Reservoir für Sars Coronavirus charakterisiert
Im Mai 03 wurde erstmals über die Ergebnisse einer Untersuchung zur Herkunft des Sars-Erregers berichtet. Nun sind die vollständigen Untersuchungsresultate im Science publiziert.
Es bestehen keine Zweifel, dass es sich beim Sars Virus um einen für den Menschen neuen Krankheitserreger handelt. Doch genau so offensichtlich ist auch, dass dieses Virus nicht aus dem nichts aufgetaucht ist. Es muss von einem nahe verwandten tierischen Coronavirus durch geringfügige Mutationen auf den Menschen übertragen worden sein, wie Guan et al, im Science vom 4.9.03 berichten.
Wissenschafter der Universität HongKong und das Chinesiche Gesundheitsministerium haben daher nach möglichen Quellen im Tierreich gesucht. Dazu wurden zahlreiche Tiere auf einem Fleischmarkt eingekauft, dort wo die Epidemie ihren Anfang nahm, in Guandong. Um den Verwandschaftsgrad zwischen zwei Viren zu untersuchen wählt man einen Teil oder die ganze Viruserbsubstanz (oft ein Gen für ein Oberflächenprotein) von beiden Viren, und vergleicht diese miteinander. Damit lässt sich mittels phylogenetischer Analyse sogar ein möglicher Stammbaum der einzelnen Viren darstellen. Die Resultate dieser Untersuchungen sind in mancher Hinsicht interessant.
Zum ersten fanden sich dem Sars Virus eng verwandte Cornaviren bei verschiedenen Tieren. Am häufigsten fand sich ein verwandtes Virus bei Zibetkatzen (Paguma larvata) und seltener bei Waschbären (Nycteroites procyonoides). Das Virus scheint also weit verbreitet zu sein.
Zum zweiten fand sich ein auffallend hoher Verwandschaftsgrad zwischen den tierischen und menschlichen Isolaten. Das Genom unterscheidet sich in nur 0.2% der ganzen Erbsubstanz. Bei fast allen menschlichen Sars Isolaten fehlt im Vergleich zum tierischen Vorläufer eine Sequenz von 29 Nukleotiden. Diese sogenannte Deletion führte zur Neubildung eines Proteins des Sars Virus. Die Bedeutung und Funktion dieses neuen Proteins ist unbekannt. Der hohe Verwandschaftgrad der Viren bedeutet auch, dass es für einen Speziessprung (Übertritt des Virus auf den Menschen) nicht viel braucht.
Der dritte Punkt betrifft die Homologie der Viren. Alle beim Menschen isolierte Coronaviren (HCoV) unterscheiden sich geringfügig. Doch diese Unterschiede sind bei den tierischen Isolaten etwa gleich. Das heisst auch, dass die tierischen Isolate von diesem Fleischmarkt in Guandong effektiv sehr nahe beim Menschlichen Virus liegen. Damit stellen die Forscher die Hypothese auf, dass die „lebenden“ Fleischmärkte in Guandong ein „Vermehrungsort“ für Coronaviren darstellen und dass sich die Viren dort mit relativ geringfügigen Mutationen auf ein erfolgreiches Überleben im Menschen vorbereiten können. Am wahrscheinlichsten ist es, dass diese Tiere gar nicht in der Wildniss mit den Coronaviren infziert sind, sondern dass sie erst in der Gefangenschaft zum Reservoir für das menschliche Sars-Coronavirus werden.
Die untenstehende Abbildung zeigt die phylogenetische Analyse der menschlichen und tierischen Sars-Isolate.
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