Cefazolin-Dauerinfusion bei Knochen- und Gelenksinfekten – auch als Heimtherapie

Da die antimikrobielle Wirksamkeit von Beta-Laktamen zeitabhängig ist, d.h. um so grösser je länger die Serumkonzentration oberhalb der MHK des Erregers liegt, wäre eine Beta-Laktam-Dauerinfusion ideal. In einer Orthopädischen Klink in Paris waren Cefazolin-Dauerinfusionen bei Knochen- und Gelenksinfekten erfolgreich und vielfach sogar ambulant möglich.

Cefazolin ist ein semisynthetisches Cephalosporin, das bereits seit mehr als 30 Jahren zur Behandlung von Knochen- und Gelenksinfekten eingesetzt wird. Seine Vorteile sind gute Knochenpenetration, gute in vitro-Aktivität gegen Methicillin-sensible Staphylokokken (MSSA) (MHK90  = 1mg/l) und Streptokokken (ausser Enterokokken) (MHK90 = 0,1-2mg/l), exzellente Verträglichkeit, keine Interaktionen, geringe Kosten und schmales antimikrobielles Spektrum. Da die antimikrobielle Aktivität von Cefazolin wie die aller Beta-Laktame zeit- und nicht konzentrations-abhängig ist, könnte eine Dauerinfusion von Vorteil sein. Voraussetzung hierfür ist natürlich eine ausreichend lange Stabilität der Infusionslösung. Unter www.documed.ch findet man zur Stabilität der jeweiligen Infusionslösungen bei Raumtemperatur die folgenden Angaben: Kefzol (Cefazolin) 12h, Augmentin (Amoxicillin/Clavulansäure) 1h, Floxapen (Flucloxacillin) 24h, Penicillin und Clamoxyl (Amoxicillin) jeweils 6h.

In der Orthopädischen Klinik eines Pariser Spitals werden zahlreiche Patienten mit Knochen- und/oder Gelenksinfekten mit einer Cefazolin-Dauerinfusion behandelt, wobei die Hälfte von ihnen die parenterale Antibiotika-Therapie ambulant zu Hause erhält. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden klinische Wirksamkeit, Machbarkeit und Sicherheit einer längerfristigen Cefazolin-Dauerinfusion evaluiert.

Patientencharakteristika, Infektionstyp und Keim:

Zwischen Februar 2005 und Mai 2007 wurden 100 konsekutive stationäre Patienten mit Knochen- und/oder Gelenksinfekten eingeschlossen, welche während mindestens 2 Wochen mit einer Cefazolin-Dauerinfusion behandelt wurden und für die mindestens 2 Cefazolin-Serumkonzentration-Bestimmungen vorlagen (medianes Alter 56 (18-92) J., 55 Männer, medianes Gewicht 73 (45-130) kg, mediane Kreatinin-Clearance 110 (30-150) ml/min, Diabetes mellitus bei 7 und BMI>=30 bei 9 Patienten). Die Infektionstypen waren wie folgt verteilt: 44 Gelenkprotheseninfekte, 34 chronische Osteomyelitiden, 16 septische Arthritiden, 2 Spondylidiszitiden und 4 andere. 94 Patienten wurden operiert. Staphylococcus aureus wurde bei 56, SKN (koagulasenegative Staphylokokken) bei 9, Streptococcus spp. bei 7, Propionibacterium acnes bei 18 Patienten als Pathogen isoliert (8 polymikrobiell, 2 unbestimmt). Alle Erreger waren Cefazolin-empfindlich (MHK<= 8mg/l) und entsprechend alle Staphylococcus-Stämme Methicillin-sensibel.

Medikamentengabe:
Cefazolin wurde über einen zentralen Venenkatheter (ZVK) verabreicht. Nach einer Ladedosis von 1 bzw. 2g (bei einer Tagesdosis von <=4g bzw. >4g) über 10min, begann man unverzüglich mit einer Dauerinfusion von 60-80mg/kg Körpergewichtet/Tag. Cefazolin wurde dafür in 50ml 5%-Glucose aufgelöst und 2x täglich über 12h mit einer Infusionpumpe verabreicht. Sämtliche Patienten erhielten eine kombinierte Antibiotika-Therapie, in den meisten Fällen (88/100) mit Rifampicin.

Kriterien für eine Entlassung nach Hause mit einer ambulanten parenteralen Antibiotika-Therapie waren:
1) Behandlungsdauer >3 Wochen,
2) günstiger lokaler und genereller Verlauf der Infektion,
3) wiederhergestellte Funktion des betroffenen Gelenks bzw. der betroffenen Extremität,
4) gute Verträglichkeit der Behandlung und
5) häusliche Unterstützung bei den Alltagstätigkeiten gewährleistet.

Zu Hause wurde die Antibiotika-Therapie 2x täglich von einer ambulanten Pflegefachperson über ein portables Infusionssystem verabreicht ("constant-infusion pump" oder "elastomeric infusion system"). Das Auftreten von Nebenwirkungen sowie die Resultate der einmal wöchentlichen Blutentnahme wurden dem behandelnden Arzt gemeldet.

Cefazolin-Konzentration in Blut und Knochen:

Cefazolin-Spiegel-Bestimmungen wurden bei jedem Patienten mindestens 2x vorgenommen (Tag 2-10 sowie Tag 11-21 mit einem Mindestabstand von 5 Tagen zwischen den beiden Messungen). Der verwendete "agar disk diffusion test" (mikrobiologischer Assay) hatte eine Detektionsschwelle von 0,5mg/l und eine Variationsbreite von 5-11%.

Die Ziel-steady-state-Konzentration wurde unter Berücksichtigung der folgenden Überlegungen auf 40-70mg/l festgelegt:
1) Die in vitro-MHK für Methicillin-empfindliche Staphylokokken ist 1mg/l.
2) Spitzen-bakterizide Titer von >= 1/16 und Tal-Titer von >= 1/4 waren prädiktiv für einen Heilungserfolg bei chronischer Osteomyelitis, während Spitzen-Titer <1/16 und Tal-Titer <1/2 Therapieversagen voraussagten.
3) Cefazolin-Knochenpenetrationsrate: 4-18%
4) Ein Knochen-Konzentration/MHK-Verhältnis von 5 ist für zeitabhängig abtötende Antibiotika nötig.
5) keine Cefazolin-Toxiztät bei Konzentrationen <100mg/l
6) Small colony variants (eingebettet in ihren selbst-produzierten Biofilm und bekannterweise bei chronischen Knocheninfekten vorhanden) sind gegenüber zellwand-aktiven Antibiotika resistenter.

Zwar lagen die medianen Cefazolin-Serumkonzentrationen bei der 1. u. 2. Messung im Zielbereich (Tag 2-10: 63 (13-203) mg/l, Tag 11-21: 57 (29-128) mg/l), bei knapp der Hälfte der Patienten (47/100) war jedoch eine Dosisanpassung nötig. Bei 81% (38/47) erfolgte eine Dosisreduktion und bei 19% (9/47) eine Dosissteigerung (um jeweils 20-25%). Aufgrund dieser Beobachtung wurde die Cefazolin-Start-Dosis in der Pariser Orthopädischen Klinik mittlerweile von 80 auf 60mg/kg/Tag herabgesetzt. Die mediane Tagesdosis betrug 6 (4-16) g und die mediane Behandlungsdauer 42 (14-82) Tage.

Bei 8 Patienten, welche aufgrund einer akuten Staphylococcus aureus-Sepsis präoperativ während 6-62 Tagen (median 7 Tage) mit einer Cefazolin-Dauerinfusion behandelt worden waren, wurde die Cefazolin-Konzentration in einer intraperativen Knochenbiopsie und gleichzeitig im Serum bestimmt. Die mediane Cefazolin-Knochen-Konzentration lag bei 13,5 (3,5-29) ug/g, die dazugehörigen Serumkonzentrationen zwischen 45 und 86ug/ml und das Knochen-/Serumkonzentrations-Verhältnis bei 0,25 (0,06-0,41).

Nebenwirkungen:
Möglicherweise aufgrund des Therapeutischen Drug-Monitorings (TDM) wurden lediglich zwei Ereignisse von Cefazolin-bezogenen Nebenwirkungen dokumentiert: ein Patient mit Clostridium difficile-Colitis und ein zweiter mit Verwirrtheitszustand bei einem fast 2fach oberhalb des oberen Zielbereichs liegenden Cefazolin-Spiegels von 127mg/l.

Outcome:
Das mediane Follow-up betrug 25 (12-53) Monate. 12 Patienten wurden von der Outcome-Analyse ausgeschlossen (6 Patienten verliessen die Studie vor Ablauf 1 Jahres, 1 Patient verstarb an einem Karzinom, 5 Patienten erhielten eine Dauersuppressionstherapie). Unter den verbleibenden 88 Patienten kam es bei 5 Patienten mit Staphylococcus aureus-Infektion zum Relapse, ohne dass das Auftreten einer Cefazolin-Resistenz zu beobachten war. Eine Patientin verstarb 6 Monate postoperativ  bei zunehmender Allgemeinzustandsverschlechterung. Insgesamt wurden somit 93% (82/88) Patienten als geheilt (53 Patienten) oder wahrscheinlich geheilt (29 Patienten) beurteilt. ("geheilt" = Fehlen klinischer, mikrobiologischer und radiologischer Infektionszeichen nach 2 Jahren Follow-up, "wahrscheinlich geheilt" = gleiche Kriterien nach 1 Jahr Follow-up)

Conclusion:
Die längerfristige Behandlung von Knochen- und Gelenksinfekten mit Cefazolin-Dauerinfusionen hat sich somit als machbar, wirksam, gut verträglich, sicher und leicht zu handhaben erwiesen. Dass sich die Cefazolin-Dauerinfusion auch sehr gut für eine Heimtherapie eignet, dürfte nicht zuletzt vor dem Hintergrund von "Bettennot" und Sparmassnahmen im Gesundheistwesen von Interesse sein.

Quelle: Zeller et al., Antimicrobial Agents and Chemotherapy 2009;53(3):883-887