Abacavir vs. Tenofovir: Eine ewige Patt-Situation

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Inhaltsübersicht: Kongressbericht Wien 2010

Es gibt wohl zur Zeit keinen heftigeren Konkurrenzkampf im Bereich der HIV-Therapeutika wie die Auseinandersetzung zwischen Tenofovir und Abacavir. Beide werden in Kombination mit 3TC respeltive FTC koformuliert (Kivexa vs. Truvada) und gehören zum Rückgrat jeder HIV-Therapie. 

Die Auseinandersetzung basiert sowohl auf Argumenten bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen. Kivexa (Abacavir + 3TC) wird vorgeworfen, bei Patienten mit hohem Herzinfarktrisiko insbesondere zu Beginn der Therapie das akute Infarktrisiko zu erhöhen, eine Nebenwirkung, welche nur solane anhält, als die Substanz auch eingenommen wird. Truvada (Tenofovir + FTC) dagegen steht im Verdacht, den Kalkgehalt des Knochens zu reduzieren (Osteoporose) und in einem Teil der Behandelten eine Niereninsuffizienz zu verursachen. 

Am CROI 2010 hat die ACTG 5202-Studie ferner den Verdacht lanciert, dass die Wirksamkeit von Abacavir derjenigen von Tenofovir bei Patienten mit hoher Viruslast unterlegen sein könnte. Diese Resultate wurden heftig diskutiert und wir können im Moment weder für die eine noch für die andere Haltung eine klare Position ergreifen. 

In diesem Diskurs hat nun eine Kanadische Kohorte (CANOC) unteresucht (Hogg, et.al.-THLBB208), ob in dieser Kohorte Unterschiede bestehen bei Patienten, die eine Therapie mit Abacavir oder Tenofovir (Kivexa vs. Truvada) angefangen haben, bezüglich:

  • Zeit bis zum Virologischen Versagen
  • Zeit bis zum Wechsel des NNRTI-Backbones
  • Zeit bis zur Umstellung der Therapie (irgend einer Komponente)

Ohne hier auf die Detail einzugehen (s. gesamte Präsentation im Link): Das Resultat der Studie war recht einfach: Es fand sich kein Unterschied zwischen den beiden Substanzgruppen, in keiner der analysierten Aspekte. In der beiliegenden Abbildung ist auch gezeigt, dass die Zeit zur vollständigen Virussupression – entgegen der ACTG-5202-Studie – sowohl bei Patienten mit tiefer wie auch mit hoher (>10^5 kp/ml) identisch war.

Natürlich kann man hier einwenden, das dies "nur" eine Kohortenstudie war und dass die Grösse der untersuchten Stichprobe relativ klein ist. Auf der anderen Seite kann man auch sagen, dass man bei 713 behandelten Patienten (442 unter Kivexa) keinerlei Tendenz in die eine oder andere Richtung sieht.

Für uns ist dies ein Mosaikstein mehr, dass die Unterschiede  nicht so relevant sind. Wir halten es in der Praxis weiterhin nach unserem bewährten Schema:

  • Patienten mit einem 10-Jahres-Herzinfarkt Risiko (nach Framingham) von mehr als 20% werden – wenn eine Alternative besteht – nicht mit Abacavir behandelt.
  • Patienten mit vorbestehender Nierenerkrankung oder verminderter Knochendichte (insbesondere bei tiefem BMI) werden – wenn eine Alternative besteht – nicht mit Tenofovir behandelt.
  • Bei allen anderen Patienten wählen wir das Medikament mit dem günstigeren Preis. In der Schweiz ist dies im Moment noch Kivexa mit einem Preisunterschied zu Truvada von Fr. 2900.- pro Jahr. 

Links:

  • Hogg, et.al.-THLBB208
  • Slides mit Audio
  • Präsentation (.ppt)