RNA-Interferenz – HIV-Therapiekonzept der Zukunft?
RNA-Interferenz ist ein ganz neu entdeckter Mechanismus eukaryontischer Zellen. Kleine doppelsträngige RNAs können das Ablesen der Erbsubstanz (Gen-Expression) hemmen. Dies revolutioniert die bisherigen Vorstellungen der Kontrolle der Genexpression. Kein Wunder, dass diese neu entdeckten siRNA zum „Molecule of the Year 2002“ gewählt wurden.RNA-Interferenz ist ein in der Natur vorkommender Mechanismus, um die post-transkriptionelle messenger-RNA (mRNA) eines aktiven Gens zu hemmen. Dieser Prozess wird durch small-interfering-RNA (siRNA) initiiert. siRNA ist eine aus 21-23 Basenpaaren (bp) bestehende doppelsträngige RNA-Form, welche für eine Nucleotidsequenz der mRNA hoch spezifisch ist. Sie bildet zusammen mit einer Helikase – welche die siRNA entwindet – und einer Nuklease – welche die Ziel-mRNA degradiert – den RNA-induced silencing complex (RICS).
siRNA bildet durch Interaktion mit der zellulären Helikase (violett) und Nuklease (orange) den RICS-(“ RNA-induced silencing) Komplex (1). Mittels ATP als Energiequelle entwindet die Helikase die siRNA, sodass der freiliegende antisense-Strang der siRNA mit der mRNA interagieren kann (2). Anschliessend bindet die Nuklease am die mRNA (3) und degradiert sie.Werden Säugerzellen mit synthetisch hergestellter siRNA transfiziert, so wird die Zielsequenz in der Zelle vollständig blockiert. Man spricht von einer hoch spezifischen RNA-Interferenz. So konnte RNA-Interferenz gezielt gegen virale und zelluläre Ziele im HIV-Lebenszyklus eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Man wählt ein Produkt des Virus, welches zur Virusvermehrung notwendig ist. Durch eine geeignete RNA-Interferenz kann in der HIV-Zellkultur das Virus-Produkt blockiert und die Virusvermehrung gehemmt oder abgestellt werden. Bis zur therapeutischen Anwendung sind jedoch noch einige Probleme zu lösen: Erstens senkt selbst die Veränderung eines bp der siRNA deren Effizienz drastisch, sodass z.B. bei der grossen Fehlerrate der viralen reversen Transkriptase schnell Escape-Mutanten resultieren. Zweitens sind die Applikation und – drittens – die Stabilität der siRNA weitere ungelöste Probleme, obschon DNA-Plasmide in viralen Vektoren zur Transfektion erfolgreich angewandt wurden, um dem Abbau der siRNA durch zelleigene RNAsen zu entgehen.Das Prinzip der RNA-Interferenz hat noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten, nicht zuletzt in der onkologischen Therapie. Kurz – um es mit den Worten der Autoren zusammenzufassen – RNA-Interferenz hat das Potential, die Biologie zu revolutionieren.Kitabwalla & Ruprecht: RNA Interference — A New Weapon against HIV and Beyond. NEJM 2002;347:1664