Wurde ein neues Tuberkulose-Medikament entdeckt?

Seit 40 Jahren sind keine neuen tuberkulostatischen Medikamente auf den Markt gekommen. Die Wirksamkeit der heute verfügbaren Substanzen wird zunehmend beeinträchtigt durch steigende Zahl von resistenten Bakterienstämmen. Forscher von Johnson & Johnson haben ein im Tierversuch vielversprechendes neues Antibiotikums mit spezifischer Wirkung gegen Mykobakterien entwickelt.

Die Forschergruppe untersuchte eine Reihe von Diarylchinolonen (Science 2005; 30: 223-227; NEJM 2005; 352: 993-4) und fand mehrere Substanzen mit einer guten Aktivität gegen verschiedene Mykobakterien. Das aktivste Derivat ist R207910, das eine minimale Hemmkonzentration von unter 0.1 mg/ml aufweist für alle getesteten Stämme von M. tuberculosis, M. avium/Intrazellulare, M. kansasii und weitere Spezies.

 

In Selektionsexperimenten entstanden resistente Mutanten mit einer Häufigkeit von 10-7, was der Häufigkeit der Resistenzselektion gegenüber anderen Tuberkulostatika entspricht.  

 

Die Entdeckung ist aus drei Gründen von Bedeutung:

 

1. Die Substanz weist einen bis heute bei keinem Antibiotikum bekannten Wirkmechamismus auf. Entsprechend bestehen auch keine Kreuzresistenzen mit bekannten Tuberkulostatika, wie die Autoren durch Versuche mit multiresistenten Isolaten zeigen konnten. Der Wirkort der Substanz wurde gefunden, indem mehrere auf Diarylchinolone resistente, aus den Selektionsexperimenten gewonnen Isolate sequenziert wurden. Dabei fand sich konsequent eine Mutation in der F0 Untereinheit der ATP-Synthetase, einem kritischen Protein zur Synthese von ATP. Obwohl auch andere Bakterien eine F0 ATP Synthetase besitzen, sind sie nicht empfindlich gegenüber Diarylchinolonen.

 

2. In Experimenten mit Mäusen war die Kombinationstherapie mit Rifampizin, Pyrazinamid und R207910 potenter als die Therapie mit Rifampizin, Pyrazinamid und Isoniazid. Es wäre sicher ein riesiger Fortschritt in der Therapie der Tuberkolose, wenn ein neues Therapie-Schema die Infektion in kürzerer Zeit heilen könnte.

 

3. Schliesslich haben erste Verträglichkeitsversuche an Menschen günstige Ergebnisse gezeigt.

 

Trotz dieser Vorteile führt ein noch sehr weiter Weg zur Entwicklung eines neuen Tuberkulostatikums. Jedoch wurde hier der aussichtsreichste Kandidat seit langem gefunden.

 

Quelle: Rubin, NEJM, 2005;352:933