21. Januar 2020

Hirnhautentzündung mit Bornavirus – verpassen wir etwas?

Kennen Sie Bornaviren? Nie gehört! Mindestens ist dieses Virus in der Humanmedizin nicht so bekannt. Vielleicht müssen wir uns den Namen Borna doch merken, wie eine Publikation aus Regensburg vermuten lässt (Niller, Lancet-ID, 2020). Die Autoren beschreiben eine Häufung von schweren Erkrankung mit Bornavirus beim Menschen.

Infektionen mit Bornaviren wurden schon früher mit psychiatrischen Erkrankungen in einen Zusammenhang gebracht. Bereits 2015 wurde eine Häufung von tödlich verlaufenden Gehirnentzündungen (Enzephalitiden) durch Bornaviren (VSBV-1) beschrieben (Hoffmann, NEJM, 2015). Die Fälle betrafen Züchter von südamerikanischen Streifenhörnchen in Norddeutschland. In der Folge gab es Einzelfallberichte von Enzephalitiden in Bayern mit einem anderen Bornavirus (BoDV-1), drei davon bei Organtransplantat-Empfängern. Nun wurde erneut in Bayern eine grosse Fallserie von Enzephalitiden beschrieben, die mit BoDV-1 assoziiert sind.

Sorgfältige Detektivarbeit
Dazu analysierten die Mediziner zunächst 56 Enzephalitis-Fälle zwischen 1995 und 2019, von denen sie Hirnbiopsien (n=47) oder Autopsiematerial (n=9) hatten. Von den 28 Patienten mit bekannter Ursache fand sich kein Fall mit BoDV-1. Doch bei den 28 Patienten mit Enzephalitis ohne bekannte Ursache fand sich in sieben Fällen eine Infektion des Gehirns mti BoDV-1. Alle sieben Patienten sind an der Enzephalitis verstorben. Die Autoren ergänzten dann ihre Fallserie noch mit zwei weiteren Fällen aus München. Weitere 6 Fälle hatten sie schon früher publiziert.

Fallbeschreibung
Die insgesamt acht neuen Fällen mit BoVD-1 assoziierter Enzephalitis waren jung (Durchschnitt 39 Jahre) und die meisten (6/8) hatten eine Immunsuppression. Allen Personen gemeinsam war jedoch ein intensiver Tierkontakt, insbesondere mit Katzen, und die Mehrzahl arbeitete als Bauern.

Klinisch handelte es sich meist um eine „Panenzephalitis“, also um einen ausgedehnten Befall des gesamten Gehirns und Rückenmarkes. Der klinische Verlauf der Erkrankung mit Lähmungserscheinungen war rasch progredient. Die Krankheit manifestierte sich primär meist mit Fieber und Kopfschmerzen, gefolgt von Lähmungserscheinungen.

Die Abkläurngen zeigten meist eine Zellvermehrung in der Rückemmarksflüssigkeit (Liquor-Pleozytose), erhöhtes Eiweiss und Laktat. Untersuchungen mit CT oder MRI zeigten meist Auffälligkeiten im Bereich von Temporal- oder Frontallappen. In allen Fällen wurde die Diagnose mittels PCR in Hirngewebe sowie einem positiven Nachweis von Bornavirus-Antikörpern in Serum (oder Liquor) gestellt. Die Serologie war anfangs teilweise negativ.

Mensch zu Mensch Übertragung?
In einigen Fällen konnten das Virusgenom sequenziert werden. Es fanden sich bei der Analyse zwar regionale Auffälligkeiten, doch die Virussequenzen der untersuchgen Fälle lässt vermuten, dass es sich bei diesen Fällen um voneinander unabhängigen Übertragungen vom Tier auf den Menschen gehandelt haben muss.

Behandlungsmöglichkeiten
Wie berichtet, verliefen die meisten Fälle sehr rasch mit tödlichem Ausgang, eine wirksame Therapie ist nicht bekannt. Bemerkenswert sind frühere Berichte, wonach eine Immunsuppression bei transplantierten Patienten möglicherweise einen Überlebensvorteil bringt.

Fazit
Zwar kann mit dieser Studie keine Aussage über die tatsächliche Häufigkeit der Bornavirus-Enzephalitis gemacht werden, doch scheint diese sehr selten zu sein. Da sich Bornaviren auch bei Tieren in Österreich und der Schweiz nachweisen lassen, empfehlen die Autoren, bei sonst unklaren, schweren Fällen von Enzephalitis insbesondere bei Personen aus ländlichen Regionen an Bornaviren zu denken (Abbildungen unten: Kreise: Nachgewiesene Infektionen bei Haustieren).

Foto von IsaacMao