid) lässt einen additiven Effekt erwarten.

2) immunmodulatorische Effekte:
Makrolide reduzieren die proinflammatorische Antwort auf infektiöse Stimuli (Zytokine IL-1, TNF-alpha, IL-6 und IL-8), wodurch proinflammatorische Komplikationen der Sepsis wie sekundäre Organdysfunktion verringert werden können. Im Gegensatz zu den Fluorochinolonen, die einen globaleren immunsuppressiven Effekt aufzuweisen scheinen (inkl. IFN-gamma-Störung), haben Makrolide einen minimalen bis keinen Effekt auf IFN-gamma, ein Schlüssel-Zytokin in der Wiederherstellung der Immunfunktion nach Sepsis-bedingter Paralyse des Immunsystems.

3) weitere Makrolid-Wirkungen:
– Herunterregulierung/Blockade der Produktion reaktiver Sauerstoff-Spezies
– Modulation der Neutrophilen-Funktion
– Steigerung der mukoziliären Clearance
– Beeinflussung der bakteriellen Biofilm-Bildung und Flagellin-Expression
– Verminderung des Anhaftens von Pneumokokken an respiratorischen Epithel-Zellen

Quelle: Antimicrobial Agents an Chemotherapy, Nov. 2007, p. 3977-3982

Anmerkung:
Der hohe Cephalosporin-Anteil in der Betalaktam/Makrolid-Gruppe könnte darauf zurückzuführen sein, dass es in den USA offenbar keine i.v.-Formulierung von Amoxicillin/Clavulansäure gibt.

Zum Weiterlesen:

  • "Vorbeugen ist besser als Heilen.": Pneumokokken-Impfung
  • PSI (Pneumonia Severity Index)