Nächstes Ziel: Heilung von HIV!
Klingt futuristisch, ist es auch. Aber dennoch: Die endgültige Lösung für das HIV-Problem kann nur sein, das Virus im Körper ganz zu eliminieren oder stumm zu schalten. Verschiedene Wissenschafter arbeiten an diesem Ziel, wie im JID vom 15.6.07 zu lesen ist.
David Margolis aus Chapel Hill hat mit seinem berühmten Paper im Lancet vor zwei Jahren die Diskussion um die Möglichkeit einer Eradikation von HIV lanciert. Wir haben vom Internationalen AIDS Kongress in Toronto auch von seinen Resultaten berichtet.
Margolis versucht mit seinem Ansatz schlummernde HIV-Virusinformation in sog. latent infizierten Zellen aus dem Dornröschenschlaf zu locken. Dazu verwendet er ein ganz einfaches Mittel. Die DNA ist in userem Erbgut eingewickelt und stumm geschaltet. Valproat, ein Medikament, welches zur Behandlung von Epilepsien eingesetzt wird, kann diese Stummschaltung auflösen. Damit können latent infizierte Zellen dazu gebracht werden, ihr Virus zu aktivieren. Solange dies unter einer guten HIV-Therapie erfolgt, sterben nun diese Zellen ab. Margolis konnte an wenigen Patienten zeigen, dass die Anzahl latent infizierter Zellen nach 12 Wochen Therapie deutlich abnimmt (Vgl. dazu auch unseren Vortrag vom Nov. 2006 zum Thema HIV-Eradikation).
Wir müssen doch auch anmerken, dass eine andere Arbeit von Siliciano, dem eigentlichen Erstbeschreiber des latent infizierten Zellpools von Memory Zellen, die Wirkung von Valproat in einer anderen Kohorte nicht nachweisen konnte (Siliciano, JID, 2007).
Nun kommentiert Margolis in seinem Editorial vom 15.6.07 im JID einen Artikel von Chun et al aus der Gruppe von Fauci am NIH. Diese Gruppe untersuchte ebenfalls den Abfall der latent infizierten Zellen, allerdings bei Patienten nach Primoinfektion und ohne Valproat-Therapie. Die Autoren haben sieben Patienten untersucht, welche innert 3 Monaten nach Primoinfektion behandelt wurden (0.3-4.4 Monate). Die aufwändige Untersuchung der latent infizierten Zellen wurde zu Beginn der Behandlung und im Mittel 40 Monate später durchgeführt.
Die Überraschung war perfekt: Diese sieben Patienten, welche früh während der HIV-Infektion behandelt wurden, hatten einen fast rasanten Abfall der latent infizierten Zellen (s. Abb.). Man beachte die logarithmische Skala. Dieses Bild ist fundamental anders als die praktisch horizontal verlaufenden Kurven bei Patienten, welche mit einer chronischen HIV-Infektion behandelt wurden.
Die Autoren haben aus diesen Beobachtungen eine Berechnung der Halbwertszeit des latent infizierten CD4-pools vorgenommen. Die Halbwertszeit war mit 4.6 Monaten weniger als 10% derjenigen bei chronischer Infektion (über 50 Monate!). Geht man von einem Pool von einer Million infizierter Zellen aus, so würde es demnach theoretisch ca. 7 Jahre dauern, bis nach einer gut wirksamen HIV-Therapie die Zellen ganz verschwunden wären. Man darf fast nciht träumen, was dies bedeutet, falls Valproat in dieser Situation auch noch wirken würde.
Die Quintessenz für uns einmal mehr: Wenn man eine frische HIV-Infektion erkennt, so sollte der Patient unverzüglich einer spezialisierten Behandlung zugeführt werden. Mitlerweilen zeichnen sich die Argumente für eine frühe Therapie während der Primoinfektion immer deutlicher ab. Siehe dazu auch weitere Artikel zum Thema:
- Schon wieder: Primäre HIV-Infektion wird zu häufig verpasst
- Die akute HIV-Infektion: Prävention durch Frühdiagnose
- HIV Therapie: Früher Beginn bewahrt Immunantwort
- HIV-Primoinfektion zerstört die besten Abwehrzellen
Quelle: Chun et al, JID 15.6.2007
Nachtrag: Eine interessante Arbeit aus dem Max-Planck-Institut hat auch noch eine interessante weitere Möglichkeit für die Eradikation von vorgeschlagen (Sarkar et al, Science Juni 2007). Die Autoren haben eine Methode entwickelt, mit der – bisher allerdings nur im Reagenzglas – die HIV-Genabschnitte, welche sich in die menschliche Zelle eingschlichen haben, sehr spezifisch aus dem menschlichen Genom herausgeschnitten werden können. Das ist natürlich eine sehr elegante molekularbiologische Methode, die man nicht so einfach im Körper durchführen kann, doch sicher muss auch dieser Ansatz weiter verfolgt werden.
Nachtrag 22.6.08: Eine franzöische Studie (Sagot-Lerolle, AIDS 19.6.08) lässt vermuten, dass der Ansatz mit Valproat wohl nicht das beste Mittel sein wird. Die Autoren hatten 11 Patienten, welche wegen einer Epilepsie während 2 Jahren (unter HAART) mit Valproat behandelt wurden mit 13 Patienten ohne Valproat verglichen. Es zeigte sich jedoch kein Unterschied in verschiedenen Messgrössen (totale und integrierte HIV-DNA, RNA-Aktivierung).