Heilungsversuche noch ein weiter Weg

HIV-cure: Roadmap ist gesetzt

Unmittelbar vor dem AIDS Kongress gab es ein Symposium mit ca. 150 Teilnehmern. Hier wurden die Möglichkeiten einer HIV-Heilung diskutiert. Doch das Feld ist noch ganz am Anfang. Die wenigen Ver-suche mit Histon-Deacetylase verliefen bisher eher enttäuschend. Die Gruppe hat nun eine „Roadmap“ festgelegt, welche Fragen untersucht werden sollten.

  • Welche Faktoren beeinflussen die Entstehung und Erhaltung der HIV-Latenz/Persistenz
  • In welchen Geweben kann HIV während der Therapie persistieren
  • Was sind die Gründe für die Immunaktivierung / inflammatorischen Reaktionen und die Konsequenzen für die Persistenz des Virus
  • Wie kann das Immunsystem HIV unter Kontrolle halten, ohne die Latenz zu beeinflussen
  • Aufbau und Validierung von Testverfahren zur Messung der Latenz / persistierenden Infektion
  • Entwicklung von therapeutischen Strategien um die latente Infektion zu eliminieren
  • Entwicklung von Strategien um die Immunabwehr zu verbessen

Diese Forschungszweige sind noch in den Kinderschuhen. Einiges wurde auch hier gezeigt. Doch die International AIDS Society (IAS.org) hat sich dieses Thema nun klar zur gemeinsamen Strategie erklärt.

Berlin-Patient ist CCR5-deletion irrelevant?

Der bekannte „Berlin-Patient“ ist ein HIV-infizierter Mann, der im Rahmen einer malignen Erkrankung eine Knochenmarks- (KM-) Transplantation erhalten hat (Hütter et al, NEJM 2009) und seither als geheilt gilt. Er selbst war auch am AIDS Kongress. Speziell an dieser Transplantation war, dass der Spender des KM die sogenannte 32 Delta Mutation im CCR5-Gen hatte. Menschenmit dieser homozygoten Mutante haben keinen CCR5 Rezeptor auf den Zellen und können daher nicht mit HIV infiziert werden. Der Berlin-Patient hat nun auch solche CCR5-deletierten Zellen. Nach der Transplantation wurde die Therapie gestoppt und der Pat. blieb bis heute geheilt.
Timothy Henrich aus Boston präsentierte (Abstract THAA0101) Langzeit-Beobachtungen von zwei Patienten die eine allogenetische RIC (reduced intensity conditioning) Knochenmarkstransplantation erhalten hatten. Beide Patienten hatten ein Rezidiv nach einer homologen KM-Transplantation und waren vor der Transplantation heterozygot für die CCR5-deletionsvariante. Die könnte auch irrelevant sein, war aber auch beim „Berlin-Patient“ der Fall. Das spezielle an dieser Beobachtung ist, dass beide Patienten heute – Jahre nach der Transplantation – in ihrem Blut keinerlei Hinweise für HIV haben (RNA, DNA, 2-TRC, abfallende Antikörpertiter). Beide Patienten nehmen noch immer die HIV-Therapie. Doch so wie es aussieht, werden die beiden jetzt wohl einen Absetzversuch machen. Wenn dies funktioniert, dann müssen wir wohl den Grund für die „Heilung“ beim Berlin-Patienten anderswo suchen als bei der CCR5-Deletionsvariante, denn beide Patienten erhielten ganz normale, homozygot CCR-5 positive Stammzellen. So kann man in der Wissenschaft irregeführt werden….

Science fiction: Die Genomschere

Noch etwas futuristisch mutet die von Helga Hofmann-Sieber aus Hamburg präsentierte Arbeit an (Abstract TUAA0302). Die Autoren haben eine Schere entwickelt, mit der das im menschlichen Genom integrierte HIV-Provirus gezielt ausgeschnitten werden kann. Das Prinzip ist elegant. Das HIV-virus hat an seinen Enden die beiden sog. Longterminalrepeat (LTR) Sequenzen. Mit diesen integriert es ins menschliche Genom. Nun haben die Autoren eine LTR-spezifische (Tre)-Rekombinase entwickelt welche exakt das HIV-Virusgenom an den beiden LTR-Enden aus dem menschlichen Genom ausschneidet. Sie haben mit Erfolg einen Vektor konstruiert, der nur in einer HIV-infizierten Zelle aktiv wird. Diese Aktivierung braucht die Anwesenheit des viralen Proteins tat. Doch dies ist gleichzeitig auch gleich der Schwachpunkt, denn tat wird in ruhenden Zellen nicht exprimiert. Daher ist die Methode im Moment noch nicht zielführend, aber wird dürfen wohl damit rechnen, dass dieser interessante neue Ansatz noch weiter entwickelt wird. Auf jeden Fall haben die Autoren schon mal bewiesen, dass man (in der Maus) die infizierten Zellen erreichen kann und dass die Rekombinase das HIV-Genom wirksam entfernt.