Nasaler Grippeimpfstoff und Fazialisparese

Vor 3 Jahren wurde in der Schweiz ein neuer inaktivierter Influenza-Impfstoff zur nasalen Applikation eingeführt. Das gehäufte Auftreten von Fazialisparese nach der Impfung wurde nun sauber dokumentiert.

Der nasale Impfstoff der Schweizer Firma Berna wurde im Herbst 2000 eingeführt. Im folgenden Jahr wurde der Impfstoff wieder zurückgezogen, wegen gehäuftem Auftreten von Gesichtslähmungen. Im Gegensatz zum attenuierten nasalen Grippeimpfstoff der Firma Wyeth handelte sich um einen inaktivierten Impfstoff. Der attenuierte Impfstoff verwendet replikationsfähiges Virus, das selbst eine Immunantwort auslösen kann. Der inaktivierte Impfstopff der Firma Berna musste mit einem hitzelabilen Toxin von E.coli versetzt werden um überhaupt genügend immunogen zu wirken. Es ist möglich, dass dieses ungewöhnliche Adjuvans für die unerwartete Nebenwirkung verantwortlich war.

In der Ausgabe des NEJM vom 26.2.04 hat die Gruppe von Robert Steffen eine schöne Fall-Kontroll-Studie zur Assoziation Impfung-Fazialisparese publiziert. Die Autoren haben versucht, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Parese aufzustellen. Diese Aufgabe ist nicht einfach. Mittels Schreiben an Ärzte suchten die Autoren nach Patienten die in der Grippesaison 00/01 eine Fazialisparese erlitten hatten und verglichen diese mit „matched controls“. Von den Patienten mit Fazialisparese (cases) hatten 27% eine intranasale Grippeimpfung verglichen mit 8% der Kontrollen.

Es gab einen deutlichen Zeitliiche Assoziationzeitlichen Zusammenhang zwischen der Grippeimpfung und dem Auftreten einer Fazialisparese. Unter den Fällen mit Facialisparese lab bei denjenigen mit nasaler Grippeimpfung der Zeitpunkt der Parese innert 3 Monaten (max. 1-2 Monate) nach der Impfung, hingegen bei den Patienten die eine parenterale Impfung hatten, war keine solche zeitliche Koinzidenz zu erkennen (Abbildung).

Ein Problem bei dieser Studie war die Auswahl der „cases“. Durch die Medienpräsenz hatten sich womöglich Patienten mit Fazialisparese nach Influenza-Impfung häufiger gemeldet. Die Autoren haben mit zwei verschiedenen Methoden versucht diesen Bias zu korrigieren. Doch selbst mit den konservativsten Annahmen war das Risiko einer Fazialisparese nach nasaler Grippeimpfung um das 19-fache erhöht, entsprechend einem Risiko von 1 Fazialisparese auf 750 Impfungen.

Diese Resultate zeigen einmal mehr, wie aufwändig die Erforschung eines Grippeimpfstoffes ist. Will man solche doch insgesamt nicht allzu häufigen Erkrankungen als Komplikation entdecken, müssen mehrere Tausende bis Zehntausende von Probanden geimpft werden. Die Firma Wyeth hat mit ihrem nasalen Impfstoff bereits über 30″000 Impfdosen appliziert (ohne Zeichen einer Fazialisparese) und hat den Impfstoff immer noch nicht auf dem Markt eingeführt.