HIV Pathogenese

Am ICAAC werden weniger Arbeiten zu HIV Pathogenese vorgestellt als vielleicht beim CROI. Dennoch gab es über einge interessatne Aspekte zu berichten. Deutlich ist der Trend in Richtung Immunologie. Noch vor 10 Jahren hat man sich vorwiegend auf die viralen Aspekte von HIV konzentriert. Heute ist klar, das es das Immunsystem ist, welche – als Reaktion auf die Virusinfektion – die Krankheit auslöst.

It’s the immune system – stupid
1996, als die ersten Erfolge der HIV-Kombinationstherapie gefeiert wurden, hat David Ho – in Anlehnung an den Wahlslogan von Präsident Clinton (it’s the economy – stupid) den Ausdruck: It’s the virus –stupid! Geprägt. Doch die Zeit hat gezeigt, dass sich Ho damals geirrt hat. Heute wissen wir, dass es nicht das Virus ist, welches das Immunsystem zerstört, sondern das Immunsytem. Und wir wissen heute auch, dass der Verlauf der Infektion weitgehend von der Genetik des Infizierten bestimmt wird.

Die Gruppe von Mario Clerici konnte diesen Sachverhalt nun noch in einem tragischen Fall einer Transplantation bestätigen. Drei Personen hatten Organe von einem verstorbenen Spender erhalten, von dem sich erst nach der Operation herausstellte, dass er HIV-positiv war. In allen Fällen zeigte sich durch die massive Infektion eine rasche Ausbreitung der HIV-Infektion. Doch der Verlauf der Immunantwort war in den drei Fällen nicht identisch, was auf die genetischen Unterschiede im Immunsystem zurückzuführen war.
Quelle: Menichetti et al, ICAAC 2008, Washington 25.-28. Oct, H-4050

Feine Nuancen bei Langzeit-Non-Progressoren
Eine interessante Arbeit aus Köln hat das Phänomen der non-Progressoren weiter Untersucht. In Zusammenarbeit mit Ihren Partnern in verschiedenen Deutschen Zentren hat das Team von Gerd Fätkenheuer unter mehr als 6000 Patienten eine sehr seltene Gruppe (n=8!) von sog. "Elite Controllers" (EC) sowie einige "Intermediate Controlles" (n=24, IC) identifiziert. Diese Patienten zeichnen sich dadurch aus, dass Ihre CD4 Werte konstant über 500/ul bleiben und ihre Viruslast weniger als 2000 beträgt. Die Elite Controllers sind noch eine speziellen Gruppe, indem ihre Viruslast auch ohne Therapie nicht nachweisbar ist. 

Die Autoren haben nun diese Gruppe von EC und IC longitudinal beobachtet (mindestens 1 Jahr lang) und die Veränderung der CD4 Zellpopulation dokumentiert. Interessanterweise blieben die Absoluten CD4 und CD8 Werte in beiden Gruppen stabil, doch es zeigte sich ein eindeutiger Abfall bei den prozentuallen CD4 Werten bei den IC, während die EC auch bezüglich den prozentualen CD4 Werten (s. Abbildung) über die gesamte Beobachtungsperiode stabil blieb.

Diese Arbeit macht erneut deutlich, dass die Elite Controllers sehr selten vorkommen und dass selbst eine Virusreplikation auf geringer Stufe wie bei den IC zu einer wenn auch langsamen so doch messbaren Zerstörung des Immunsystems führt.
Quelle: Lehmann et al, ICAAC 2008, Washington 25.-28. Oct, H-4052

Neue Lektion von der Erfinderin der Integrase-Hemmer
Daria Hazuda, Leiterin der HIV-Forschungsprojekte bei Merck, ist die "Erfinderin" der Integrasehemmer. Bei der Integrase handelt es sich um ein Enzym, welches die Erbinformation des Virus nach der reversen Transkription (aus RNA wird DNA) vom Zytoplasma in den Zellkern transportiert und dort in die Wirts-DNA integriert. Hazuda hat den Mechanismus der Integrase beschrieben und dann den ersten Integrase-Hemmer entwickelt. Bereits arbeitet Merck an der zweiten Generation von Integrase-Hemmern.  

Die HIV-Integrase ist ein Enzym, welches mit weiteren zellulären Proteinen im Zytoplasma einen Komplex bildet. Die Integrase-Hemmer binden an dieses Enzym. Am ICAAC hat Hazuda gezeigt, dass diese Bindung des Integrasehemmers die Funktion des Komplexes blockiert und diesen in einen unstabilen Zustand versetzt. In der Folge kann die im Komplex gebundene HIV-DNA zwei Wege gehen: sie kann sich zu DNA-zirkeln entwicklen oder sie wird ganz zerstört. In beiden Fällen geht die in der DNA gespeicherte Virusinformation verloren. Da die Bindung des Integrasehemmer an das Enzym sehr stark ist, wird der Komplex zerstört, noch bevor sich diese Bindung löst. Dies bedeutet, dass die Integrasehemmer funktionell eigentlich irreversible hemmen und erklärt die gute Wirksamkeit dieser neuen Substanzen.

Hazuda hat auch noch weitere Daten zur Resistenzentwicklung gezeigt. HIV kann auch gegen die Integrasehemmer Resistenzen entwickeln. Sehr schön hat Hazuda demonstriert, dass diese Resistenzentwicklung einem ganz klaren Pfad folgt, wie wir dies schon von anderen Resistenzen kennen. Zunächst entstehen Resistenzen, welche die Bindung an das Enzym behindern (hier Mutation an Position 155 des Enzyms). Doch da diese Mutationen weniger gut repliziern, entwickelt das Virus neue Mutationen, welche fitter sind und den Resistenzgrad erhöhen. Im Fall der Integrase sind dies Mutationen in Position 148 und 140. Möglicherweise auch 143.

Quelle: Hazuda et al,2008, Washington 25.-28. Oct, H-898