Perinatale Einmaldosis Nevirapine – Nutzen und Risiko

Im vergangenen Monat sind im NEJM 2 Studien von der Perinatal HIV Prevention Trial Group zum Thema Wirksamkeit bzw. Risiko der perinatalen Verabreichung einer Einmaldosis Nevirapin erschienen.

Im ersten Artikel wird die Wirksamkeit einer perinatalen Einmaldosis Nevirapin zusätzlich zur oralen AZT-Prophylaxe ab der 28. SSWo bezüglich Verhinderung einer Mutter-Kind Uebertragung des HI-Virus in einer randomisierten, doppelblinden Studie mit thailändischen Frauen untersucht. Es wurden insgesamt 1844 Frauen eingeschlossen und in einen der 3 Therapiearme randomisiert (Arm 1: Einmaldosis Nevirapine für Mutter und Kind; Arm 2: Einmaldosis Nevirapine für Mutter + Placebo für Kind; Arm 3: Placebo für Mutter und Kind). Alle Mütter erhielten AZT peroral im 3. Trimenon. Aufgrund der signifikant tieferen HIV-Uebertragungsrate aufs Kind (1.1% Arm 1 versus 6.3% Arm 3) wurde der 3. Therapiearm bei der ersten Interimsanalyse abgebrochen. Bei Studienende lag die Uebertragungsrate im Arm 1 bei 1.9%, im Arm 2 bei 2.8%, was keinem signifikantem Unterschied entsprach.

Im zweiten Artikel wird die klinische Konsequenz einer Nevirapineresistenz nach perinataler Gabe einer Einmaldosis Nevirapine bei der Mutter am obigen Patientinnenkollektiv untersucht. Postpartal begannen 269 Frauen mit einer CD4-Zellzahl< 250/ul eine Nevirapine-haltige antiretrovirale Therapie (221 mit + 48 ohne perinatale Nevirapindosis). 6 Monate nach Therapiebeginn hatten singifikant weniger Frauen, die perinatal Nevirapine erhalten hatten, ein optimales Therapieansprechen (49%) im Vergleich zu den Frauen, die kein perinatales Nevirapine erhalten hatten (68%). Die 10 Tage postpartal durchgeführte  Resistenzprüfung ergab bei 32% der Frauen, die Nevirapine perinatal erhalten hatten, den Nachweis einer NNRTI-Resistenz (keine NNRTI-Resistenz nachweisbar bei den Frauen ohne peripartale Nevirapineinnahme). Von den Frauen mit perinataler Nevirapineinnahme erreichten 38% mit NNRTI-Resistenz und 52% ohne NNRTI-Resistenz eine optimale Virussuppression (p=0.08). Das klinische Outcome und die CD4-Zellzahl 6 Monate nach Therapiebeginn waren nicht signifikant unterschiedlich zwischen den Frauen mit bzw. ohne perinatale Nevirapinedosis. Eine hohe mütterliche Viruslast und eine niedrige CD4-Zellzahl war mit einem höheren Risiko einer Resistenzentwicklung nach perinataler Nevirapineinnahme assoziiert.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Einmaldosis Nevirapin perinatal zusätzlich zur peroralen AZT-Prophylaxe ab der 28. SSWo die HIV-Uebertragungsrate markant senkt. Dies hat v.a. für Entwicklungsländer Bedeutung, in denen der Zugang zu einer HAART limitiert ist. Allerdings kann die perinatale Nevirapineinnahme zur NNRTI-Resistenzentwicklung bei der Mutter führen, v.a. wenn eine schlechte Immunlage oder eine hohe Viruslast vorliegt, und die mütterliche Therapieantwort im Falle einer späteren HAART kompromittieren. Die klinische Langzeitbedeutung, die sich daraus ergibt, muss aber noch genauer in weiteren Studien mit längerem follow up untersucht werden.

Lallemant et al, NEJM, 351:217-228, 2004

Jouardain et al, NEJM, 351:229-240, 2004i