Vitamin D bremst Alterungsprozess
Eine neue Studie zeigt, dass Vitamin D die Telomerverkürzung verlangsamen kann – Ist das relevant?
Der Alterungsprozess
Können wir ihn messen? Und wenn ja – lässt er sich beeinflussen? Klinkt wie ein Wunsch aus dem Jungbrunnen-Baukasten, ist aber Gegenstand aktueller Forschung. Eine neue, grosse Interventionsstudie aus den USA hat untersucht, ob Vitamin D (und Omega-3-Fettsäuren) den biologischen Alterungsprozess verlangsamen können. Das Ergebnis: Vitamin D hat tatsächlich einen messbaren Effekt – auf die Telomere.
Was sind Telomere?
Telomere sind die Schutzkappen unserer Chromosomen. Sie bestehen aus repetitiver DNA und schützen das Erbgut bei jeder Zellteilung – ähnlich wie die Plastikenden eines Schnürsenkels. Mit jeder Zellteilung werden sie kürzer, bis sie irgendwann so stark abgenutzt sind, dass die Zelle in Rente geht: Seneszenz. Die folgende Illustration zeigt diesen Prozess (adaptiert nach National Institute of Aging):
Je kürzer die Telomere, desto näher ist die Zelle dem biologischen Ruhestand. In vielen Studien zeigt sich: Menschen mit kürzeren Telomeren haben ein höheres Risiko für chronische Krankheiten und eine geringere Lebenserwartung. Man spricht daher vom Telomer als einem Ersatzparameter für den biologischen Alterungsprozess – einem sogenannten „Proxy“. Zwar kein harter Endpunkt wie Herzinfarkt oder Tod, aber ein biologisch plausibler und reproduzierbarer Marker für das Tempo, mit dem unser Zellgewebe altert (s. Review-Artikel in Biogerontoloty, 2019).
Was wurde untersucht?
Die neue Studie von Zhu et al. (2025) basiert auf einer Subgruppe der bekannten VITAL-Studie. Es handelt sich um eine methodisch saubere, randomisierte, placebokontrollierte Interventionsstudie mit über 1000 Teilnehmenden und einer Studiendauer von vier Jahren.
Untersucht wurde in einem sogenannten faktoriellen Studiendesign, ob sich Vitamin D (2000 IE/Tag) und/oder Omega-3-Fettsäuren (1g/Tag) auf die Telomerlänge auswirken. Die Telomere wurden zu Studienbeginn und nach vier Jahren erneut gemessen – ein Zeitraum, in dem sich physiologisch eine nennenswerte Verkürzung zeigen würde.
Und das Resultat?
Klarer Sieger: Vitamin D. In der Vitamin-D-Gruppe war die Telomerverkürzung signifikant geringer als in der Placebogruppe. Die Supplementierung mit Omega-3 zeigte hingegen keinen Effekt auf die Telomerlänge. Das ist interessant, weil Omega-3-Fettsäuren in vielen anderen Studien gesundheitliche Vorteile gezeigt haben – hier aber offenbar nicht auf zellulärer Alterungsebene.
Was bedeutet das?
Natürlich kann man sagen: „Telomere sind nicht alles“. Und richtig: Die Telomerlänge ist nicht gleichzusetzen mit Gesundheit oder gar Lebensdauer. Aber sie ist ein valider, biologisch plausibler Marker. Und es ist eben nicht irgendeine Beobachtungsstudie mit Korrelationen, sondern eine prospektive, randomisierte Interventionsstudie – genau das, was wir in der Vitamin-D-Forschung so oft vermissen.
Viele der bisherigen Vitamin-D-Studien zeigten Assoziationen: Menschen mit höherem Vitamin-D-Spiegel leben länger, sind seltener krank – aber war das der Effekt des Vitamins oder nur ein Marker für gesünderen Lebensstil? In dieser Studie wurde interveniert – und der Effekt war klar.
Fazit:
Vitamin D mag nicht die ewige Jugend bringen – aber es scheint, als könne es zumindest das Verblassen des biologischen Lebensfadens ein wenig bremsen. Doch wer nun denkt, er könne mit ein paar Tropfen Vitamin D oder einer Omega-3-Kapsel den Alterungsprozess austricksen, sei gewarnt: Es geht nicht nur darum, mehr Pillen einzunehmen. Denn inzwischen schiessen Studien zu Longevity-Pillen wie Pilze aus dem Boden – von Metformin über Rapamycin bis zu Resveratrol. Doch die besten Mittel gegen vorzeitiges Altern sind weder verschreibungspflichtig noch rezeptfrei – sie sind kostenlos:
Mehr Bewegung. Weniger Kalorien. Kein Nikotin.
Wer also wirklich etwas dafür tun will, seine AHV nicht nur zu erreichen, sondern auch geniessen zu können, sollte zuerst bei sich selbst ansetzen – bevor er auf das nächste Versprechen aus der Pille hofft.
Links
- Prävention mit Vitamin D: Genügt die Evidenz? (Veröffentlicht am 20.05.2023)
- Endlich: Vitamin D Einnahme hilft doch! (Veröffentlicht am 20.11.2022)
- Vitamin D – Auch für HIV-Positive von Vorteil (Veröffentlicht am 02.12.2015)
- Vitamin D Ersatz: Klarer Vorteil (Veröffentlicht am 19.02.2012)
- Vitamin D Mangel mit Infektanfälligkeit assoziert! (Veröffentlicht am 18.01.2008)