Welche Schwangere soll wann gegen Grippe geimpft werden?

Eine im Lancet Infect Dis erschienene Review befasst sich mit der Evidenz der Impfung schwangerer Frauen gegen die saisonale Grippe. Hintergrund ist die Tatsache schwerer Grippeverlaeufe von Schwangeren waehrend den Pandemien von 1918/1919 und 1957 mit erhoehter Mortalitaet und Haeufung von Aborten, Fruehgeburten und intrauterinen Wachstumsverzoegerungen.

In verschiedenen Ländern (z.B. USA, Kadada) besteht die generelle Empfehlung, alle Schwangere unabhängig des Schwangerschaftstadiums während der Grippesaison gegen die saisonale Influenza zu impfen. Die WHO erlässt die gleichen Empfehlungen. In Australien wird der Grippeimpfstoff allen Schwangeren während dem 2. und 3. Trimenon angeboten. In der Schweiz ist die Impfung gemäss BAG während einer Influenzaepidemie im zweiten oder dritten Trimenon vor allem für schwangere Frauen empfohlen, die zusätzliche Risikofaktoren aufweisen (chronische Herz- und Lungen- oder Nierenkrankheiten oder Stoffwechselstörungen). Deutschlands Impfpolitik ist noch zurückhaltender (keine einheitliche Impfempfehlung sondern gemäss individuellem Abwägen Evaluation einer Impfung während dem 3. Trimenon).

Bisher sind keine Daten bekannt, die einen Nachteil von inaktivierten Impfstoffen für den Föten aufzeigen. Allerdings gibt es diesbezüglich auch kaum systematische Analysen, vorab nicht während des ersten  Trimenons. Die Autoren des reviews versuchten, die Datenlage für Schwangere und Kind betreffend der Morbidität einer Grippe und einer Grippeimpfung zu präsentieren.

VERTRAEGLICHKEIT:
Grippeimpfungen sind auch für Schwangere in der Regel gut verträglich. Als häufigste Nebenwirkungen wurden leicht erhöhte Temperatur, Schnupfen, Kopfschmerzen, Schwindel und Influenza-ähnlichen Symptome erfasst.

OUTCOME SCHWANGERE:
Fall-Kontroll-Studien (Vergleich von "regular" mit "severe" Grippesaisons), observationelle Studien und Hochrechnungen (Daten: Hospitalisierung und ICD-Codierungen von Europa und USA) halten eine vermehrte Morbidität, ambulante Konsultationsrate, Hospitalisierung (gleiche Hospitalisierungsrate von gesunden Schwangeren im Vergleich zu chronisch Kranken, nicht schwangeren Frauen) und Mortalität (Schwangerenanteil an Sterbefällen 4-fach erhöht) von Schwangeren während der Grippesaison fest. Zudem ist die Rate von Frühgeburtlichkeit, fötalem distress und Kaiserschnitt um rund 2.5-4-fach erhöht (Vergleich von hospitalisierten Schwangeren mit resp. Infekt vs. ohne resp. Infekt während Grippezeit). Die Wahrscheinlichkeit, während der Grippezeit mit respiratorischem Infekt hospitalisiert zu werden, ist in den USA um 3.2x höher bei Schwangeren mit 1 Comorbidität im Vgl. zu gesunden Schwangeren (Asthma bronchiale: gut um 10x erhöht!).

OUTCOME NEUGEBORENE:
Gemäss kleineren Untersuchungsreihen zeigt sich im Rahmen einer Immunisierung von Schwangeren aufgrund von(gemessenen, transplazental übertragenenen und im Blut bis zu 53d vorhandenen) Antikörpern beim Neugeborenen ein milderer Verlauf von resp. Infekten während der Grippezeit beim bis zu 6 Monate alten Baby.
Nur wenige Unterschuchungen liegen mit der Frage nach Vakzine bedingter Morbidität des Neugeborenen (Verlaufsbeobachtung bis 7a) vor, wenn während dem 1. Trimester geimpft wird: Anhand einer Serie von 650 Geimpften resp. einer Serie mit 41 Geimpften konnte keine Pathologie (neurolog. Defizite, Malformationen) erfasst werden. Etwas mehr Daten (auch neuere) liegen bei Geimpften während dem 2. und 3. Trimenon vor: auch hier zeigen sich für die Neugeborenen keine Nachteile (Verlaufsbeobachtung bis zu 6 Monaten). Auch die Zusammenschau der Analyse der Daten für Thiomersal enthaltende Influenza-Impfstoffe zeigt keine hiermit verbundene Morbidität

Die Autoren aus der Schweiz und aus England kommen zum Schluss, dass genügende Evidenz besteht, um folgende Empfehlungen zu machen:
1.) Generelle Grippeimpfung von gesunden Schwangeren während des 2. oder 3. Trimenons.
2.) Grippeimpfung für Schwangere mit Comorbiditäten in jedem Trimenon

Wir sind gespannt darauf, ob sich diesbezüglich die Empfehlungen des BAG verändern werden!

Quelle: T K Mak et al., Lancet Infect Dis 2008;8:44-52

Weitere Literatur:   BAG: Empfehlungen zur Grippeimpfung, Sept. 2007
                                  Grippe 2008: erstmals Epidemieschwelle überschritten (K. Boggian)
                                  Grippeimpfung jetzt! (K. Boggian)
                                  Genetische Grundlagen für Infektionen (P. Vernazza)