Influenza: War das Virus der einzige Killer von 1918-1919?

Obwohl wir seit 1918 bereits weitere kleinere Pandemien durchlebt haben, ist immer noch nicht ganz klar, warum denn die Pandemie von 1918-19 zu einem der grössten "Killer" der Menschheit werden konnte. Morens, Taubenberger und Fauci gehen dieser Frage nach, und zeigen uns wichtige Erkenntisse für nächste Pandemien.

Die "Spanische" Grippe wütete zwischen 1918-1919 und hat mehr Tote gefordert, als vermutlich der erste und zweite Weltkrieg zusammengenommen. Dennoch geriet die Pandemie von damals in Vergessenheit, obwohl die meisten Menschen damals irgendjemanden kannten, der an der Grippe gestorben war. In den 50-60 Jahren versuchte man dann herauszufinden, was denn eigentlich die Grippe von 1918-19 ausgelöst hatte. Viele verschiedene Experimente, z.t. auch an Seeleuten lieferten nicht die  eigentliche Erkklärung. Erst 1997 publizierte J.Taubenberger in Science den genetischen Code des damaligen Virus von 1918-19. Er konnte aus den in Paraffin konservierten Lungenteilen eines Soldaten, der 1918 an der Grippe starb, das Genom des damaligen Grippevirus identifizieren. Das vollständige Genom des H1N1 Grippevirus wurde erst 2005, ebenfalls von Tabenberger, im Nature publiziert. Der Weg bis dahin war schwierig und von vielen Umwegen gepflastert.

1892, also noch vor der grossen spnischen Grippe-Pandemie veröffentlichte Richard Pfeiffer, dass das Bacillus influenzae der Erreger der Grippe sei. (Bacillus influenzae wurde auch Pfeifer’sches Bacillus genannt, und später in Hämophilus influenzae unbenannt.) Bis zu diesem Jahr war das Wort "Virus" benutzt worden um ein hypothetisch ansteckendes Agens zu bezeichnen, wobei man sich damals unter Virus gar nichts vorstellen konnte. Im gleichen Jahr als Pfeiffer das B.influenzae als den Erreger der Grippe propagierte, gelang es einem russichen Forscher, Dimitri Ivanovski, zu zeigen, dass die Tabak-Mosaik-Krankheit übertragbar war. Er zeigte, dass es sich um ein Agens handeln musste, dass unsichtbar und sehr klein war, so dass es Filter passieren konnte, welche die üblichen Bakterien hätte zurückhalten müssen. So wurden mit der Zeit immer mehr "Filter passierende Agentien" gefunden und mit der Zeit als Viren identifiziert.

Auch mit der Grippe wurden versuche gestartet, ob es sich nun um eine Bakterium handelt oder wohl um ein "Filter-passierendes Agens". Aber die Versuche waren nicht schlüssig. 1918 publizierten Nicolle und Lebailly, dass sie 2 Freiwillige mit filtriertem Sputum von einem Influenzapatienten, infizieren konnten. 1919 bestätigten Yamanouchi et al die Resultate der Franzosen. Aber kurz darauf folgten auch kontroverse Publikationen, und so blieb die Skepsis über die wirkliche Ursache der spanischen Grippe über Jahre erhalten, und da die Grippe wieder zu einer jährlichen endemischen Wintererkrankung mutiert war, war der Druck von aussen das Rätsel zu lösen wieder kleiner geworden.

Die ganze Geschichte der Influenza können interessierte Leser entweder in einem wissenschaftlichen Manuskript von Taubenberger et al nachlesen. Oder wer es lieber ein bisschen prosaisch nachlesen möchte, kann das Buch von Gina Kolata, einer wissenschaftlichen Journalistin zur Hand nehmen. Sie beschreibt romanähnlich die Geschichten um die Influenza Pandemie 1918-19, und das Buch ist wirklich fast so spannend wie ein Krimi.

Nun wurde im JID der Artikel von Morens, Taubenberger und Fauci veröffentlicht.  Die Autoren gingen der Frage nach, welche Rolle bakterielle Superinfektionen als Todesursache in der Pandemie von 1918-19 gespielt haben könnten. Dazu untersuchten sie Lungengewebe von 58 Autopsien, welche zur Zeit der Pandemie durchgeführt wurden ,und haben zusätzlich die Resultate von weiteren 109 publizierten Autopsie Serien mithineingenommen. 

Die Autoren haben festgestellt, dass grösstenteils bakterielle Erreger zu finden waren, und auch histopathologisch fanden sich in den meisten Präparaten Zeichen einer bakteriellen Infektion. Sie konnten nicht ein spezifisches Bakterium isolieren und für die Superinfektion verantwortlich machen, sondern konnten nebst S.pneumoniae, S.hemolyticus, S.aureus, H.influenzae z.t. auch gemischte Bakterien-Flora feststellen.

Die Folgerung der Autoren:

  • Eine bakterielle Pneumonie war in den meisten Fällen die Todesursache.
  • Jedes Influenzavirus, welches die Kapazität hat sich schnell zu verbreiten und die Bronchialepithelzellen des Menschen zu schädigen, hat das Potenzial eine schwere bakterielle Superinfektion nach sich zu ziehen, welche fatal verlaufen kann.

Aus der Geschichte können wir also lernen:

  • Eine erneute Pandemie wird kommen, nur wann und in welchem Ausmass ist unklar!
  • Welches Virus es sein wird, ist ebenfalls noch unklar, natürlich ist aktuell das H5N1 Virus hoch im Kurs, wenn es um Spekulationen für das nächste pandemische Virus geht. Bisher ist das H5N1 aber noch nicht hochkontagiös, könnte es aber bei Durchmischung mit anderen Viren (z.t. Schweineinfluenza) werden. 
  • Die Resultate dieser Publikation im JID zeigen, dass die bakterielle Superinfektion in der präantibiotischen Aera von 1918-1919 zu einer so hohen Mortalität geführt hat. Diese Erkenntnis muss in die Pandemievorbereitungen einfliessen, d.h. es müssen für eine Pandemie nicht nur Impfstoffe oder antivirale Medikamente zur Verfügung stehen, sondern es müssen auch genügend Antibiotika zur Verfügung stehen.

Allerdings: H5N1-Influenza ist anders
Aus diesen Beobachtungen darf nun aber nicht geschlossen werden, dass eine kommende Influenza-Pandemie in der heutigen Antibiotika-Aera keine Bedrohung mehr darstellt. Insbesondere das in der Vogelwelt weit verbreitete H5N1 Influenza-Virus macht uns grosse Sorgen. Denn dieses Virus unterscheidet sich von allen früheren Grippeviren, indem es nicht nur Zellen der Atemwege befällt sondern jedes Organ infiziert. Damit hat die Infektion eine um ein vielfaches erhöhte Sterblicheit. Von den bisher in Südostasien mit H5N1 infizierten Menschen sind über die Hälfte an der Infektion gestorben – trotz massivem Einsatz von Antibiotika. Gegen eine Pandemie mit H5N1 kann wohl nur eine Impfung schützen.

Taubenberger et al, NIH Public Access Author Manuscript

Journal of Infectious Diseases 2008, Morens, Taubenberger, Fauci

Influenza von Gina Kolata ( Erschienen auf Deutsch im Fischer Verlag) (wirklich spannend wie ein Krimi, also auch als Ferienlektüre geeignet!)

………..und noch ganz zum Schluss:

Nebst all der Pandemie-Geschichte dürfen wir nicht vergessen, dass wir jedes Jahr eine Grippe-Epidemie haben. In der Schweiz kommt es auf Grund der Grippe zu ca.1000 Todesfälle pro Jahr, und diese Todesfälle betreffen meist die ältere Bevölkerung.

Auch für die jährlich wiederkommende Grippeepidemie gilt: Die Impfung schützt, und kann viele Todesfälle verhindern. Hierzu gibt es genügend Studien, die dies belegen.

Bald ist wieder Grippe Saison, bitte die Impfung nicht verpassen!!!! Denn auch hier gilt der so oft zitierte Satz: Vorbeugen ist besser als Heilen!

Hayward et al, BMJ 2006: Grippe-Impfung des Personals in Altersheimen verringert die Mortalität