COVID-19 oder Influenza? Schwierig!
Seit über einem Jahr beschäftigen wir uns nun mit SARS-CoV-2. Experten gehen davon aus, dass das Virus – und damit auch die durch das Virus ausgelöste Erkrankung COVID-19 – in den nächsten Jahren bei uns endemisch vorkommen wird. Das heisst, dass wir als Ärzte in den nächsten Jahren regelmässig mit der Frage konfrontiert sein werden, ob eine Patientin mit Symptomen einer Atemwegserkrankungen COVID-19, eine Grippe oder eventuell eine andere respiratorische Infektion hat. Diese Unterscheidung ist wichtig, da zum Beispiel der Einsatz von Steroiden bei schwerem COVID-19 zum normalen Management gehört, bei der Grippe aber unbedingt vermieden werden sollte.
In einer gerade erschienenen Publikation hat sich Pablo Sieber im Rahmen seiner Masterarbeit – zusammen mit dem Team der Infektiologie des KSSG – vorgenommen, die wichtigsten Merkmale, welche COVID-19 von einer Grippe unterscheiden, zu beschreiben. Dafür wurden je 96 COVID-19 und Grippepatienten, welche sich zwischen November 2019 und Mai 2020 im Kantonsspital St. Gallen vorgestellt hatten, verglichen. COVID-19 Patienten waren eher Männer und hatten im Durchschnitt weniger schwere Grunderkrankungen als Grippepatienten. Nicht überraschend konnte gezeigt werden, dass die Unterscheidung zwischen COVID-19 und Grippe aufgrund der Art der Symptome sehr schwierig ist: Kopf- und Halsschmerzen zeigten sich z.B. etwas häufiger bei Grippe als bei COVID-19 Patienten; der systolische Blutdruck ist eher höher bei COVID-19 Patienten. Ein ganz wichtiger Unterschied zwischen den Gruppen war aber folgender: COVID-19 Patienten waren im Durchschnitt fast eine Woche lang krank, bis sie den Weg ins Spital fanden. Bei der Grippe stellten sich die Patienten hingegen bereits 3 Tage nach Symptombeginn im Spital vor. Dies passt gut zu unserem momentanen Verständnis dieser beiden Erkrankungen. Während COVID-19 Patienten sich häufig erst nach einer Woche verschlechtern, ist die Grippe eine Erkrankung, bei der man innert kürzester Zeit starke Symptome entwickelt. Mit Hilfe eines Entscheidungsbaumes kann damit die Wahrscheinlichkeit von COVID-19 (in orange) oder einer Grippeerkrankung (in grau) abgeschätzt werden (die „latency“ in der Graphik steht für die Zeit von Symptombeginn bis zur Vorstellung im Spital):
Neben den Symptomen gibt es einige Laborbefunde, die zwischen den Gruppen unterschiedlich sind. So haben z.B. COVID-19 Patienten (in orange) auch höhere Leberwerte oder eine höhere LDH als Influenza Patienten (in grau).
Schliesslich zeigte sich bei dieser Analyse auch, dass die Sterblichkeit bei COVID-19 mit 16% deutlich höher war als bei Influenza (5%). Es muss aber hierzu gesagt werden, dass es sich um hospitalisierte Patienten handelt und dies so nicht auf andere Bevölkerungsgruppen übertragen werden kann.
Wichtig ist nun, dass diese Daten in einem anderen Zentrum validiert werden. Wir hoffen, dass diese Erkenntnisse letztlich dazu beitragen, Patienten schneller auf den richtigen Behandlungspfad zu bringen.