«Stille Nacht», mehr als nur schöne Tradition

Haben Sie an der Mitternachtsmesse «Stille Nacht» gesungen? Und das mit Inbrunst wie jedes Jahr? Dann haben Sie Ihrer Gesundheit (möglicherweise) etwas Gutes getan!

Nimmt man die Resultate einer Frankfurter Studie (1), die bereits 2004 veröffentlicht wurde ernst, so sind Sänger immunkompetenter als ihre nicht singenden Mitmenschen. Durch Singen wird offenbar die Sekretion von Immunglobulinen der Klasse A (IgA) gesteigert. IgA sind spezialisiert auf die Abwehr von Antigenen an den Oberflächen der menschlichen Schleimhäute. Sie entfesseln die Abwehrphalanx, welche unseren Körper schützt vor Bakterien, die uns gerade in der kalten Jahreszeit zuhauf attackieren.

Die Forscher der Universität Frankfurt untersuchten Speichelproben von Mitgliedern eines Kirchenchors, die das Mozart-Requiem sangen. Die Anzahl sekretorischer Immunglobuline A war nach der Chorprobe deutlich erhöht. Dem war aber nicht so, wenn die Sänger das Requiem nur ab Band hörten. Ob dieser quantitative (und kurz andauernde) Unterschied einen Einfluss auf die Erkrankungshäufigkeit hatte, ob also geübte Sänger auch weniger krank wurden als ihre Zuhörer, war nicht Ziel der Untersuchung, und Arbeiten hierzu finden sich nach 2004 keine.
Es stellt sich auch die Frage, ob die gesteigerte IgA-Sekretion nicht als Reaktion des Körpers auf weit offen stehende Mäuler gewertet werden müsste, die Tür und Tor für potentiell krank machende Erreger öffnen. Dass aber Singen oder auch lautes Rezitieren von Mantras und Rosenkränzen einen positiven Einfluss auf Atmung und Kreislauf haben kann, das Wohlbefinden insgesamt und somit möglicherweise auch auf Lebensalter und Immunsystem, darauf haben andere Arbeiten hingewiesen (2,3).

Zugegeben, ein einmal jährliches, scheu dahin gesummtes «Stille Nacht» am Heilig Abend wird wohl wenig Einfluss haben auf unsere Gesundheit, zumal der Nachhauseweg nach der Kirche oftmals bitter kalt ist. Vielleicht aber bietet die Frankfurter Arbeit Hand, um Nachwuchs zu rekrutieren für die in unseren Breitengraden oft unterdotierten Kirchenchöre. Und wir werden uns nicht mehr beschämt im Bademantel verkriechen, nachdem wir zum x-ten Mal George Michaels «Last Christmas» unter der Dusche geträllert haben – schliesslich tun wir etwas für unsere Immunkompetenz!

Literatur:

(1) Effects of choir singing or listening on secretory immunoglobulin A, cortisol, and emotional state. J Behav Med, 2004 Dec

(2) Effect of rosary prayer and yoga mantras on autonomic cardiovascular rhythms. BMJ, 2001 Dec

(3) Attendance at cultural events, reading books or periodicals, and making music or singing in a choir as determinants for survival. BMJ, 1996 Dec