No go für Gentamicin-Schwämme!

Ernüchternde Daten von 2 Wirksamkeitsstudien bei einem Präparat, das seit 1985 auf dem Markt ist.

Biodegradable Schwämme aus Gentamicin und Kollagen sollen die Rate von postoperativen Infektionen (SSI) verhindern und wurden bisher ausserhalb der USA vermarktet. Eine grosse Studie im Jahre 2005 aus Schweden (2 Zentren) bei herzchirurgischem Kollektiv zeigte durch den Einsatz eines Genatmicinschwamms eine Reduktion der SSI von 9% auf 4.3% (Friberg O et al., Ann Thorac Surg 2005; 79(1): 153-61). Die Monozentrums-Studie von Rutten HJ und Nijhuis PH (Eur J Surg Suppl 1997;578:31-5) erbrachte bei der Colorectal-Chirurgie gar eine Reduktion der Infektionsrate um 60% . Zwecks Markteinführung in den USA wurden nun 2 Phase-lll-Studien, die eine in der Thorax- (SWIPE-1), die andere in der Colon-Chirurgie (SWIPE-2) durchgeführt.

SWIPE-1 schloss 1502 Hochrisikopatienten (Diabetes mellitus od./u. BMI>30) aus 48 US-Zentren ein. Ausgeschlossen wurden u.a. Patienten mit antibiotischer Therapie während den vorangegangenen 2 Wochen, mit schwerer Niereninsuffizienz, mit notfallmässigen Eingriffen, minimal invasive und konkomittierende chirurgische Eingriffe. Es wurde eine routinemässige antibiotische Prophylaxe (60 min. präinterventionell, meist Cefuroxim oder Cefazolin, bei knapp einem Dritte Vancomycin) verabreicht. Die Verumgruppe (n=753) erhielt 2 Gentamicin-Schwämme (entsprechend einem Total von 260mg Gentamicin) zwischen die Sternalhälften gelegt (mit mind. 7 Sternalcerclagen fixiert), die Kontrollgruppe (n=749) verblieb ohne Intervention. Wurde – z.B. aufgrund einer Blutung – innert 1 Woche reoperiert, so wurden bei der Verum-Gruppe die Schwämme gegen neue ausgetauscht. Der follow up betrug 3 Monate. Es resultierte kein signifikanter Unterschied betreffend der SSI-Rate (8.4% in der Verum vs. 8.7% in der Kontrollgruppe) bei vergleichbarem Keimspektrum im Falle eines SSI (mit vermehrtem Anteil an koagulaseneg. Staphylokokken mit formaler Gentamycin-Resistenz in der Kontrollgruppe).

SWIPE-2 wurde an 602 Patienten mit laparoskopischer oder offener Colorectal-Chirurgie an 39 US-Zentren durchgeführt. Ausschlusskriterien waren v.a. minimal invasive (Mini-Laparaskopien und -Tomien) und signifikante konkomittierende Eingriffe. Standardmässig erhielten alle Patienten eine präinterventionelle antibiotische Prophylaxe (Cefazolin und Metronidazol, Cefoxitin oder Ciprofloxacin und Clindamycin oder Metronidazol (z.T. wurden additiv auch dekontaminierende orale Antibiotika wie z.B. Neomycin oder Erythromycin eingesetzt). Wie bei SWIPE-1 wurde randomisiert für die Verumgruppe mit 2 Gentamicinschwämmen (oberhalb der Fascie) vs. keine Schwämme und der follow up betrug ebenfalls 60 Tage. Es zeigte sich ein erstaunliches Resultat: In der Verum-Gruppe traten zu 30% SSI, in der Kontrollgruppe zu 20.9% auf (p=0.01). Der Anteil an oberflächlichen SSI war in der Verum-Gruppe signifikant grösser (20.3 vs. 13.6%) mit im Vergleich zur Kontrollgruppe signifkant erhöhter Rate an Folgekonsultationen bei Infektionsverdacht (57 vs. 31% ).

Die Studienergebnisse sind gemäss der Autoren der SWIPE-1- und SWIPE-2-Studie aufgrund der implementierten Qualitätskontrollen (Verifizierung der Quellendaten, Beurteilung der Ergebnisse durch verblindete Personen) und durch das Setting der Multizenterstudie valider als die vorangegangenen Studien mit positiven Resultaten. Die Autoren der SWIPE-2-Studie führen zudem als Begründung für die vermehrten SSI in der Verum-Gruppe mögliche phamakologische (zu rasche Depletion / Elution des Antibiotikums mit nachfolgend zu tiefen Gentamycin-Spiegeln und damit lediglich Figurierung als Fremdmaterial sowie zu geringe Aktivität gegen grampos. Erreger) und mechanische (verzögerter Wundverschluss durch Schwamm) Parameter an.

Somit muss die z.T. auch in der Schweiz gahandhabte Praxis des Einbringens von Gentamyicin-Schwämmen in prophylaktischer Intention sehr in Frage gestellt werden. Trotz ernüchternder Resultate ist allerdings dem Sponsor (Innocoll Technologies, Hersteller der Gentamycin-Schwämme) der beiden Studien sicherlich die Veröffentlichung dieser negativen Daten in 2 vielbeachteten Zeitschriften zugutezuhalten!

Quellen:
Bennett-Guerrero et al., JAMA 2010;304(7):755-62
Bennett-Guerrero et al., NEJM 363:1038-49