Community-acquired MRSA – was ist dran?
MRSA, Methicillin-resistente Staphylokokken sind als Ursache für komplizierte, spitalerworbene Infektionen in Kliniken bekannt. Meist trifft es Kranke mit einer langen Vorgeschichte an Hospitalisationen, Interventionen und Antibiotikatherapien. Können dieselben Infektionen nun auch zu Hause, also in der "community" erworben werden?
Seit einigen Jahren macht eine epidemiologisch "junge" Gruppe Methicillin-resistenter Staphylokokken von sich reden, die sogenannten Community-acquired MRSA / CA-MRSA. Epidemiologisch und genetisch sind CA-MRSA von den "klassichen" MRSA völlig verschieden, und im Gegensatz zu Letzteren sind bisher keine Risikofaktoren für eine Erkrankung bekannt. Typisch für CA-MRSA ist, dass sie Infektionen bei vorwiegend jungen Gesunden verursachen und nicht wie die MRSA mit der Klinik assoziiert (nosokomial) sind – eben "Community-acquired". Bei den Krankheitsbildern handelt es sich meist um Haut- und Weichteilinfektionen (Abszesse, Furunkulosen, Impetigo). Beobachtet wurden aber auch schwere Verläufe mit nekrotisierender Pneumonie (4), disseminierter invasiver Osteomyelitis (1) und ein Fall einer chronischen Pneumonie (5).
Noch relativ junges Phänomen
CA-MRSA wurden erstmals 1993 bei Aborigines in Westaustralien beschrieben (2). Morphologisch eigen ist ihnen eine genetische Sequenz, die sogenannte SCCmec-Kassette vom Typ IV, und die meisten CA-MRSA codieren für ein virulentes Exotoxin, das Panton-Valentine-Leukocidin (PVL). Je nach Klon spielen nebst PVL auch andere Exotoxine eine pathogenetisch wichtige Rolle und möglicherweise auch die Bildung von Superantigenen. Während in den USA in rund 50% der Hautinfektionen auf Notfallstationen CA-MRSA isoliert werden können, beläuft sich die Prävalenz in Europa noch auf geringere 1–3% (1). CA-MRSA werden in der Regel innerhalb von Clustern, über nahen Körperkontakt weitergegeben. Aramburu und Kollegen (3) konnten in Genf 58 gemeldete Keime 13 Clustern zuschreiben (01/02–12/04). Dabei handelte es sich um Familien mit teilweise asymptomatischen Trägern sowie um Schulklassen oder Sportmannschaften. In 41 Fällen fand sich bei der Quelle eine Hautinfektion. Risikofaktoren aber konnten nicht identifiziert werden.
Verbreitung der CA-MRSA nimmt zu
Noch Ende der 90er-Jahre war die Ausbreitung genetisch verwandter Stämme geografisch begrenzt (z.B. USA: ST8, ST59 , EU: ST80, Asien: ST30). Das French National Reference Center for Staphylococci, welches CA-MRSA seit 1999 systematisch sammelt und untersucht, beschreibt nun eine zunehmende Globalisierung der unterschiedlichen Klone und das Auftreten genetisch neuer Stämme (z.B. ST377) (1). Bedingt durch die Reisefreudigkeit ihrer Träger, werden vormals "amerikanische" CA-MRSA neu in Europa gefunden oder "europäische" Stämme in Asien. Die Klon-Diversität ist denn auch in Knotenpunkten wie Singapur am grössten.
Wo genetisch unterschiedliche Keime aufeinander treffen, kommt es auch – Plasmid-vermittelt – zu einem Austausch an Resistenzmechanismen.
PVL – ein gefährliches Toxin
Das Panton-Valentine-Leucocidin ist ein virulentes Exotoxin. Es verursacht schwere nekrotisiernde Infektionen der Weichteile (vgl. unseren Bericht). Während PVL-positive MRSA im Gegensatz zu Klinik-assoziierten MRSA bisher gegenüber gängigen Antibiotika gut empfindlich waren, konnten nun erste Stämme mit Gentamicin-, Ofloxacin- oder Mupirocin-Resistenz (EIM Kanada) isoliert werden. Gegenüber Trimpethoprim-Sulfamethoxazol, Glycopeptiden und Linezolid waren die Keime bisher sensibel. Vor allem in den USA, wo die Prävalenz von PVL-positiven MRSA hoch ist, kann zudem eine zunehmende Vermischung zwischen typischerweise Klinik-assoziierten MRSA und Community-acquired MRSA beobachtet werden; erste Fälle von Implantatinfekten mit CA-MRSA wurden beschrieben, und das PVL-Toxin konnte von nosokomialen Keimen isoliert werden.
PVL-positive, möglicherweise multiresistente Community-acquired-MRSA, werden wohl schon bald zum Alltag in Praxis und Klinik gehören.
(3) Community-acquired methicillin-resistant Staphylococcus aureus in Switzerland : first surveillance report. Eurosurveillance Report, Januar 2006
Vgl. auch unsere Berichte:
- Panton-Valentine leukocidin produzierende Staphylococcus aureus (13.10.05)
- Rezidivierende Furunculose (18.10.05)
- MRSA ausserhalb des Spitals (21.10.03)