2005: Mumps in England

In der aktuellen Ausgabe des BJM findet sich ein Artikel über die sich ausbreitende Mumpsepidemie in England. Alleine in den ersten fünf Monaten des Jahres gab es fast 5.000 Meldungen von Mumpserkrankungen. Am häufigsten sind dabei junge Erwachsene zwischen 19 und 23 Jahren betroffen, aber es besteht die Gefahr, dass es zu einer Ausbreitung in der Gruppe der nicht ausreichend immunisierten Kinder kommt.

Mumps ist eine virale Erkrankung, die hauptsächlich Kinder und junge Erwachsene betrifft. Die Ansteckung erfolgt über eine Tröpfcheninfektion, wobei Menschen der einzige bekannte Wirt sind.

Mumps ist hochinfektiös und kann sich rasch ausbreiten. So geht man bei einem infizierten Patienten mit einem nicht immunen Umfeld von 10-12 sekundär infizierten Patienten (Ro) aus (zum Vergleich Masern: Ro=15-17). Die Inkubationszeit bis zum Auftreten von klinischen Symptomen (charakteristische Parotisschwellung) liegt zwischen 15 und 24 Tagen.

Die Infektiosität beginnt einige Tage vor dem Auftreten der Parotitis und dauert bis mehrere Tage danach an. Nach Englischen Richtlinien, sollten Kinder nach Beginn der klinischen Symptome während 5 Tagen keine gemeinschaftlichen Einrichtungen besuchen (s.unten).

Seit dem Einsatz der MMR- (Masern, Mumps, Röteln) Impfung 1988 und einer Meldepflicht für Mumps ist in England die Anzahl der Mumpserkrankungen in den 90er Jahren drastisch zurückgegangen. In dieser Zeit kam es in England jedoch immer wieder zu kleineren Ausbrüchen mit Masern, so dass das Impfprogramm für 5-16 Jährige intensiviert wurde. Anstatt der MMR-Impfung erhielten viele Kinder jedoch nur eine Masern- und Rötelnimpfung, da der Impfstoff gegen Mumps nicht in einem ausreichenden Mass zur Verfügung stand. Deshalb hat der jetzige Ausbruch der Mumpsinfektion auch hauptsächlich die Jahrgänge zwischen 1982 und 1986 getroffen. Diese hatten aufgrund der geringen Zirkulation des Mumpsvirus keinen natürlichen Kontakt mit dem Virus und sind nicht ausreichend immun. Personen die vor 1982 geboren sind in England zu 98% durch natürliche Kontakte mit dem Virus immun.

Im Prodromalstadium können Fieber, Kopf- und Ohrenschmerzen auftreten. Eine Parotisschwellung tritt bei 95% der Erkrankten auf und ist in 90% beidseitig. Allerdings verlaufen 30% der Infektionen subklinisch. Eine Rötung des Ducuts paroticus an der Wangeninnenhaut kann als isoliertes Zeichen bestehen. Die auftretenden Symptome sind bei Erwachsenen und Kindern ähnlich, obwohl die Erkrankung bei Erwachsenen (wie bei den meisten Kinderkrankheiten) in der Regel schwerer verläuft. Während einer endemischen Ausbreitung ist die Diagnose in der Regel einfach zu stellen.

Differentialdiagnostisch kommen weitere virale und evt. auch eine bakterielle Infektion in Betracht. Nichtinfektiöse Ursachen für eine Parotisschwellung sind u.a. Steine, Tumore, eine Sarkoidose, das Sjögren-Syndrom und die Einnahme von z.B. Thiaziden oder Stärkemehl. In der Zeit vor Einführung der MMR-Impfung war Mumps der häufigste Grund für eine virale Meningitis und eine der Hauptursachen eines Hörverlusts bei unter 15-Jährigen.

Man geht davon aus, dass 50% der Mumpserkrankungen mit einer zerebralen Beteiligung einhergehen. Neurologische Symptome können hierbei der Parotitis vorausgehen oder später auftreten. Das höchste Risiko für eine begleitende Meningoencephalitis besteht bei jungen Männern. Dauerhafte neurologische Folgeschäden wie z.B. ein Hydrocephalus, einseitige Taubheit, Myelitis und cerebelläre Ataxie sind selten. Die Todesrate bei ZNS–Beteiligung liegt bei ca. 1 %, Prädiktoren sind nicht beschrieben.

Bei einer durch Mumps verursachten Meningoencephalitis finden sich typischerweise im Liquor um 250 lymphozytäre Zellen/ mm3 und eine Erhöhung des Protein in 60-70% der Fälle. Eine 50%-ige Glucoseerniedrigung gegenüber dem Serum wird in bis zu 25% der Fälle, eine positive PCR bis zu 2 Jahren später in bis zu 96% der Fälle beobachtet. Ein mumpsspezifisches IgM ist bei 50% und IgG bei 30% der Patienten im Liquor positiv. Eine Orchitis ist eine häufige (20%) Komplikation bei jungen Männern mit Mumps. Die Infektion des Parenchyms führt in 40-70% der Fälle zu einer Hodenatrophie. In der Regel ist nur ein Hoden betroffen, bei den 15-30% beidseitig betroffenen Männern kommt es in 13% zu einer Hypofertilität. Eine Pankreatitis präsentiert sich in der Regel mit abdominellen Schmerzen und ansteigenden Pankreasenzymen. Im Labor kann sich eine Leukopenie mit relativer Lymphozytose und gelegentlich auch eine neutrophile Leukozytose zeigen. Ein erhöhtes CrP und eine hohe Blutsenkung wurden beschrieben. Der spezifische IgM-AK findet sich ca. 11 Tagen nach Exposition im Blut und ist zum Zeitpunkt der klinischen Symptome fast immer bereits nachweisbar.

In England kann die Erkrankung auch anhand eines IgM-Antikörper-Speicheltest bestätigt werden, der im Vergleich zu der Blutuntersuchung eine 98%-ige Sensitivtität aufweist. Die Sensitivität für den Speicheltest liegt in der 1. Woche bei 75% und in der 2. Woche bei 100%. Sollte der IgM-Speicheltest negativ ausfallen, kann bei einem diskreten Krankheitsverdacht ggf. noch eine PCR-Untersuchung aus dem Speichel erfolgen. Die Behandlung der viralen Mumpsinfektion ist supportiv. Bei einer Schwangerschaft ist das Risiko für eine Fehlgeburt im ersten Trimester erhöht, angeborene Fehlbildungen wurde nicht beschrieben.

Eine Veröffentlichung mit einer kleinen Fallzahl über Mumpsinfektionen bei Kindern mit ALL zeigten milde Verläufe. Über die Infektion bei immunkompromitierten Patienten ist wenig bekannt. In der Regel wird der Immunstatus von Patienten auf der Organtransplantationsliste kontrolliert und ggf. eine erneute Impfung durchgeführt.

Obwohl die MMR-Impfung bei immunkompromitierten Patienten kontraindiziert ist, hat sich gezeigt, dass eine Impfung 2 Jahre nach Knochenmarktransplantation durchgeführt werden kann, wenn keine GvH-Reaktion vorliegt. Eine MMR-Impfung wird für asymptomatische HIV positive Kinder empfohlen, wenn keine schwere Immunsupression besteht. Personen in der Umgebung immungeschwächter Personen sollten geimpft werden.

Es besteht keine Gefahr für immuninkompetente Patienten im Kontakt mit gesunden frisch geimpften Personen. Eine Postexpositionsprophylaxe für Mumps steht nicht zur Verfügung. Eine passive Immunisierung scheint die Ausbreitung einer Mumpsendemie nicht einzuschränken. Eine Impfung von exponierten Personen beeinflusst den Verlauf der Erkrankung nicht. Die Isolation von erkrankten Personen und flächendeckende Impfungen sind die besten Möglichkeiten um die Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern. Die WHO empfiehlt eine 90%ige Impfrate, um Ausbrüche zu verhindern. In England ist die Impfrate von 92% (1995) auf 80% gesunken. In einigen Stadtteilen von London haben nur 60% der zweijährigen Kinder einen ausreichenden Impfschutz erhalten. Haben Kinder nur die erste MMR-Impfung erhalten, liegt die Ansprechrate zwischen 60-90%, nach 2-4 Jahren finden sich bei einem Viertel der Kinder sehr geringe Antikörperkonzentrationen.

Damit sind Mumpsausbrüche in Schulen mit Kindern die nur eine MMR-Impfung erhalten haben nicht überraschend. Seit 1996 wird in England eine 2. Dosis empfohlen und obwohl spezielle Nachimpfprogramme durchgeführt wurden, gibt es bei den vor 1990 Geborenen einige, die nur eine Impfung erhalten haben und damit den Pool der anfälligen Personen erhöhen.

In der Schweiz besteht es im Gegensatz zu einer Masern- oder Rötelninfektion für Mumpserkrankungen keine Meldepflicht. Die Erhebung erfolgt anhand des Sentinella-Überwachungssystems, das im Jahr 1986 eingeführt wurde. Das Meldesystem umfasst 150 bis 250 Allgemeinpraktiker, Internisten, Pädiater und Gynäkologen, die anonym Krankheitsfälle an das BAG melden. Anhand dieses Systems wurde zwei grosse Epidemien in der Schweiz in den Jahren 1994/1995 und 1999/2000 beobachtet. Die geschätzten Fälle lagen 1995 bei 50.000 Mumpserkrankungen und in den Jahren 1999/ 2000 bei 45.000 betroffenen Personen. Eine Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln wird in 2 Dosen im Alter von 12 und 15-24 Monaten empfohlen. Eine Nachholimpfung wird allen nicht geimpften (nicht immunen) Personen im Alter unter 30 Jahren empfohlen. Nicht immune Personen im Alter von 30-40 Jahren sollen mindestens eine Dosis erhalten. Bei über 40 Jahre alten Personen ist eine Impfung nicht mehr angezeigt. Die Durchimpfung ist in der Schweiz mit ca. 80% bei zwischen 27-35 Monate alten Kindern seit Jahren zu niedrig. Eine Isolation von erkrankten Kindern (Schulabsenz) wird von unsere Seite nicht empfohlen. Das beste, was einem nicht geimpften Kind passieren kann, ist die Erkrankung im jungen Lebensalter durchzumachen, da die Komplikationsrate ab der Pupertät steigt. Die Durchführung von Speicheltest wird im KSSG nicht praktiziert.

Die Mumpsepidemien der 90-er Jahre in der Schweiz waren nicht Folge einer schlechten Impfkampagne. Bis fast ins Jahr 2000 hatten wir das Problem, dass der meistgebrauchte Impfstoff (Rubini-Stamm) keine vernünftige Immunität verursachte. 1996 konnten wir zeigen, dass selbst in einer voll geimpften Population (Impfrate 95%) die Vaccine-Efficacy des Rubini-Stammes gleich Null war (Schlegel et al.). Diese Studie führte letztendlich dazu, dass der unwirksame Impfstamm vom Markt gezogen wurde.